Markenrecht: Der Kampf des BGH gegen Markentrolle
Der BGH hat mit Urteil vom 23.10.2019, Az. I ZR 46/19 – Da Vinci entschieden, dass sogenannte „Markentrolle“ keine Ansprüche aus Unterlassungserklärungen geltend machen können, wenn sie eine Vielzahl von Marken ohne ernsthaften Benutzungswillen anmelden, um später Dritte mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen.
Sachverhalt
Die Klägerin war unter anderem Inhaberin der im Urteil wiedergegebenen Unions-Bildmarke "Da Vinci" (seit 2012), auf die sie ihre Klage stützte, sowie einer gleichlautenden deutschen Wortmarke (seit 2008). Die Beklagte vertrieb im Jahr 2014 auf einer bekannten Internetplattform eine Salzlampe, die sie unter der Bezeichnung „Davinci“ anbot. Dies nahm die Klägerin zum Anlass, die Beklagte abzumahnen. Als Reaktion hierauf entfernte die Beklagte unverzüglich die entsprechenden Verkaufsangebote und Auktionen von der Internetplattform und gab eine strafbewährte Unterlassungserklärung ab. In der Folgezeit stellte die Klägerin jedoch fest, dass zwei bereits beendete Angebote der „Davinci“-Lampe noch aufrufbar waren, wenn auch nur durch Eingabe der Artikelnummer. Die Klägerin reagierte hierauf, indem sie von der Beklagten Zahlung der in der strafbewährten Unterlassungserklärung vorgesehenen Vertragsstrafe forderte. Die Beklagte lehnte dies ab.
Entscheidungsgründe
Der BGH hielt den Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Vertragsstrafe – ebenso wie die Vorinstanzen – für unbegründet.
Dem Zahlungsanspruch aus der Unterlassungserklärung stehe die Einrede des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB entgegen. Das Berufen der Klägerin auf ihre formale Rechtstellung als Inhaberin eines Kennzeichenrechts sei ihr verwehrt, da die Markenanmeldung mangels Benutzungswillens bösgläubig erfolgt sei. Für die Annahme eines solchen Rechtsmissbrauchs müssen nach dem BGH folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Zunächst war relevant, dass die Klägerin Inhaberin einer Vielzahl von Marken war: So hatte die Klägerin neben der Klagemarke elf weitere Marken angemeldet, mit denen sie Schutz für viele Waren- und Dienstleistungsgruppen in den teils unterschiedlichsten Branchen beanspruchte.
- Hinzu kam der Umstand, dass die Klägerin bezüglich der von ihr angemeldeten Marken – und damit auch der Klagemarke – über keinen ernsthaften Benutzungswillen für den eigenen Geschäftsbetrieb oder den eines Dritten verfügte: Das Gericht machte dies insbesondere daran fest, dass die Klägerin die Markenbenutzung lediglich pauschal behauptet hatte, daneben aber nicht in der Lage gewesen war, ein Konzept zur Nutzung der Marken vorzulegen. In einem solchen Fall müsse ein Markeninhaber seine hinter der Markenanmeldung stehenden Überlegungen sowie Vermarktungsbemühungen und hieraus resultierende Erfolge im Rahmen des Zumutbaren darlegen. Dies hatte die Klägerin nicht getan.
- Und schließlich stellte der BGH darauf ab, dass die Klägerin auf Grundlage des Gesamtbilds die Marken im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet hatte, um gegen Dritte mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen vorgehen zu können.
Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist es nach Auffassung des BGH irrelevant, dass der Abgemahnte eine strafbewerte Unterlassungserklärung abgegeben hat: Eine Vertragsstrafe kann dann nicht mehr geltend gemacht werden.
Hinweis für die Praxis: Strategien gegen Markentrolle
Die Entscheidung des BGH befasst sich damit, wie man sich sogenannter Markentrolle erwehren kann. Das in erster Linie aus dem Patent- und Urheberrecht bekannte Phänomen der Trolle hat sich mittlerweile auch im Bereich des Markenrechts zu einem unziemlichen Geschäftsmodell entwickelt. Hierbei stößt man häufig auf zweierlei Vorgehensweisen:
- Zum einen lässt sich die der BGH-Entscheidung zugrunde liegende Praxis finden, auf Grundlage eingetragener Marken Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gegen Dritte geltend zu machen – und sodann auch Ansprüche aus Vertragsstrafen.
- Darüber hinaus ist außerdem die Strategie verbreitet, dass ein Kennzeicheninhaber Widersprüche gegen neue Markenanmeldungen mit der Zielsetzung erhebt, der Gegenseite während oder nach erfolgreichem Abschluss des Widerspruchsverfahrens die endgeldliche Rechteeinräumung anzubieten.
Das Markenrecht lässt den Angegriffenen im zweiten Fall nicht schutzlos, sondern bietet ihm die Möglichkeit, durch Antragsstellung die Widerspruchsmarke gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG für nichtig erklären und löschen zu lassen. Zusätzlich kann dies unter den Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 MarkenG auch von Amts wegen geschehen. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass seit dem Tag der Eintragung nicht mehr als zwei Jahre vergangen sind.
Wenn die Marke mindestens fünf Jahre nicht mehr benutzt worden ist, kann sie außerdem nach § 49 MarkenG ganz oder in Bezug auf bestimmte Waren und Dienstleistungen für verfallen erklärt werden.
Diese Verteidigungsstrategien können auch im Falle einer Abmahnung eingesetzt werden. Nach dem Urteil des BGH kann der Einwand des Rechtsmissbrauchs nun aber auch dann noch geltend gemacht werden, wenn das Kind eigentlich schon in den Brunnen gefallen ist, also bereits eine Unterlassungserklärung unterzeichnet wurde. Das ist insofern ungewöhnlich, als durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung der Streit über das Vorliegen einer Rechtsverletzung abschließend geklärt werden soll. Der spätere Einwand, dass die Abmahnung unberechtigt war, ist dann eigentlich ausgeschlossen. Wenn man jedoch später herausfindet, dass man sich einem Markentroll unterworfen hat, kann es sich lohnen, den Kampf jetzt noch aufzunehmen.
Es kommt dann entscheidend darauf an, einen Markentroll auch als solchen zu überführen. Da es sich bei der Bösgläubigkeit, die aus dem fehlenden Benutzungswillen abgeleitet wird, um einen inneren Vorgang handelt, ist es erforderlich, objektive Indizien zu ermitteln. Insofern ist es wichtig, durch möglichst umfassende und genaue Dokumentation über die Vorgehensweise eines potentiellen Markentrolls ein Gesamtbild zeichnen zu können, das Rückschlüsse auf die der Markenanmeldung zugrundeliegenden Absichten erlaubt.
3. April 2020