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Kurzarbeit in der Coronakrise - Die wichtigsten Neuerungen zum Leistungsbezug im Überblick

SARS-CoV2 hat die Welt über Nacht auf den Kopf gestellt. Die Konjunktur ist eingebrochen. Schon in der Finanzkrise 2009 setzte die Politik zur Bekämpfung der Folgen auf Kurzarbeit und Überbrückungskredite. Um die Unternehmen noch stärker zu entlasten, hat die Bundesregierung die Anforderungen an das Kurzarbeitergeld neu geregelt. Der Beitrag stellt dar, was Arbeitgeber jetzt wissen müssen – und welche Erleichterungen die künftige Rechtslage bringt.

Unter Hochdruck hat die Politik das Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelung für das Kurzarbeitergeld (BT-Drucks. 19/17893) auf den Weg gebracht. Es soll dazu dienen, den konjunkturellen Herausforderungen, die sich durch die Verbreitung des Coronavirus (SARS-CoV2) stellen, effektiv zu begegnen. Die gesetzlichen Neuregelungen finden sich in § 109 Abs. 5 SGB III und § 11a AÜG. Sie ermöglichen es der Bundesregierung, durch Rechtsverordnung(en) für die Dauer der Krise von den aktuell bestehenden gesetzlichen Regelungen abzuweichen und einen erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld zu schaffen.

Voraussetzungen

Der Bezug von Kurzarbeitergeld (Kug) ist möglich, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, die betrieblichen und die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit ordnungsgemäß angezeigt worden ist.

Bislang musste mindestens ein Drittel der Beschäftigten eines Betriebs von Arbeitsausfall betroffen sein. Künftig genügt es bereits, dass ein Minimum von 10% der Beschäftigten von einem Entgeltausfall größer 10% betroffen sind.

Zudem soll im Rahmen flexibler Arbeitszeitmodelle auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden verzichtet werden können. Derzeit müssen die „im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen“ nämlich vorrangig dafür genutzt werden, einen Arbeitsausfall zu vermeiden. Spielräume zur Flexibilisierung der Arbeitszeit können sich im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag finden. Solange danach die Möglichkeit besteht, Arbeitszeitkonten „ins Minus“ zu fahren, hindert dies den Bezug von Kug. Dieses Hindernis entfällt infolge der Neuregelung; Arbeitszeitguthaben, also „Plusstunden“, müssen allerdings weiterhin vorrangig abgebaut werden.

Kug kann jeder Betrieb beantragen, der mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt. Individuelle Voraussetzung ist aber ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. So besteht für Auszubildende, Arbeitnehmer in einem gekündigten Arbeitsverhältnis oder Krankengeldempfänger keine Möglichkeit für den Bezug von Kug.

Einführung von Kurzarbeit

Der Arbeitgeber muss eine rechtliche Grundlage für die Möglichkeit der Einführung von Kurzarbeit haben – oder aber schnellstmöglich schaffen. Die einseitige Einführung von Kurzarbeit mittels Ausübung des Direktionsrechts ist nämlich nicht zulässig (BAG vom 10.10.2006 – 1 AZR 811/05, Rn. 12). Kurzarbeit kann danach nur angewiesen werden auf Grundlage einer tariflichen Regelung, einer Betriebsvereinbarung oder einer individuellen Abrede zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Im Geltungsbereich von Tarifverträgen vieler Branchen kommen derzeit Signale der Gewerkschaften im Sinne einer zügigen und unbürokratischen Abwicklung. Dass dies gelingt, dürfte für viele Arbeitgeber kriegsentscheidend sein.

Gleiches gilt in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung: Über eine vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit müssen sich Arbeitgeber und Betriebsrat zügig einigen.

Anzeige von Kurzarbeit

Um Kug zu erhalten, müssen der Arbeitgeber oder die Betriebsvertretung den Arbeitsausfall bei der zuständigen Agentur für Arbeit schriftlich anzeigen. Denn Kug wird frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Zuständig ist die Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb liegt. Im Rahmen der Anzeige sind der Umfang des Arbeitsausfalls und der betroffene Betrieb bzw. Betriebsteil mitzuteilen. Zusätzlich sind die Voraussetzungen für den Bezug von Kug glaubhaft zu machen. Hierfür sollten Arbeitgeber alle wesentlichen Unterlagen vorlegen. Diese sind:

  • Rechtliche Grundlagen der Kurzarbeit,
  • Kurzarbeitsplan,
  • Lohnabrechnungslisten,
  • Sonstige Angaben, etwa über die Auftragslage oder Möglichkeiten der Urlaubsgewährung.

Antragsverfahren

Im Anschluss an die Anzeige ist das Kug schriftlich zu beantragen. Der Antrag ist innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten zu stellen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, für den das Kug beantragt wird. Kug wird in der Regel rückwirkend beantragt. Deshalb muss der Arbeitgeber das Kug eigenständig berechnen und es an seine Belegschaft (vor)auszahlen. Wird dem Antrag stattgegeben, erfolgt eine Erstattung des Kug durch die Arbeitsagentur.

Sozialversicherungsbeiträge

Die durch den Arbeitgeber bislang zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge, die auf das fiktive Entgelt entfallen, sollen nach der noch zu erlassenden Verordnung voll oder teilweise erstattet werden.

Kug künftig auch für Leiharbeitnehmer

Eine wichtige Neuerung ist, dass durch Einfügung des neuen § 11a AÜG künftig auch Leiharbeitnehmer Kug erhalten können.

Die Neuregelungen im Überblick

Nachfolgend sind die Regelungen des vom Bundeskabinett bereits beschlossenen Referentenentwurfs vom 23.03.2020 einer „Kurzarbeiterverordnung (KugV)“ zusammenfassend dargestellt:

  • Senkung der Mindestschwelle der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer auf 10% eines Betriebs oder einer Betriebsabteilung;
  • Entfall der Pflicht zum vorrangigen Einsatz negativer Arbeitszeitsalden;
  • Auch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer können künftig in Kurzarbeit beschäftigt werden und Kurzarbeitergeld beziehen;
  • Erstattung der bislang vom Arbeitgeber allein zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge durch die Arbeitsagentur.

Mit den Neuregelungen schöpft die Bundesregierung ihre durch das Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelung für das Kurzarbeitergeld eingeräumte Regelungsbefugnis im Rahmen der Verordnung voll aus. Die Neuregelungen treten rückwirkend zum 01.03.2020 in Kraft und sind zunächst bis zum 31.12.2020 befristet.

Ausblick

Das Kurzarbeitergeld gilt heute als entscheidend dafür, dass Deutschland sich zügig von der zurückliegenden Finanzkrise erholt hat. Es soll seriösen Schätzungen zufolge seinerzeit die Arbeitsplätze einer sechsstelligen Anzahl von Arbeitnehmern gerettet haben. Schon jetzt steht allerdings zu erwarten, dass die Anzahl der Anträge die damaligen Werte erheblich übersteigen wird, weil anders als damals ausnahmslos jeder Sektor betroffen ist. Die Flut der auf die Arbeitsagenturen zurollenden Anzeigen schnellstmöglich abzuarbeiten ist ausgehend hiervon eine bloße Frage von Ressourcen. Schon jetzt zeichnen sich in der Praxis stellenweise erhebliche Überlastungen ab. Entscheidend dürfte zudem sein, auf welche Dauer deutsche Unternehmen den immensen Einschränkungen des wirtschaftlichen Lebens ausgesetzt sein werden. Je länger dieser Zustand anhält, umso schlechter steht es um die Rekonvaleszenz angeschlagener Betriebe. Das Kug wird in diesem Zusammenhang allenfalls überbrücken können und kein Allheilmittel sein. Dringend nötig sind zusätzliche liquiditätssichernde Maßnahmen, die Unternehmen nach Möglichkeit direkt aus der Leistungspflicht nehmen und damit schneller als die Erstattung des Kug greifen.

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