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Kündigungsschutzklage kann nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist noch zugelassen werden

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die Kündigungsschutzklage auch später als sechs Monate nach Ablauf der Klagefrist und damit entgegen des Wortlauts des § 5 Abs. 3 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nachträglich zugelassen werden kann, wenn das Arbeitsgericht dem Verfahren trotz der erkennbaren Versäumung der Klagefrist Fortgang gibt und so zum Ausdruck bringt, es wolle in der Sache entscheiden.

Sachverhalt

Die Kündigungsschutzklage war in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall sechs Tage nach Zugang der Kündigung als elektronisches Dokument mit einer sogenannten Containersignatur über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Arbeitsgerichts eingereicht worden, welches die Kündigungsschutzklage ohne Hinweis auf die Containersignatur für fristgerecht hielt und ihr stattgegeben hat.

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht hat diese Signatur als unzulässig angesehen, weil § 4 Abs. 2 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) elektronische Signaturen seit dem 1. Januar 2018 ausschließt, welche sich auf mehrere elektronische Dokumente beziehen. Mit einer auf diese Weise an das Gericht übermittelten Kündigungsschutzklage werde die Klagefrist nicht gewahrt. Es hat jedoch einen in der Berufungsinstanz gestellten Antrag auf nachträgliche Zulassung der neu eingereichten Kündigungsschutzklage für zulässig gehalten, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Klagefrist bereits mehr als sechs Monate verstrichen war. Nach dem LAG stehe § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG dem nicht entgegen, weil das Arbeitsgericht bis über den Ablauf der Sechs-Monats-Frist hinaus dem Verfahren in der Sache Fortgang gegeben und in der Sache entschieden habe. Es widerspreche dem Gebot eines fairen Verfahrens, die nachträgliche Zulassung der Klage auszuschließen, wenn das Gericht dem Kläger einen bereits bei Klageeingang erkennbaren Mangel erst nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist entgegenhalte und es bis dahin zu erkennen gegeben habe, es halte die Klage für fristgerecht. Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Unzulässigkeit der Containersignatur habe erkennen können, sei ohne Belang, weil das Arbeitsgericht die Klägerin bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang noch vor Ablauf der Klagefrist auf den Mangel hätte hinweisen können.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Hinweise für die Praxis

Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer, der geltend machen möchte, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage zu erheben, § 4 S. 1 KSchG. Sofern er daran trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zumutbaren Sorgfalt verhindert war, gewährt das Gesetz gemäß § 5 Abs. 1 KSchG die nachträgliche Zulassung der Klage. Die nachträgliche Zulassung soll aber dann nicht mehr möglich sein, wenn sechs Monate nach versäumter Klagefrist abgelaufen sind, vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Die Entscheidung des LAG zeigt aber, dass auch von dieser Regelung eine Ausnahme gemacht werden kann. In der Praxis ändert sich für Arbeitgeber hingegen nichts. Es dürfte wohl kaum ein Fall denkbar sein, in dem der Arbeitgeber nach über 6 Monaten von einer Klage überrascht wird.

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