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Keine Arbeitszeiterfassung mittels Fingerabdruck

Ein biometrisches Zeiterfassungssystem ist in aller Regel nicht erforderlich im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften der Art. 9 Abs. 2 Buchst. b) DS-GVO und § 26 Abs. 3 BDSG und daher unzulässig. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) in seinem Urteil vom 04.06.2020 entschieden (Az. 10 Sa 2130/19).

Sachverhalt

Der Kläger ist als Medizinischtechnischer Radiologie-Assistent bei der Beklagten beschäftigt. Nachdem im Laufe des Arbeitsverhältnisses zunächst alle Mitarbeiter der Beklagten, so auch der Kläger, jeweils auf dem ausgedruckten und ausliegenden Dienstplan ihre geleisteten Arbeitszeiten und Einsatzwünsche per Hand eintrugen, führte die Beklagte zum 01.08.2018 ein elektronisches Zeiterfassungssystem ein, bei dem eine Identifikation über einen biometrischen Fingerabdruck erfolgt. Das System speichert keine vollständigen Fingerabdrücke, sondern nur die Minutien. Da der Kläger sich weigerte, seine Arbeitszeiten über dieses System zu erfassen, und vielmehr seine Arbeitszeiten weiterhin in der bisherigen Form erfasste, sprach die Beklagte zwei Abmahnungen aus.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte. Er sieht eine datenschutzrechtliche Erlaubnis für eine Zeiterfassung unter Nutzung der biometrischen Daten des Klägers für nicht gegeben.Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, die Berufung der Beklagten blieb beim LAG erfolglos.

Entscheidungsgründe

Das LAG sieht im Verhalten des Arbeitnehmers keine Pflichtverletzung. Auch bei den Miutien handele es sich um biometrische Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 14 DS-GVO, weil sie die eindeutige Identifizierung einer natürlichen Person ermöglichten, auch wenn dabei „nur“ Fingerlinienverzweigungen und nicht der Fingerabdruck als Ganzes verarbeitet werde. Dies sei unzulässig, soweit kein Erlaubnistatbestand vorliege. In Betracht komme als Erlaubnis lediglich Art. 9 Abs. 2 Buchst. b) DS-GVO, wonach die Verarbeitung erforderlich sein müsse.

Nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH vom 14.05.2019 (Rechtssache C-55/18) sei es zwar geboten, dass Arbeitgeber ein System einrichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Jedoch sei nicht ersichtlich, dass ein objektives, verlässliches und zugängliches System zwingend der Verarbeitung biometrischer Daten bedürfe, der EuGH habe vielmehr auch eine Erfassung in Papierform für zulässig erachtet. Ein anderer Maßstab ergebe sich auch nicht aus Art. 88 DS-GVO in Verbindung mit § 26 BDSG. Bei der danach vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Verarbeitungsinteresse des Arbeitgebers und dem Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer überwöge letzteres. Die von der Beklagten angeführten Kostengründe und der Schutz vor potentiellem Arbeitszeitbetrug genügten nicht, zumal es für die Entdeckung von möglichem Arbeitszeitbetrug als Straftat nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG eines konkreten Verdachts bedürfe. Ohne derartige Anhaltspunkte sei daher die Zeiterfassung mittels Fingerabdruck nicht erforderlich.

Hinweis für die Praxis

Das LAG hat mit seiner Entscheidung die überwiegend in der Fachliteratur vertretene Auffassung bestätigt, wonach der Einsatz biometrischer Daten zur Zeiterfassung mangels Erforderlichkeit nicht zulässig ist, und damit den Datenschutz im Arbeitsverhältnis weiter in den Fokus gerückt. Arbeitgebern ist dringend zu raten, diese Entscheidung zum Anlass zu nehmen, im Einzelfall näher zu prüfen, ob geplante oder verwendete Zeiterfassungssysteme neben den arbeitsrechtlichen Anforderungen auch die strengen Anforderungen des Datenschutzes erfüllen, zumal bei Datenschutzverstößen Bußgelder drohen können. Dass die gegen die Entscheidung des LAG eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht (BAG) zu einem anderen Ergebnis führen wird, ist nicht sehr wahrscheinlich, bleibt indessen freilich abzuwarten.

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