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Insolvenzrecht: Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers in der Insolvenz der Gesellschaft

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft lässt das gesetzliche Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers unberührt – es endet erst mit dem Verlust der Organstellung. Mit dieser Thematik hatte sich das OLG Rostock (Beschluss vom 02.06.2020 – 4 W 4/20) zu befassen. Im Beschwerderechtszug war streitig, ob der Geschäftsführer einer insolventen GmbH („Gesellschaft“) auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot unterliegt.

Das OLG Rostock bestätigte, dass das kraft Gesetzes – analog § 88 Abs. 1 Satz 1 AktG – aus der Organstellung des GmbH-Geschäftsführers folgende Wettbewerbsverbot nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft erlösche, sondern erst mit der Beendigung seiner Organstellung als Geschäftsführer der Gesellschaft. Denn die Insolvenzeröffnung berührt die Organstellung als solche nicht. Da erst die Beendigung der Organstellung das Wettbewerbsverbot entfallen lässt, bleibt das Wettbewerbsverbot auch durch die Insolvenzeröffnung konsequenterweise unberührt.

Hintergrund ist, das auch nach Insolvenzeröffnung ein spezifisches Sonderverhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer bestehen bleibe, das den Geschäftsführer zu unveränderter und mit Blick auf die Insolvenzsituation sogar an Bedeutung noch gewinnender Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft verpflichte. Aus § 80 InsO folgt nämlich gerade nicht, dass nur noch der Insolvenzverwalter für die Gesellschaft tätig wird. Es ist vielmehr anerkannt, dass die organschaftlichen Pflichten des Geschäftsführers gegenüber der insolventen Gesellschaft fortbestehen und durch § 80 InsO nicht berührt werden. Schließlich kann die insolvente Gesellschaft durch ihren Geschäftsführer (bzw. das jeweilige Organ) auch im Anwendungsbereich von § 80 InsO – am Insolvenzverwalter „vorbei“ – Verträge schließen. Denn die Überleitung der Verfügungsmacht auf den Insolvenzverwalter bewirke nicht, dass die Gesellschaft sich selbst rechtsgeschäftlich gegenüber Dritten generell nicht mehr betätigen könne, sondern lediglich, dass ein abgeschlossenes Geschäft keinen Anspruch des Dritten gegen die Masse begründe.

Vor dem Hintergrund endet das gesetzliche Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers also erst, wenn er sein Amt niederlegt oder abberufen wird. Vorsicht ist daher geboten für eigene geschäftliche Aktivitäten des Geschäftsführers in Insolvenzfällen. Um Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung des Wettbewerbsverbots zu vermeiden, bietet sich neben der Beendigung der Organstellung unter bestimmten Umständen die Freigabe der eigenen geschäftlichen Aktivitäten durch die Gesellschaft an, welche durch entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung auf Grundlage vollständiger Informationen erfolgt.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass eine Amtsniederlegung des Geschäftsführers nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft je nach den Umständen des Einzelfalls als „zur Unzeit“ erfolgt gelten kann. Ein Teil der Rechtsprechung hat die Amtsniederlegung nach Insolvenzeröffnung als rechtsmissbräuchlich qualifiziert, sofern die Gesellschaft dadurch führungslos wird. Das ist daher insbesondere bei Ein-Mann-GmbHs von Relevanz. Um sich auch hier keinen Schadensersatzansprüchen auszusetzen, sollten Geschäftsführer in derartigen Insolvenzfällen eine etwaige Amtsniederlegung sorgfältig prüfen lassen.

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