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Zur Wirksamkeit des Zugangs einer Ladung zur GmbH-Gesellschafterversammlung

Das OLG Brandenburg erinnert daran, dass GmbHs bei der Einberufung einer Gesellschafterversammlung das Ladungsschreiben an die von den Gesellschaftern mitgeteilten Adressen versenden sollten. Wird das Ladungsschreiben an eine andere Adresse versandt, muss die GmbH beweisen, dass das Ladungsschreiben dem Gesellschafter tatsächlich zugegangen ist.

Hintergrund

Die beklagte GmbH wollte eine Gesellschafterversammlung einberufen, in der ihre Liquidation beschlossen werden sollte. Die Klägerin war Minderheitsgesellschafterin. Die Geschäftsführung versandte die Ladung zur Gesellschafterversammlung mit Einwurf-Einschreiben und gab als Adresse eine Anschrift an, bei der sie aufgrund konkreter Anhaltspunkte annahm, die Klägerin halte sich dort regelmäßig und dauerhaft auf. Es handelte sich um die Adresse des Lebensgefährten der Klägerin. Das Ladungsschreiben wurde dem Lebensgefährten der Klägerin zugestellt. Er sandte diese Postsendung allerdings ungeöffnet an die Beklagte zurück und teilte dieser mit, dass die Klägerin an der angegebenen Anschrift nicht wohne. Die Gesellschafterversammlung, auf der die Liquidation der Gesellschaft beschlossen wurde, fand ohne die Klägerin statt.

Gegen den gefassten Beschluss erhob die Klägerin Klage vor dem zuständigen Landgericht Potsdam. Sie war der Ansicht, dass sie nicht wirksam zur Versammlung geladen worden war. Sie behauptete, sie wohne an der angegeben Anschrift nicht und halte sich dort auch nicht dauerhaft auf. Die Beklagte hingegen behauptete, dass der Lebensgefährte als Empfangsbote der Gesellschafterin anzusehen sei, sodass die Ladung bereits mit Entgegennahme durch ihn der Gesellschafterin zugegangen sei.

Das Landgericht Potsdam wies die Anfechtungsklage gegen den Liquidationsbeschluss ab. Hiergegen legte die Klägerin Berufung zum OLG Brandenburg ein.

Das Urteil des OLG Brandenburg vom 08.07.2020, Az. 7 U 64/19

Die Berufung hatte Erfolg. Das OLG Brandenburg hat den Liquidationsbeschluss für nichtig erklärt, weil die Klägerin nicht ordnungsgemäß zur Versammlung geladen wurde. Die Ladung zur Gesellschafterversammlung wurde nicht an die Adresse versandt, die die Klägerin der Beklagten mitgeteilt hatte, sondern an die Adresse des Lebensgefährten. Damit kann sich die Gesellschaft nicht – wie dies sonst möglich gewesen wäre – auf die bloße Darlegung berufen, sie habe die Ladung rechtzeitig an die richtige Adresse abgeschickt. Sie trägt vielmehr in dieser Konstellation die volle Beweislast dafür, dass die Ladung auch tatsächlich zugestellt wurde. Diesen Beweis konnte die Gesellschaft aber nicht erbringen.

Die Gesellschaft konnte nämlich nicht beweisen, dass der Briefkasten den Namen der Klägerin trug. Ungeachtet dessen konnte sie auch nicht beweisen, dass die Ladung in den Briefkasten eingeworfen wurde. Auch sei der Lebensgefährte kein Empfangsbote der Gesellschafterin. Hierfür sei nämlich nach allgemeinen Grundsätzen erforderlich, dass sich die Klägerin auch dauerhaft in der Wohnung des Lebensgefährten aufhalte, was die Gesellschaft ebenfalls nicht beweisen konnte.

Anmerkung

Möchte die Gesellschaft eine Gesellschafterversammlung einberufen, muss das Ladungsschreiben an sämtliche Gesellschafter zugestellt werden. Andernfalls sind die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse von vorneherein nichtig.

Für die ordnungsgemäße Ladung eines Gesellschafters reicht es aus, dass das Ladungsschreiben an dessen richtige Adresse versandt wird und dass hierbei die in der Satzung vorgesehene Ladungsform und die Ladungsfrist eingehalten werden. Die Gesellschaft muss den Zugang der Ladung beim Gesellschafter also nicht beweisen, sondern kann sich allein auf den Versand des Ladungsschreibens berufen. Diese Grundsätze gelten jedoch nur solange, wie die Gesellschaft das Ladungsschreiben an die von dem betreffenden Gesellschafter mitgeteilte Adresse versendet. Verwendet die Gesellschaft hingegen eine andere Adresse, von der sie glaubt, der Gesellschafter sei dort zu erreichen, kann sie sich nicht auf den Versand des Schreibens berufen, sondern muss den tatsächlichen Zugang beim Gesellschafter beweisen. Dieser Beweis ist deutlich schwerer zu führen.

In der Praxis ist daher zu empfehlen, dass die Gesellschafter bei der Gesellschaft zustellfähige Adressen hinterlegen und sich darüber hinaus gegenüber der Gesellschaft verpflichten, ihr jede Änderung der ladungsfähigen Anschrift unverzüglich mitzuteilen. Besteht eine solche Verpflichtung nicht und hat die Gesellschaft ernstzunehmende Zweifel, ob die von dem Gesellschafter mitgeteilte Adresse noch dessen aktuelle Anschrift ist, kann sie den Gesellschafter zur Bestätigung bzw. Mitteilung der aktuellen Adresse auffordern. Kommt dieser der Aufforderung nicht nach, verletzt er damit seine eigenen Obliegenheiten, sodass eine an die bisher bekannte Anschrift versandte Ladung seine ordnungsgemäße Einberufung zur Gesellschafterversammlung bewirkt.

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