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Kaduzierung eines Geschäftsanteils wegen Nichterbringung der Stammeinlage

Erbringt ein GmbH-Gesellschafter die Stammeinlage auf seine Geschäftsanteile nicht, kann er die Anteile verlieren (sog. Kaduzierung). Beim Kaduzierungsverfahren sind strenge Voraussetzungen, insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz, zu berücksichtigen. Mit diesem besonderen Verfahren hat sich das OLG Brandenburg in einem Urteil vom 09.09.2020 (Az. 4 U 30/20) ausführlich beschäftigt.

Hintergrund: Urteil des OLG Brandenburg zu Kaduzierung von Geschäftsanteilen wegen nicht wirksam aufgebrachter Stammeinlage wegen Hin- und Herzahlen

Dem Urteil des OLG Brandenburg lag der folgende Fall zugrunde: Der Kläger hatte als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer eine GmbH, die spätere Beklagte, gegründet. Das Stammkapital sollte zur Hälfte sofort und im Übrigen auf Anforderung der Geschäftsführung eingezahlt werden. Die erste Hälfte der zu leistenden Stammeinlage wurde wirksam erbracht, die zweite Hälfte hingegen nicht. Zwar war zunächst der erforderliche Betrag an die GmbH gezahlt worden, er war aber schon kurz darauf über diverse Darlehen wieder an den Gesellschafter zurückgeflossen. Einige Jahre später – inzwischen war ein weiterer Gesellschafter hinzugekommen – wurde die nicht wirksam erbrachte, zweite Hälfte der Stammeinlage von der Geschäftsführung der GmbH deswegen nochmals eingefordert. Als trotz mehrfacher Zahlungsaufforderung keine Zahlung erfolgte, erklärte die Beklagte den Kläger seines Geschäftsanteils im sog. Kaduzierungsverfahren für verlustig.

Hiergegen klagte der Kläger zuletzt vor dem OLG Brandenburg – allerdings erfolglos. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Kläger die Stammeinlage auf seine Geschäftsanteile nicht wirksam erbracht habe. Seine Geschäftsanteile seien deswegen wirksam kaduziert worden. In seinem Urteil beleuchtete das Gericht anschaulich sowohl die Regelungen zum sog. Hin- und Herzahlen bei der Kapitalaufbringung als auch die Besonderheiten einer Kaduzierung von Geschäftsanteilen aufgrund der Nichterbringung von Stammeinlagen.

Kapitalaufbringung: Vorsicht beim Hin- und Herzahlen

Die GmbH ist in Deutschland nach wie vor die häufigste Gesellschaftsform. Dies liegt unter anderem an ihrem Haftungsschutz für die Gesellschafter: Bei der GmbH haftet den Gläubigern grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen, nicht aber der Gesellschafter persönlich. Um die Gesellschaftsgläubiger zu schützen, gelten im Gegenzug für die GmbH strenge Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften.

Mit einem Aspekt der Kapitalaufbringung, nämlich dem des sog. Hin- und Herzahlens, hat sich das OLG Brandenburg in seinem Urteil vom 09.09.2020 ausführlich beschäftigt. Ausgangspunkt ist, dass die Stammeinlage auf einen Geschäftsanteil nur wirksam aufgebracht ist, wenn der geleistete Einlagebetrag der Gesellschaft endgültig und uneingeschränkt zur freien Verfügung zugeflossen ist. Konstellationen, in denen die Stammeinlage schon kurz nach ihrer Einzahlung wieder an den Gesellschafter zurückgezahlt wird (z.B. als Darlehen), sind deswegen unter Kapitalaufbringungsgesichtspunkten kritisch. In solchen Fällen wird vermutet, dass die Rückzahlung von Anfang an geplant war und es damit an dem erforderlichen, dauerhaften Vermögenszufluss bei der GmbH gefehlt hat. Damit ist das Kapital zunächst einmal nicht wirksam aufgebracht worden. Nur ausnahmsweise geht das Gesetz auch in solchen Fällen von einer wirksamen Kapitalaufbringung aus, wenn der der GmbH im Gegenzug für die zurückgezahlte Einlage zustehende Rückgewähranspruch vollwertig ist, er jederzeit fällig gestellt werden kann und das Hin- und Herzahlen gegenüber dem Registergericht offengelegt wird (§ 19 Abs. 5 GmbHG). Hieran fehlte es in dem vom OLG Brandenburg entschiedenen Fall.

Für die Praxis erinnert das Urteil des OLG Brandenburg daran, dass bei der Kapitalaufbringung bei der GmbH – und übrigens ebenso bei der AG – Sorgfalt geboten ist. Gerade wenn zeitnah nach Erbringung einer Bareinlage Vermögenswerte an den Gesellschafter zurückfließen, kann dies ein Hin- und Herzahlen oder eine verdeckte Sacheinlage (§ 19 Abs. 4 GmbHG) darstellen. Diese sind nur unter strengen Voraussetzungen als wirksame Kapitalaufbringung anzusehen und müssen deswegen sorgfältig geprüft und ggf. gestaltet werden.

Sanktionierung der fehlerhaften Kapitalaufbringung durch Kaduzierung von Geschäftsanteilen

Die Frage der wirksamen Kapitalaufbringung ist für den betroffenen Gesellschafter von nicht zu unterschätzender Bedeutung, denn die fehlende Erbringung der Stammeinlage kann für ihn gravierende Folgen haben. Er muss nicht nur befürchten, seine nicht wirksam erbrachte Einlage zu einem späteren Zeitpunkt (vor allem in Insolvenzfällen) noch einmal leisten zu müssen, sondern außerdem den entschädigungslosen Verlust der betroffenen Anteile. Hierfür sieht das GmbH-Recht das sog. Kaduzierungsverfahren (§ 21 GmbHG) vor, nach dem ein mit seiner Einlage rückständiger Gesellschafter seiner Geschäftsanteile verlustig erklärt werden kann. Mit der Kaduzierung verliert er die Gesellschafterrechte aus diesen Anteilen. Dafür erhält er weder eine Abfindung noch den bereits geleisteten Teil seiner Einlage erstattet. Für die ausstehende Einlageverpflichtung haftet er weiterhin. Diese gravierende Rechtsfolge traf auch den Kläger in dem Verfahren vor dem OLG Brandenburg.

Beim Kaduzierungsverfahren sind einige (vor allem formelle) Voraussetzungen zu beachten. Neben der ursprünglichen Aufforderung zur Einlagenzahlung muss eine weitere Zahlungsaufforderung mit einer Nachfrist von mindestens einem Monat und der klaren Androhung, bei Nichtzahlung aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden, per Einschreiben ergehen. Auch die anschließende Kaduzierungserklärung selbst, die von der Geschäftsführung abzugeben ist, muss mittels eingeschriebenen Briefes erfolgen. Sie muss zudem innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Ablauf der Nachfrist abgegeben werden; das OLG Brandenburg hielt aber im Einzelfall eine Zeitspanne von 15 Monaten zwischen Androhung und Kaduzierungserklärung für noch zulässig. Beim gesamten Kaduzierungsverfahren ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu berücksichtigen. Wenn also mehrere Gesellschafter ihre Einlageverpflichtung noch erfüllen müssen, muss die Geschäftsführung alle betroffenen Gesellschafter zur Leistung der Einlagen auffordern. Tut sie dies (ohne sachlichen Grund) nicht, haben die zur Zahlung aufgeforderten Gesellschafter ein Zurückbehaltungsrecht bis an die anderen Gesellschafter eine entsprechende Aufforderung ergangen ist.

Bei der Verwertung des kaduzierten Geschäftsanteils, der – anders als bei einer Einziehung – nicht untergeht, sind ebenfalls Besonderheiten zu berücksichtigen (§§ 22 ff. GmbHG). Im Regelfall muss die Gesellschaft versuchen, die Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen Gesellschafters auf Zahlung der ausstehenden Einlage der Reihe nach in Anspruch zu nehmen – zahlt ein Rechtsvorgänger, erwirbt er den kaduzierten Geschäftsanteil. Ist dies nicht möglich, kann die Gesellschaft den kaduzierten Geschäftsanteil öffentlich versteigern oder (mit Zustimmung des ausgeschlossenen Gesellschafters) freihändig verkaufen. Ist auch dies nicht möglich, haften die übrigen Gesellschafter für die ausstehende Stammeinlage.

Ein Kaduzierungsverfahren muss angesichts der hohen Formalisierung sorgfältig gestaltet und begleitet werden. Als (einfachere) Alternative kann sich – je nach Satzungsgestaltung –die Einziehung der Geschäftsanteile (nach Volleinzahlung durch die übrigen Gesellschafter oder einen Dritten) bzw. deren Zwangsabtretung oder der Ausschluss des Gesellschafters aus der GmbH nach allgemeinen Grundsätzen aus wichtigem Grund anbieten.

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