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Gesellschaftsrecht: Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters – was passiert mit dem Geschäftsanteil?

Ein GmbH-Gesellschafter kann aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, auch wenn seine Geschäftsanteile nicht voll eingezahlt sind. Die Einlageforderung muss aber fällig sein. Über die Verwertung des Geschäftsanteils muss nicht zusammen mit dem Ausschluss entschieden werden.

Hintergrund: Unterscheidung zwischen Ausschließung und Einziehung von Geschäftsanteilen bei der GmbH

Verletzt ein GmbH-Gesellschafter grob seine Gesellschafterpflichten oder liegt ein anderer Grund vor, aus dem sein Verbleiben in der Gesellschaft unzumutbar wird, ist häufig sein Ausscheiden aus der Gesellschaft gewünscht. Es kommt in diesen Fällen ein Ausschluss des Gesellschafters aus der Gesellschaft in Betracht, wenn das Fehlverhalten des Gesellschafters oder die sonstigen Umstände (z.B. die Pfändung seiner Geschäftsanteile oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters) so gravierend sind, dass den übrigen Gesellschaftern sein Verbleib in der GmbH nicht mehr zumutbar ist. Eine „Hinauskündigung“ nach dem freien Belieben der Mitgesellschafter bei „kleineren“ Verstößen ist nicht möglich.

Die Ausschließung eines Gesellschafters erfolgt entweder durch eine sog. Ausschließungsklage oder – wenn die Satzung dies zulässt – einen einfachen Gesellschafterbeschluss. Mit dem wirksamen Ausschluss verliert der Gesellschafter seine Gesellschafterrechte (z.B. Stimm- und Gewinnbezugsrechte). Dies gilt – jedenfalls beim Ausschluss durch Gesellschafterbeschluss – unabhängig von der Zahlung einer Abfindung. Auf die Geschäftsanteile des ausgeschlossenen Gesellschafters hat die Ausschließung allerdings keine unmittelbare Wirkung. Diese Geschäftsanteile müssen vielmehr in Vollzug des Ausschlusses noch verwertet werden. Dafür können sie eingezogen oder zwangsweise an die Gesellschaft selbst, einen Mitgesellschafter oder einen Dritten abgetreten werden. Für die Entscheidung über die Verwertung ist also ein separater Gesellschafterbeschluss erforderlich.

Zeitpunkt des Verwertungsbeschlusses

Bislang war unklar, ob und in welchen Fällen der Verwertungsbeschluss gemeinsam mit dem Ausschließungsbeschluss gefasst werden muss oder ob der Verwertungsbeschluss auch erst später gefasst werden kann. Insofern hat kürzlich eine Entscheidung des BGH (Urteil vom 04.08.2020, Az. II ZR 171/19) Klarheit gebracht.

Im vom BGH entschiedenen Fall war ein Gesellschafter durch (nach der Satzung zulässigen) Gesellschafterbeschluss aus einer GmbH ausgeschlossen worden, weil er die Stammeinlage auf seine Geschäftsanteile trotz mehrerer Zahlungsaufforderungen durch die GmbH nicht erbracht hatte. Über die Verwertung der Geschäftsanteile des Gesellschafters nach dem Ausschluss (Einziehung/Zwangsabtretung) wurde kein Beschluss gefasst. Gegen den Ausschließungsbeschluss hatte der Gesellschafter dann bis zum BGH geklagt.

Der BGH erklärte den Ausschließungsbeschluss für wirksam. Seines Erachtens standen der Wirksamkeit des Beschlusses weder der Umstand entgegen, dass die fällige Einlage auf die Geschäftsanteile der Klägerin noch nicht voll eingezahlt war, noch, dass nur der Beschluss zur Ausschließung gefasst und nicht zugleich eine Entscheidung über die Verwertung der Geschäftsanteile der Klägerin getroffen worden war. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Geschäftsanteile des ausgeschlossenen Gesellschafters voll einbezahlt oder die Einlagen hierauf eingefordert sind (denn dann haftet der Gesellschafter auch nach seinem Ausscheiden für die Einlageforderung fort).

Für die Praxis bedeutet das: Die Entscheidung, wie die Geschäftsanteile nach dem Ausschluss eines Gesellschafters verwertet werden sollen, kann auch noch im Nachgang zum Ausschließungsbeschluss getroffen werden, wenn die Geschäftsanteile voll eingezahlt oder die Einlagen bereits zur Zahlung fällig sind. Dies ist sinnvoll, denn gerade wenn der Geschäftsanteil zwangsweise abgetreten werden soll, braucht es meistens eine gewisse Zeit, bis ein Abnehmer gefunden und die Finanzierung des Erwerbs sichergestellt ist. Mit der „Übergangsfrist“, die einem die Entscheidung des BGH gewährt, können folglich überstürzte Entscheidungen vermieden werden, die für keinen der Beteiligten die optimale Lösung sind. Ganz generell gilt: Eine sorgfältige Satzungsgestaltung im Vorfeld, die bei Bedarf zwischen Ausschließung und Einziehung differenziert, ist ebenso wichtig wie eine gewissenhafte Durchführung der Ausschließungs- und Verwertungsmaßnahmen im Einzelfall. Bei nicht voll eingezahlten Geschäftsanteilen muss zudem vor der Ausschließung gegebenenfalls noch die Fälligkeit der ausstehenden Einlageforderung herbeigeführt werden, wenn man den Verwertungsbeschluss nach dem Ausschließungsbeschluss fassen möchte.

Berücksichtigung von Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften

Ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge ist – auch daran erinnert das Urteil des BGH – die Berücksichtigung der strengen Kapitalaufbringungsvorschriften für die GmbH selbst beim Ausscheiden von Gesellschaftern noch von besonderer Bedeutung. Zwar kann man einen Gesellschafter auch ausschließen, wenn seine Geschäftsanteile nicht voll eingezahlt sind. Die nachfolgende Verwertung der Geschäftsanteile ist in diesem Fall aber maßgeblich eingeschränkt, weil weder eine Einziehung (§ 19 Abs. 2 GmbHG) noch eine Zwangsabtretung an die Gesellschaft (§ 33 Abs. 1 GmbHG) möglich sind. Es verbleibt dann nur die Zwangsabtretung der Geschäftsanteile an einen Mitgesellschafter oder Dritten.

Darüber hinaus sind bei einer Einziehung oder Zwangsabtretung an die Gesellschaft die Kapitalerhaltungsvorschriften zu berücksichtigen. Die Abfindungszahlung an den ausscheidenden Gesellschafter darf weder zur Entstehung noch zur Vertiefung einer Unterbilanz führen, andernfalls sind der Verwertungsbeschluss und in bestimmten Konstellationen auch bereits der vorangehende Ausschließungsbeschluss unwirksam. Vermeiden lassen sich Verstöße gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften unter anderem dadurch, dass die Gesellschafter auch bei der Einziehung oder Zwangsabtretung an die Gesellschaft die Abfindungslast übernehmen (so war es auch im vom BGH entschiedenen Fall) oder die Zwangsabtretung an einen Mitgesellschafter oder Dritten erfolgt, der dann die Abfindung zahlt.

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