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Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft

Vor dem Hintergrund des Diesel-Skandals hat sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, das Sanktionsrecht für Unternehmen umfassend neu zu regeln. Nachdem bereits Ende August ein viel beachteter (und kritisierter), jedoch inoffizieller „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“ kursierte (vgl. hierzu eingehend Mayer/Jenne, CB 2019, 405 ff.), hat das BMJV nun ganz offiziell einen Referentenentwurf veröffentlicht.

Kritiker werden indes enttäuscht sein. Neben der Bezeichnung – das Gesetz soll nun positiver formuliert „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ heißen – und der nicht mehr überraschenden Streichung der Verbandsauflösung als denkbar schärfster Sanktion enthält der nun vorgelegte Entwurf keine tiefgreifenden Änderungen im Vergleich zu der inoffiziellen Fassung aus dem letzten Jahr. So wurde insbesondere der Sanktionsrahmen der Verbandsgeldsanktion (bis zu zehn Prozent des durchschnittlichen (Konzern-) Jahresumsatzes) sowie die scharf kritisierte Trennung von interner Untersuchung und Verteidigung des Unternehmens beibehalten.

Nach erster Durchsicht sind folgende Änderungen bemerkenswert:

  • Die „Verbandsstraftat“ wurde in „Verbandstat“ umbenannt.
  • Verbände, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, also bspw. Musik- und Sportvereine, sind vom Regelungsbereich nunmehr ausdrücklich ausgenommen (vgl. § 1 VerSanG). Es bleibt hier bei einer Ahndung des Verbandes nach § 30 OWiG. (Ob ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird, richtet sich nach den zu §§ 21, 22 BGB entwickelten Grundsätzen für die Unterscheidung zwischen ideellen und wirtschaftlichen Vereinen.)
  • Die Auflösung des Verbands als mögliche Verbandssanktion (vormals § 14 VerSanG) wurde gestrichen.
  • Die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung des Verbands erfolgt – nunmehr explizit – „zur Information der durch die Verbandstat Geschädigten“.
  • Das Gericht „soll“ (vormals „kann“) die Verbandssanktion mildern, wenn eine verbandsinterne Untersuchung gem. § 17 VerSanG durchgeführt wurde. Das Gericht ist mithin in seinem Ermessen gebunden.
  • Die Selbstverständlichkeit, dass verbandsinterne Untersuchungen in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen durchgeführt werden müssen, wurde gestrichen. (Auf der anderen Seite bedeutet dies auch, dass ein ggf. geringfügiger Verstoß nicht zwingend zu einem Ausschluss der Milderung führt.)
  • Hinzugekommen ist ein neuer Absatz 3, nach dem das Gericht insbesondere die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung und das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Verband zu berücksichtigen hat. Eine Milderung ist zudem ausgeschlossen, wenn der Verband die Ergebnisse der verbandsinternen Untersuchung erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens offenbart.
  • Im Rahmen der Gesetzesbegründung zu begrüßen ist die Klarstellung, dass bei kleinen und mittleren Unternehmen mit geringem Risiko von Rechtsverletzungen auch wenige, einfache Maßnahmen ausreichend sein können und der „Zukauf“ eines Compliance-Programms oder von Zertifizierungen insoweit regelmäßig nicht erforderlich sei.
  • Gleiches gilt für die nunmehr aufgenommene Feststellung, dass bei der Beurteilung der von den Leitungspersonen getroffenen Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandstaten (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG) zu berücksichtigen sei, dass ein lückenloser Schutz gegen Straftaten nicht zu gewährleisten sein wird und Compliance-Maßnahmen insbesondere dort ihre Grenzen finden, wo der Täter aus verbandsfremder Motivation handelt und fest zur Tat entschlossen ist, sodass auch eine weitreichende Compliance wirkungslos bleiben müsste. Zutreffend heißt es weiter, dass bei solchen Exzesstaten zusätzliche Compliance-Maßnahmen nicht geeignet seien, Straftaten zu verhindern. Bei – ausschließlich – gegen den Verband gerichteten Straftaten fehlt es im Übrigen begrifflich bereits an einer Verbandstat i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG.

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