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„Crowdworker“ sind keine Arbeitnehmer

Das Landesarbeitsgericht München hat mit Urteil vom 04.12.2019 (Az. 8 Sa 146/19) entschieden, dass durch eine Vereinbarung eines so genannten „Crowdworkers“ mit dem Betreiber einer Internetplattform kein Arbeitsverhältnis begründet wird, wenn die Vereinbarung keine Verpflichtung zur Übernahme von Aufträgen enthält.

Sachverhalt

Die Beklagte ist ein Crowdsourcing-Unternehmen, das u.a. für Markenhersteller Kontrollen der Warenpräsentation im Einzelhandel oder in Tankstellen durchführt. Zur Erfüllung dieser Aufgaben bedient sich die Beklagte einer App, mit der sie Auftragnehmern, den Crowdworkern, Aufträge zur Durchführung anbietet.

Der Abschluss einer Basisvereinbarung berechtigt die Auftragnehmer dazu, über die App Aufträge in einem selbst gewählten Radius von bis zu 50 Kilometern zu übernehmen. Bei erfolgter Übernahme ist ein Auftrag regelmäßig innerhalb von zwei Stunden nach bestehenden Vorgaben abzuarbeiten. Dabei besteht weder auf Seiten des Auftragnehmers eine Verpflichtung zur Annahme eines Auftrags, noch besteht umgekehrt auf Seiten des Unternehmens eine Verpflichtung Aufträge anzubieten. Nimmt der Auftragnehmer einen Auftrag an und führt diesen korrekt durch, erhält er die vereinbarte Vergütung.

Der Kläger registrierte sich im Jahr 2016 bei der Beklagten als Auftragnehmer und stimmte der Basisvereinbarung zu. In der Folgezeit führte er für die Beklagte vor allem sogenannte „Tool Checks“ an Tankstellen durch, die sich durch eine vergleichsweise hohe Vergütung auszeichnen. Im April 2018 teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger mit, dass ihm keine weiteren Aufträge mehr erteilt würden und das Kundenkonto nach Auszahlung des Guthabens deaktiviert werde. Der Kläger erhob daraufhin Klage auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses, Weiterbeschäftigung sowie Zahlung entgangener Vergütung.

Mit Urteil vom 20.02.2019 (Az. 19 Ca 6915/18) hat das Arbeitsgericht München die Klage abgewiesen, woraufhin der Kläger Berufung einlegte. Das LAG München hat die Berufung des Klägers nun ebenfalls zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das LAG hat seine Entscheidung damit begründet, dass vorliegend ein Arbeitsverhältnis nicht bestanden habe. Ein Arbeitsvertrag liege nach der gesetzlichen Definition nur dann vor, wenn der Vertrag die Verpflichtung zur Leistung von weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit vorsehe. Dies drücke sich im Allgemeinen darin aus, dass der Mitarbeiter Arbeitsanweisungen hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt der geschuldeten Dienstleistung beachten müsse und in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingebunden sei. Maßgeblich sei die tatsächliche Durchführung des Vertrages.

Die Basisvereinbarung erfülle die Voraussetzungen schon deswegen nicht, weil sie keinerlei Verpflichtung zur Erbringung von Leistungen enthalte. Der Umstand, dass der Kläger tatsächlich einen erheblichen Teil seines Lebensunterhalts durch die Aufträge verdient habe und sich aus verschiedenen Gründen unter Druck gesehen habe, auch in Zukunft Aufträge anzunehmen, führe nach der bestehenden Gesetzeslage nicht dazu, dass der Kläger die Schutzvorschriften für Arbeitnehmer beanspruchen könne. Die Kündigung der Basisvereinbarung als bloßer Rahmenvertrag sei deshalb auch per E-Mail wirksam und bedurfte demnach nicht – wie die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses – zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Das LAG München hat ausdrücklich nicht entschieden, ob durch die Übernahme eines Einzelauftrags jeweils ein befristetes Arbeitsverhältnis begründet werde. Dies sei für die Entscheidung nicht relevant gewesen, weil die Unwirksamkeit einer Befristung nur innerhalb einer Frist von 3 Wochen im Klagewege geltend gemacht werden könne, was vorliegend nicht der Fall war.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache wurde die Revision zum Bundearbeitsgericht zugelassen.

Hinweise für die Praxis

Durch die vielfältigen neuen Beschäftigungsformen der digitalen Arbeitswelt wird die Arbeitsrechtspraxis mit immer neuen Problemstellungen konfrontiert. Die Entscheidung des LAG München verdient in diesem Kontext Zustimmung. Crowdworker arbeiten regelmäßig weisungsfrei und entscheiden im Einzelfall, ob sie einen Auftrag annehmen oder nicht. Ihre Tätigkeit, in deren Rahmen zumeist ein konkreter Leistungserfolg geschuldet wird, dürfte rechtlich in der Regel als Werkvertrag zu qualifizieren sein.

Die Vielfalt der Gestaltungsformen des Crowdworking verbietet indes eine pauschale Einordnung der Tätigkeit. Arbeitgeber sollten deshalb in ihren Rahmenvereinbarungen darauf achten, eine Verpflichtung zur Annahme von Aufträgen sowie nicht zwingend erforderliche Bestimmungen zu Zeit, Ort und Inhalt der Tätigkeit nach Möglichkeit zu vermeiden.

Vorbehaltlich einer abändernden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts darf die wachsende Crowdsourcing-Branche in Deutschland, in der Studien zufolge bereits über eine Million Personen tätig sind, damit zunächst aufatmen. Mit der Qualifizierung von Crowdworkern als Arbeitnehmer würde nicht zuletzt auch die Pflicht zur Leistung eines regulären Arbeitsentgelts einhergehen. Das Geschäftsmodell, das auf dem flexiblen Einsatz der Arbeitskraft beruht, ließe sich unter diesen Bedingungen nur schwerlich fortsetzen. Es darf unterdessen erwartet werden, dass auf Seiten der Politik vermehrt die Frage aufkommen wird, wie angesichts der neuartigen Beschäftigungsformen ein effektiver Arbeitnehmerschutz auch in Zukunft weiterhin gewährleistet werden kann.

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