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COVID-19 – Projektverträge

1. Wie kann ich die Haftung für die Corona-bedingte Verspätungen vermeiden?

Der Ausbruch der Corona-Pandemie und deren Folgen haben Einfluss auf viele laufende Projektverträge. Viele Auftragnehmer sind auf unterschiedliche Art und Weise „gezwungen worden“ ihre Leistungen und/oder Arbeiten zu reduzieren oder sogar ganz auszusetzen, was unabdingbar dazu führt, dass die vereinbarten Termine überschritten werden (oder bereits sind).

Wie kann sich ein Auftragnehmer von der Haftung für Corona-bedingte Verspätungen befreien? Eine Antwort auf diese Frage kann im Vertrag und/oder in dem an den Vertrag anzuwendenden Recht gesucht werden.

a) Vertrag

Bereits die Projektverträge können Klauseln enthalten, die zur Haftungsbefreiung in Falle einer Verspätung führen. Die Verspätung muss durch konkrete, in diesen Klauseln benannte Umstände verursacht werden. Zu solchen gehören z.B.:

  • Gesetzesänderungen (eine Gesetzesänderung des anwendbaren Rechts oder Gesetzesänderung im Erfüllungsland),
  • behördlicher Verwaltungsakt, der die Ausführung der Arbeiten beeinflusst,
  • interne Betriebsanordnungen des Vertragspartners,
  • eine Force Majeure Klausel.

Sollte nach solchen Klauseln der Auftragnehmer durch den Eintritt von vertraglich genannten Umständen bei der Erfüllung seiner Leistung in Verzug geraten, kann der Auftraggeber keinen verspätungsbedingten Schaden gegen ihn geltend machen. Diese Unmöglichkeit der Geltendmachung erweitert sich u.a. unter deutschem Recht auf die Geltendmachung einer Vertragsstrafe (dazu auch Frage 3).

Die vertraglichen Klauseln können auch so formuliert werden, dass diese den Auftragnehmer in konkreten aufgezählten Umständen zur Verlängerung der Ausführungszeit berechtigen. In dem Fall muss der Auftragnehmer konkrete vertraglich vorgeschriebene Voraussetzungen erfüllen, um die Ansprüche zu sichern (dazu mehr Frage 5). In der Folge bedeutet eine wirksame Zeitverlängerung für den Auftragnehmer, dass der Auftraggeber gegen ihn keinen verspätungsbedingten Schaden geltend machen kann.

b) Anwendbares Recht

Sollte der Vertrag keine Umstände aufzählen, die zur Haftungsbefreiung für die durch Corona-bedingte Verspätung führen könnten, mag es sein, dass das an den Vertrag anwendbare Recht eine Hilfe leistet, wie z.B. in den nach deutschem Recht abgeschlossenen Verträgen. Nach deutschem Recht ist ein Verschulden des Schuldners eine Haftungsvoraussetzung (soweit es vertraglich nicht abbedungen wurde). Nicht jede Rechtsordnung ist derart großzügig bei dem Schutz eines Schuldners. Nach englischem Recht führt jede Vertragsverletzung (darunter auch verspätete Leistung) zur Haftung des Schuldners, unabhängig von den Gründen dieser Verletzung, soweit in dem Vertrag nicht anders geregelt ist.

2. Habe ich einen Anspruch auf Corona-bedingte Mehrkosten?

Die vielen, zur Vermeidung der Ausbreitung von COVID-19, eingeführten Maßnahmen können oft zur Entstehung zusätzlicher Kosten bei der Erfüllung eines Projektvertrages führen. Trotz Aussetzung der Arbeiten fallen Löhne an, die stillgelegte Produktion oder Baustelle muss gesichert werden, gemietete Maschinen, Transportmittel und Werkzeuge müssen bezahlt werden. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist der Auftragnehmer derjenige, der sich mit den zusätzlichen Kosten auseinandersetzen muss.

Hier, ähnlich wie bei der Frage über Haftungsbefreiung bei Corona-bedingten Verspätungen, muss das Vertragsverhältnis zweispaltig geprüft werden: (a) Gibt es vertragliche Bestimmungen, die beim Eintritt solcher Situationen wie z.B. durch behördliche Handlungen verursachte Aussetzung der Arbeiten (in den Ländern, in denen  Produktionsstillstand durch Anordnung der Behörde herrscht), Aussetzung der Arbeiten aus anderen von dem Auftragnehmer unabhängigen Gründen, Ausbruch einer Epidemie, für den Auftragnehmer einen Anspruch auf Mehrkosten begründen? (b) Ergibt sich für den Auftragnehmer ein Recht auf Zahlung von Corona-bedingten Mehrkosten aus dem an den Vertrag anwendbarem Recht?

(a) Vertrag

Bei den Verträgen mit einer pauschalen Vergütung gibt es meistens keine oder ganz wenige Klauseln, die einen Anspruch auf Mehrkosten begründen. Grundlagen können in solchen Klauseln gesucht werden, die Bezug auf z. B: Gesetzesänderungen, behördliche Handlungen, Leistungsänderung oder Force Majeure, nehmen. Enthält der Vertrag Klauseln mit diesem Bezug, ist zu prüfen, welche Kosten zusätzlich vergütet werden können (z.B. nur Direktkosten oder auch zusätzliche Aufwendungen).

Sollte der Vertrag keine konkreten Umstände aufzählen, die einen Anspruch auf Mehrkosten begründen, ist nach einer allgemeinen Vergütungsanpassungsklausel in dem Vertrag zu suchen.

(b) Anwendbares Recht

Bei den Verträgen, die keine konkrete Anspruchsgrundlage benennen, die eine Anpassung der Vergütung/Zahlung von Mehrkosten wegen der mit COVID-19 verbundenen Umstände begründen kann, ist es zu prüfen, ob in dem konkreten Fall das an den Vertrag anwendbare Recht solche Anspruchsgrundlage enthält. Es kann sich dabei um (i) allgemeine Vorschriften über vertragliche Rechtsverhältnisse, (ii) um Vorschriften über konkreten Arten von Verträgen oder (iii) um neuen „COVID-19 Gesetze“ handeln (dazu mehr auch Frage 4).

Unabhängig davon, ob eine Anspruchsgrundlage dem Vertrag oder dem anwendbarem Recht abzuleiten ist, ist es zwingend erforderlich formelle Anforderungen zu folgen, um die Ansprüche zu sichern (dazu mehr auch Frage 5).

In vielen Fällen ist leider festzustellen, dass die Maßnahmen, die von Unternehmern rein vorsorglich vorgenommen worden sind (z.B. Stillstellung oder Kürzung der Produktion zur Schutz den Mitarbeiter, Aussetzung der Arbeiten) und nicht durch die Behörde angeordnet wurden, im eigenen Risikobereich der Unternehmer liegen. Damit muss der Unternehmer die mit solchen Maßnahmen verbundenen Kosten selbst tragen.

3. Muss ich eine vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe zahlen, wenn ich die Termine wegen COVID-19 nicht einhalten kann?

Die Frage nach der Verwirkung einer Vertragsstrafe kann oft bereits mit der Frage nach Haftungsbefreiung für die durch Corona-bedingte Verspätung beantwortet werden (dazu Frage 1). Kann sich der Auftragnehmer von der Haftung für die Verspätung wegen fehlendem Verschulden befreien, kann der Auftraggeber eine verschuldensabhängige Vertragsstrafe nicht geltend machen (so z.B. im deutschen Recht). Da die unterschiedlichen Rechtsordnungen unterschiedlich mit den Vertragsstrafen umgehen, gilt dies jedoch nicht grundsätzlich (dazu Punkt b).

a) Vertrag

Zunächst sind bei den Fragen über die Verwirkung einer Vertragsstrafe die vertraglichen Regeln zu beachten. Soll die Vertragsstrafe für eine Überschreitung jeglicher vertraglicher Termine bezahlt werden oder nur für die Überschreitung des Endtermins? Sollte es die zweite Situation sein, lässt sich unter Umständen eine Möglichkeit einrichten, Zwischen-Termine so abzuändern und anzupassen, dass der Endtermin trotz Ausbruch der Corona-Pandemie eingehalten werden kann.

Wichtig ist festzustellen, ob es zur Verwirkung der Vertragsstrafe nur bei der durch den Auftragnehmer verschuldeten Verspätung kommen kann, oder auch dann, wenn eine Verspätung aus anderen Gründen eintritt. Sollte sich dies aus dem Vertrag nicht ausdrücklich ableiten lassen, gibt dann das an den Vertrag anwendbare Recht einen Hinweis dazu.

b) Anwendbares Recht

Im deutschen Rechtssystem werden die Vertragsstrafen nur dann wirksam, wenn der Auftragnehmer Verschulden für die Überschreitung der Termine trägt. Der überwiegende Teil der Corona-Pandemie-Folgen, die zur Verspätungen führen, werden dem Auftragnehmer nicht zurechenbar sein. Damit werden bei den nach deutschem Recht abgeschlossenen Verträgen eher keine Vertragsstrafen für die Überschreitung der vertraglich vereinbarten Termine geltend gemacht werden können. Bedingung hierfür: Es gibt keine zusätzlichen Umstände für die der Auftragnehmer verantwortlich ist, die auch ohne den Ausbruch der Corona-Pandemie zur Überschreitung den Termine führen würden (z.B. längst verspätete Produktion).

Sollte jedoch z.B. das Englische Recht ausgewählt worden sein, werden die im common law üblichen delay damages unabhängig der Ursachen einer Überschreitung den vereinbarten Terminen anfallen. In solchen Fällen ist es wichtig, nach den Grundlagen eines Zeitverlängerungsanspruches zu suchen.

4. Was kann ich tun, wenn sich meine vertragliche Lage durch behördliche Anordnungen oder Gesetzesänderungen geändert hat?

Sollten Sie wegen COVID-19 bedingter behördlicher Anordnungen oder Gesetzesänderungen in der Erfüllung des Vertrages verhindern werden, sind zwei Aspekte zu berücksichtigen:

a) Enthält der Vertrag konkrete Bestimmungen für Gesetzesänderungen und/oder Handlungen der Behörden?

Sind bereits im Vertrag konkrete Bestimmungen für den Fall einer Gesetzesänderung oder Elsass von Verwaltungsakten, die die Erfüllung des Vertrages beeinflussen, enthalten,  regeln diese meistens konkrete Ansprüche, die jedem der Vertragsparteien zustehen (Zeitverlängerung, Mehrkostenausgleich, Kündigung, Rücktritt usw.). Die vertragliche Klauseln können auch so formuliert werden, dass der Auftragnehmer wegen Einführung von neuem Recht von der Haftung für die Verspätung befreit wird (dazu Frage 1).

Gibt es im Vertrag keine Regelungen diesbezüglich, stellt sich folgende Frage:

b) Regelt der Verwaltungsakt oder das Gesetz die Folgen deren Einführung für laufende Projektverträge?

Aktuell gibt es weltweit neue „COVID-19 Gesetze“, die die Einführung von Maßnahmen der Bekämpfung der Ausbreitung der Corona-Pandemie und deren Folgen regeln. Manche dieser Regelungen, auch wenn sie einen Einfluss auf vertragliche Beziehungen haben (z.B. Schließung der Grenzen) enthalten jedoch keinerlei Hinweise, wie sich der Vertrag ändern soll. Andere wiederum greifen direkt in vertragliche Verhältnisse ein, indem sie z.B. den Weg zur Bemessung von Vertragsstrafen eröffnen oder Informationspflichten konkretisieren.

Es ist im Einzelfall zu prüfen, wie die neue Gesetzeslage Ihr vertragliches Verhältnis beeinflusst. Hier können nicht nur die deutschen Gesetze, sondern vor allem die Gesetze im Land Ihres Vertragspartners und/oder des Ausführungslandes maßgeblich sein.

5. Wie kann ich meine Ansprüche sichern?

Auch hier gilt: Prüfen Sie genau, welche Pflichten Sie beim Eintritt von Ereignissen haben, die weitere Ausführung der Leistung deutlich erschweren oder sogar unmöglich machen. In den meisten Verträgen befinden sich Bestimmungen, die den Auftragnehmer zur unverzüglichen Mitteilung über alle bereits aufgetretenen Umstände (oder Umstände die erst auftreten können), die negative Einfluss auf die Erfüllung der Leistung haben (oder haben können), verpflichten.

Sollte der Vertrag keine Bestimmungen zu diesem Sachverhalt haben, ist immer zu empfehlen, den Auftraggeber über Erschwernisse bei der Erfüllung der Leistung schriftlich zu informieren.

Oft mit der ersten Mitteilung sollten bereits auch potenzielle Ansprüche, wenigstens dem Grunde nach, dem Auftraggeber bekannt gegeben werden. Selbst wenn der Vertrag keine weiteren Mitteilungspflichten enthält, dem redlichen Verhalten zufolge ist es angebracht, den Auftraggeber regelmäßig über aktuellen Entwicklungen (sowie über deren Mangel – „leere Mitteilung“) und über die vorgenommenen Maßnahmen zu informieren.

Für den Fall der potenziellen Geltendmachung von Ansprüchen auf Zeitverlängerung und/oder zusätzliche Kosten, ist die Durchführung und Aufbewahrung einer kompletten und ausführlichen Dokumentation (Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Erfüllung der Arbeiten, Korrespondenz mit dem Vertragspartner, Korrespondenz mit allen Subunternehmern, neue Ausführungspläne usw.) sehr wichtig. Selbst wenn eine solche Pflicht in dem Vertrag nicht ausdrücklich geregelt ist, ist eine gute Dokumentation (d.h. komplett und schriftlich) ein Schlüssel zum Erfolg bei gerichtlichen Auseinandersetzungen.  6. Was muss ich bei Projektverträgen noch beachten?

Überprüfen Sie genau, ob ihr Vertrag keine besonderen (und vor allem kurzen) Kündigungsfristen für den Fall der Aussetzung der Arbeiten wegen höherer Gewalt enthält. Die jetzige Situation, sowie die Folgen von COVID-19, können in schlimmsten Fällen zum mehrwöchigen Ausfall ihrer Leistungen führen. Eine vorzeitige Beendigung des Vertrags wäre im aktuellen Umfeld eine Situation, die es zu vermeiden gilt.

Überprüfen Sie weiterhin genau, wie ihre Schadensminderungspflicht aussieht. Die Schadensminderungspflicht ist durch die meisten Rechtsordnungen gesetzlich vorgesehen. Prüfen Sie aber dennoch, ob ihr Vertrag keine besondere Pflichten in diesem Zusammenhang enthält (z.B. Vornahme Sicherheitsmaßnahmen für die eingestellte Produktion, Abschluss zusätzlicher Versicherungen für die gelagerte Ware usw.).

Versuchen Sie alle wesentlichen Punkte aus Gesprächen mit dem Vertragspartner schriftlich (Brief, E-Mail, Fax) zu fixieren, und vermeiden Sie telefonische „verbindliche“ Vereinbarungen. Dies ist besonders wichtig, wenn Sie in dem Vertrag eine Schriftform für die Einführung aller Änderungen vereinbart haben.

Schauen Sie genau, was ihre Versicherungspolicen für solche Fälle vorsehen. Natürlich wird der Ausbruch einer „Corona-Krise“ dort nicht explizit genannt, eine Pandemie oder Ereignis der höheren Gewalt kann aber in den Versicherungsbedingungen durchaus berücksichtigt werden.

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