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Coronavirus und Arbeitsverhältnis – Hinweise für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Das Coronavirus (COVID-19) hat weit reichende Folgen für die Wirtschaft. In rechtlicher Hinsicht ergeben sich hieraus eine Vielzahl von Folgefragen (vgl. etwa zu den Auswirkungen des Coronavirus auf Lieferbeziehungen). So auch im Arbeitsrecht.

Inwieweit kann eine Pandemie wie das Coronavirus sich auf das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auswirken? Welche Maßnahmen muss oder kann ich als Arbeitgeber ergreifen, um meine Arbeitnehmerschaft vor den Risiken des Coronavirus zu schützen? Welche Ansprüche habe ich als Arbeitnehmer im Falle einer Erkrankung?

Diese und viele weitere Fragen stellen sich derzeit den Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Deutschland. Hängt die Beantwortung der Fragen im Grundsatz auch immer von der individuellen vertraglichen Situation und somit vom Einzelfall ab, so lassen sich doch einige generelle Hinweise im Hinblick auf den Umgang mit dem Coronavirus geben.

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Arbeitgeber trifft gegenüber ihrer Belegschaft die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber dazu angehalten ist, die ihm zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um seine Belegschaft zu schützen. Der Arbeitgeber hat die vom Einzelfall abhängigen Vorkehrungs- und Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Hierzu gehören Aufklärungsmaßnahmen sowie die Zurverfügungstellung des erforderlichen Hygieneschutzes, wie etwa Händedesinfektionsmittel o.Ä. Auch kann er etwa verpflichtet sein, Arbeitnehmer, die beruflich oder auch freiwillig im Ausland waren, zu befragen, ob sich diese auch in etwaigen Risikogebieten aufgehalten haben. Eine anlasslose Befragung zu Aufenthaltsorten während der Urlaubszeit ist jedoch nicht zulässig. Auch beschränkt sich die Befragung bei Reisen in Risikogebieten auf eine bloße Negativauskunft.

Homeoffice und Leistungsverweigerungsrecht

Der Arbeitnehmer seinerseits darf nicht, nur, weil er Bedenken hat, zuhause bleiben und seine Tätigkeit eigenmächtig in das Homeoffice verlegen. Ein Anspruch auf Arbeitserbringung im Homeoffice besteht nicht. Er bleibt so lange, wie er nicht Gefahr läuft, seine Gesundheit zu beeinträchtigen zur Arbeitsleistung verpflichtet. Der Arbeitnehmer kann allenfalls dann ein Leistungsverweigerungsrecht geltend machen, wenn der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nicht nachkommt. Dies kann unter Umständen dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Reisewarnung des Auswärtigen Amtes auf Geschäftsreise in ein Risikogebiet schickt.

Umgekehrt kann der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht zwingen im Homeoffice zu arbeiten, wenn es nicht bereits eine entsprechende vertragliche Absprache zwischen den Parteien gibt. Freilich kann und soll der Arbeitgeber im Bedarfsfall darauf hinwirken, dass seine Arbeitnehmer, wenn aufgrund der zu erbringenden Arbeitsleistung möglich, im Homeoffice bleiben.

Freistellung und Vergütungsanspruch

Auf der anderen Seite wiederum kann den Arbeitgeber gegebenenfalls die Pflicht treffen, sofern ein konkreter Coronavirus-Verdachtsfall besteht, den betroffenen Mitarbeiter freizustellen. Erforderlich ist hierfür jedoch ein gewisser Verdachtsgrad. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall dann auch nicht zwingend verpflichtet, den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Maßgebend ist hierbei die im Einzelfall geltende arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Regelung. Bedingt diese den Vergütungsanspruch für den Fall der vorübergehenden Verhinderung zur Erbringung der Arbeitspflicht ab, steht dem Arbeitnehmer für den Zeitraum der Freistellung auch kein Lohn zu. Etwas anderes gilt im Einzelfall jedoch eventuell dann, wenn der Arbeitgeber prophylaktisch alle Arbeitnehmer eines Betriebs(-teils) freistellt, die fehlende Möglichkeit zur Erbringung der Arbeitsleistung ohne konkretes Verdachtsmoment also allein durch den Arbeitgeber veranlasst ist. In diesen Fällen behalten die betroffenen Arbeitnehmer grundsätzlich auch ihren Lohnanspruch.

Wenn Kita, Kindergarten und Schulen schließen

Bleibt der Arbeitnehmer der Arbeit fern, weil Kindertagesstätte, Kindergarten oder Schule schließt und er daher die Betreuung für sein Kind während der Arbeitszeit übernehmen muss, steht ihm hingegen kein Lohn zu. Der Arbeitnehmer hat auch in diesem Fall grundsätzlich die Pflicht, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Kann er dies aus persönlichen organisatorischen Gründen nicht tun, verliert er grundsätzlich seinen Anspruch auf Vergütung.

Entgeltfortzahlung

Etwas anderes gilt hingegen dann, wenn tatsächlich eine Coronavirus-Infektion beim Arbeitnehmer vorliegt. Dann steht dem Arbeitnehmer – wie grundsätzlich bei allen Erkrankungen, die ihn an der Erbringung der Arbeitsleistung hindern und nicht selbst verschuldet sind – für den Zeitraum von bis zu sechs Wochen ein Entgeltfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber zu.

Kurzarbeit

Daneben können, wie das Bundeskabinett am 11.03.2020 bekannt gegeben hat, Arbeitgeber vom vereinfachten Zugang zu Kurzarbeitergeld Gebrauch machen. Das neue Gesetz soll im Schnellverfahren Bundestag und Bundesrat zugeleitet werden, so dass es noch in der ersten Aprilhälfte in Kraft treten kann. Kurzarbeitergeld soll dann bereits möglich sein, wenn anstatt 30% der Belegschaft 10% vom Arbeitsausfall betroffen sind. Zudem soll auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes vollständig oder teilweise verzichtet werden können. Ferner können künftig auch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer Kurzarbeitergeld beziehen. Überdies sollen die Sozialversicherungsbeiträge, die Arbeitgeber normalerweise für ihre Beschäftigten zahlen müssen, durch die Bundesagentur für Arbeit künftig vollständig erstattet werden. Durch diese Maßnahmen soll ein Ausgleich des Arbeitsausfalls mithilfe des konjunkturellen Kurzarbeitergeldes grundsätzlich ermöglicht werden.

Infektionsschutzgesetz

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der Fall eintreten kann, dass die zuständigen Behörden Betriebe und Unternehmen, in denen Coronavirus-Infektionen auftreten, zur Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus schließen und Arbeitnehmer, die potentielle Träger des Virus sind unter Quarantäne stellen. In diesen Fällen kann derjenige, der einen Verdienstausfall erleidet über die Regelungen des Infektionsschutzgesetz ggf. eine Entschädigung gegenüber seinem Arbeitgeber geltend machen. Diese bemisst sich nach dem Verdienstausfall, den der Arbeitnehmer erleidet. Als Verdienstausfall gilt das Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechenden Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang zusteht (sog. Netto-Arbeitsentgelt). Nach sechs Wochen wird die Entschädigung in Höhe des Krankengeldes weitergezahlt. Der Arbeitgeber hat die Entschädigung für die ersten sechs Wochen zu tragen und kann seinerseits eine Erstattung bei der zuständigen Behörde beantragen. Wer zuständige Behörde ist richtet sich nach den Regelungen des jeweiligen Bundeslandes. Für Baden-Württemberg ist das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg die zuständige Landesbehörde nach dem Infektionsschutzgesetz.

Ruhe bewahren

Neben diesen einzelnen Aspekten, gibt es noch eine Vielzahl von Sonderfragen, die sich sowohl aus Arbeitgeber-, als auch aus Arbeitnehmersicht stellen können. Im Arbeitsrecht gilt jedoch, wie generell im Umgang mit dem Coronavirus: Ruhe bewahren, gewappnet sein und im Einzelfall einvernehmliche Lösungen treffen, um Risiken zu minimieren und gemeinsam etwaigen Gefahren entgegenzutreten.

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