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Bekanntmachungszeitpunkt für Ergänzungen der Tagesordnung bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften

Aktionäre können die Ergänzung der Tagesordnung verlangen und diese bei Untätigkeit des Vorstands auch gerichtlich durchsetzen. Aber wie viel Zeit darf zwischen der Bekanntmachung der ergänzten Tagesordnung und der Hauptversammlung selbst liegen? Mit dieser Frage hat sich der BGH nun erstmals beschäftigt.

Gesetzliche Regelung zum spätmöglichsten Bekanntmachungszeitpunkt bei börsennotierten Aktiengesellschaften

Nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AktG ist eine aufgrund Minderheitsverlangens ergänzte Tagesordnung entweder bereits mit der Einberufung der Hauptversammlung oder andernfalls unverzüglich nach Zugang des Verlangens bekannt zu machen. Unverzüglich bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“. Dem Vorstand wird dabei eine Prüfungsfrist des Ergänzungsverlangens von 2 bis 5 Tagen zugebilligt.

Bei börsennotierten Aktiengesellschaften wird die „unverzügliche“ Frist anhand des Nachweisstichtags, dem sog. „Record Date“, ausgelegt und zum Ende hin beschränkt. Das Record Date ist der Stichtag, auf den sich der Nachweis des Anteilsbesitzes bezieht, der Voraussetzung für die Teilnahme an der Hauptversammlung ist. Deshalb ist bei börsennotierten Aktiengesellschaften die ergänzte Tagesordnung spätestens einen Tag vor dem Record Date und damit am 22. Tag vor der Hauptversammlung bekannt zu geben.

Keine Übertragung dieser Grundsätze auf börsenfremde Aktiengesellschaften

Auf nicht börsennotierte Aktiengesellschaften sind diese Grundsätze nicht übertragbar. Entscheidend ist hier der Zweck der Bekanntmachung, nämlich die sachgerechte Information der Aktionäre. Sie sollen die Möglichkeit haben, sich auf die einzelnen Tagesordnungspunkte vorzubereiten, indem sie die sinnvolle Ausübung ihres Rede-, Frage- und Stimmrechts sowie mögliche Gegenanträge planen können. Die rechtzeitige Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte dient daneben der Entscheidung eines jeden Aktionärs, überhaupt an der Hauptversammlung teilzunehmen.

Entscheidung des BGH: Bekanntmachung am letzten Tag der Anmeldefrist ist verspätet

Vor diesem Hintergrund hat der BGH (Urteil vom 14.07.2020, Az. II ZR 255/18) nunmehr entschieden, dass eine Bekanntmachung am letztmöglichen Tag der Anmeldung verspätet ist. Denn die dadurch verbleibende Zeitspanne ist für die Aktionäre zu kurz, um sich mit der Tagesordnung zu befassen, sich zur Teilnahme an der Hauptversammlung zu entscheiden und – wie hier erforderlich – eine Stimmkarte zu beantragen und die Aktien zu hinterlegen.

Obwohl die Minderheitsaktionäre ihren Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung fristgemäß gestellt hatten und die verspätete Bekanntmachung unter anderem auf der Untätigkeit des Vorstands beruhte, hat der BGH das Informationsinteresse der übrigen Aktionäre für die bereits anberaumte Hauptversammlung höher gewichtet. Denn die Verletzung des Informationsinteresses der übrigen Aktionäre wäre nicht mehr heilbar. Die Minderheitsaktionäre hingegen können ihr Anliegen bereits in der nächsten Hauptversammlung vorantreiben, da die bereits erteilte gerichtliche Ermächtigung zur Ergänzung der Tagesordnung für diese fortwirkt. Möglich ist auch, dass die Minderheitsaktionäre selbst eine Hauptversammlung einberufen und ihr Anliegen dabei auf die Tagesordnung setzen. Im vorliegenden Fall hätten die Minderheitsaktionäre ihr Anliegen sogar als Antrag in der Hauptversammlung stellen können, sodass nach § 124 Abs. 4 Satz 2 AktG eine vorherige Bekanntmachung nicht erforderlich gewesen wäre.

Fazit

Auch wenn der BGH keinen fixen Endpunkt für die Bekanntmachung der ergänzten Tagesordnung definiert, ergibt sich aus der Entscheidung Folgendes: Gerichtlich ermächtigte Minderheitsaktionäre haben die ergänzte Tagesordnung innerhalb angemessener Frist bekannt zu machen, um das Interesse der anderen Aktionäre an sachgerechter Information zu wahren. Eine Bekanntmachung am letztmöglichen Tag der Anmeldung bzw. der Nachweisfrist – soweit die Satzung solche Regelungen enthält – ist verspätet.

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