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Bedenken gegen Folgegewerke – nach mir die Sintflut?

Selbst nach Abnahme der eigenen Leistungen kann ein Auftragnehmer zur Bedenkenanmeldung verpflichtet sein, wenn er seine Haftung wirksam begrenzen will. Dies zeigen einmal mehr zwei jüngere obergerichtliche Entscheidungen.

Haftung des Auftragnehmers auch für Fehler Anderer

Grundsätzlich haftet der Auftragnehmer für alle an seiner Leistung vorhandenen Mängel, und zwar selbst dann, wenn die Mängel auf Anordnungen des Auftraggebers, auf auftraggeberseitig gelieferte Baumaterialien oder auf Vorleistungen anderer Unternehmer zurückzuführen sind. Drohende Haftungsrisiken kann der Auftragnehmer minimieren, wenn er seinen Prüf- und Hinweispflichten nachkommt und rechtzeitig Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung anmeldet. Diese Grundsätze gelten für VOB/B-Verträge, aber auch für BGB-Bauverträge.

Kleinen wie großen Bauunternehmen ist im Regelfall bekannt, dass ihnen umfangreiche Prüf- und Hinweispflichten im Hinblick auf Vorgewerke obliegen. Jeder erfahrene Parkettleger wird zunächst den Estrich prüfen, bevor er sein Parkett verlegt. Bei komplexen Bauvorhaben werden die Leistungen von Vorunternehmern oftmals mit Argusaugen beäugt und Bedenken angemeldet.

Prüf- und Hinweispflichten auch im Hinblick auf Folgegewerke

Anders sieht es im Hinblick auf die Leistungen nachfolgender Unternehmer aus: Folgegewerke werden von vielen Auftragnehmern kaum beachtet. Die Rechtsprechung ist hingegen streng. Sie hat umfassende Prüf- und Hinweispflichten auch im Hinblick auf Folgegewerke aufgestellt. Die im Hinblick auf Folgegewerke bestehenden Prüf- und Hinweispflichten wurden sukzessive ausgeweitet. Den Auftragnehmer treffen Prüf- und Hinweispflichten selbst dann, wenn seine Leistung bereits abgenommen wurde und er die Baustelle längst verlassen hat (vgl. BGH, Urteil vom 19.05.2011 – VIl ZR 24/08). Zwei jüngere obergerichtliche Entscheidungen belegen dies einmal mehr.

Beispiel 1: Fenster müssen sich öffnen lassen

Die Haftungsfalle, die sich aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ergibt, zeigt sich in einem vom OLG Düsseldorf am 19.11.2019 (23 U 208/18) entschiedenen Fall. Ein Fensterbauer wurde mit der Lieferung und dem Einbau von Fenstern beauftragt. Die Fensterrahmen wurden vom Fensterbauer ordnungsgemäß eingebaut und mit einer Dichtigkeitsfolie versehen. Diese Dichtigkeitsfolie wurde von einem nachfolgenden Unternehmer verputzt. Aufgrund des aufgebrachten Putzes ließen sich die Fenster nicht mehr weit genug öffnen. Im Ergebnis haftete hierfür der Fensterbauer neben dem Verputzer. Das OLG Düsseldorf (23 U 208/18) war der Ansicht, der Fensterbauer hätte erkennen müssen, dass es nach der Auftragung des Putzes zu Problemen bei der Öffnung der Fenster kommen konnte. Hierauf hätte der Fensterbauer hinweisen müssen. Im Urteil des OLG Düsseldorf (23 U 208/18) heißt es zusammenfassend, „eine Hinweispflicht ist dabei immer dann anzunehmen, wenn erkennbar die Gefahr besteht, dass der zweite Unternehmer auch bei Anwendung der anerkannten Regeln der Technik nicht zu erkennen vermag, ob die Vorleistung des anderen Unternehmers für ihn eine geeignete Arbeitsgrundlage ist und in welcher Weise er seine eigene Leistung fachgerecht der Vorleistung anzupassen hat, um Mängel zu vermeiden“.

Beispiel 2: Bäume brauchen Raum zum Wachsen

Wie es richtig geht, wird in einer Entscheidung des OLG Koblenz vom 08.10.2020 (6 U 1945/19) gezeigt. In dem entschiedenen Fall sollte der verklagte Garten- und Landschaftsbauer in einem Outlet-Center zwölf Stieleichen pflanzen. Stieleichen brauchen viel Platz für ihre Wurzeln. Sechs der Stieleichen pflanzte der Gala-Bauer in ausreichend große Beton-Pflanzquartiere mit einer Größe von 3 m x 3 m. Beim anschließenden Einbau von Baumrosten wurden die Beton-Pflanzquartiere deutlich verkleinert, was für die Stieleichen überaus misslich war. Hiergegen meldete der GaLa-Bauer Bedenken an und lehnte eine Gewährleistung für den Anwuchs der sechs Stieleichen ab. Das OLG Koblenz entließ den GaLa-Bauer deshalb aus der Haftung. Es führte aus, „dass der Unternehmer, wenn er nach Ausführung oder sogar nach Abnahme seiner Werkleistung erkennt, dass deren Funktionstauglichkeit durch Aktivitäten anderer Unternehmer gefährdet ist, im Rahmen des ihm Zumutbaren eine Vereitelung oder Gefährdung des Vertragszwecks verhindern muss (...)“.

Fazit

Die beiden obergerichtlichen Urteile zeigen erneut, dass für Auftragnehmer ein allzu nachlässiger Umgang mit Folgegewerken zu schmerzhaften Folgen führen kann. Behält der Auftragnehmer dagegen auch nach Ausführung und selbst nach Abnahme der eigenen Leistungen die Arbeiten von Folgeunternehmern im Blick und meldet er rechtzeitig Bedenken an, so kann er mögliche Haftungsrisiken erfolgreich minimieren.

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