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Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern als „Streikbrecher“ ist verfassungsgemäß

Das Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher gem. § 11 Abs. 5 AÜG ist verfassungsgemäß. Die Regelung dient einem ausgewogenen Kräfteverhältnis im Arbeitskampf. Dies entschied das BVerfG mit Beschluss vom 19.06.2020 (Az. 1 BvR 842/17).

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist eine Arbeitgeberin in der Unterhaltungsindustrie, die bundesweit Kinos betreibt. Während der Arbeitskämpfe 2012 und 2017 setzte sie auf von Streik betroffenen Arbeitsplätzen ihrer Betriebe Leiharbeitnehmer ein. Sie wandte sich im Rahmen des Verfahrens gegen das 2017 eingeführte Streikbrecherverbot des § 11 Abs. 5 AÜG. Die Vorschrift enthält das bußgeldbewehrte Verbot, Leiharbeitskräfte auf bestreikten Arbeitsplätzen einzusetzen, wenn der Entleiherbetrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Danach darf der Entleiher Leiharbeitnehmer nicht als so genannte „Streikbrecher“ auf bestreikten Arbeitsplätzen seines Betriebes einsetzen. Die Beschwerdeführerin war allerdings der Ansicht, das Verbot schränke sie in der Wahl ihrer Mittel des Arbeitskampfes ein und verletzte sie daher in ihrem Grundrecht der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG. Die Gewerkschaften, so der Kinobetreiber, würden ohnehin über die stärkeren Mittel im Arbeitskampf verfügen.

Entscheidungsgründe

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die 3. Kammer des 1. Senats ließ hierbei offen, ob die nicht tarifgebundene Beschwerdeführerin in den persönlichen Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG fällt und ob der Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher überhaupt als Mittel im Arbeitskampf geschützt ist. Jedenfalls, so das Gericht, sei die Regelung in      § 11 Abs. 5 AÜG mit den sich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebenden Anforderungen vereinbar.

Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit werde zwar vorbehaltlos gewährleistet. Es könne aber, wie jedes andere Grundrecht, zugunsten anderer Ziele mit Verfassungsrang durch den Gesetzgeber eingeschränkt werden. Die Regelung des § 11 Abs. 5 AÜG sei vom Ermessensspielraum des Gesetzgebers gedeckt und auch im engeren Sinne als verhältnismäßig anzusehen. Die Arbeitgeber würden durch die Regelung zwar in ihrer Entscheidung beschränkt, Leiharbeitskräfte zwecks Eindämmung von Streikfolgen einzusetzen. Die Regelung verbiete jedoch nicht den generellen Einsatz von Leiharbeitskräften im Betrieb, sondern nur den unmittelbaren oder mittelbaren Einsatz als „Streikbrecher“. Die damit vom Gesetzgeber verfolgte Zielsetzung, Leiharbeitnehmern ein angemessenes Arbeitsverhältnis zu gewähren und eine funktionierende Tarifautonomie zu erhalten, sei von erheblichem Gewicht.

Hinweise für die Praxis

Vor Erlass des Verbots eines Einsatzes von Leiharbeitnehmern als „Streikbrecher“ wurde die Arbeitnehmerüberlassung in gesteigertem Maße im Arbeitskampf eingesetzt. Dies führte zu einer Verschiebung der Kräfte zu Gunsten der Arbeitgeber und zu Lasten der Gewerkschaften. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Der Arbeitgeber könnte die Auswirkungen eines Streiks durch den Fremdpersonaleinsatz nahezu folgenlos abfedern. Das Verbot in § 11 Abs. 5 AÜG soll die grundlegende Parität zwischen den Tarifvertragsparteien wieder herstellen.

Ein Einsatz von Fremdpersonal im Rahmen echter Dienstleistungs- und Werkverträge ist von dem Verbot nicht umfasst. Ob dies im Einzelfall möglich ist, bedarf allerdings einer sehr genauen Prüfung, um Fehleinordnungen und deren unter Umständen schwerwiegende Konsequenzen zu vermeiden.

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