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Urlaubsgewährung durch Freistellungserklärung des Arbeitgebers

Das BAG hat mit Urteil vom 20.08.2019 – 9 AZR 468/18 entschieden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur dann wirksam Urlaub erteilt, wenn er ihm die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt. Dieser Grundsatz gilt auch bei einer Freistellung im Zusammenhang mit einer Arbeitnehmerkündigung.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung. Nachdem die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24.04.2017 zum 31.05.2017 gekündigt hatte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 02.05.2017, dass sie die Klägerin unter Anrechnung ihrer Überstunden und Urlaubsansprüche unwiderruflich freistelle. Die Klägerin war der Auffassung, dass sie Anspruch auf Urlaubsabgeltung für zehn Arbeitstage aus dem Jahr 2017 habe. Mit ihrer Klage unterlag die Klägerin in allen Instanzen.

Entscheidungsgründe

Das BAG befand, dass die Beklagte den Urlaubsanspruch der Klägerin erfüllt habe, indem sie ihr mit der Erklärung vom 02.05.2017 Urlaub erteilte habe (§ 362 I BGB).

Die Bestimmung des § 1 BUrlG, wonach jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub hat, entspreche der Regelung in Art. 7 I der RL 2003/88/EG. Der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz sei ebenso wie Art. 7 I der RL 2003/88/EG jedoch nicht allein auf die Freistellung von der Arbeitsleistung gerichtet. Das Gesetz verlange darüber hinaus, dass die Zeit der Freistellung von der Arbeit „bezahlt“ sein müsse. Der Arbeitgeber könne daher dem Arbeitnehmer nur dann wirksam Urlaub erteilen, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.

Vorliegend sei die Freistellung der Klägerin unter der vorbehaltlosen Zusage erfolgt, an die Klägerin Urlaubsentgelt zu zahlen. Denn zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Urlaubsentgelt nicht vor Urlaubsantritt aus, sei die Urlaubserteilung des Arbeitgebers jedenfalls im bestehenden Arbeitsverhältnis nach Treu und Glauben gesetzeskonform so zu verstehen (§ 157 BGB), dass der Arbeitgeber damit zugleich streitlos stellt, dass er für den gewährten Urlaub dem Grunde nach zur Zahlung von Urlaubsentgelt nach den gesetzlichen Vorgaben und etwaigen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen verpflichtet ist, sofern dem nicht konkrete Anhaltspunkte entgegenstehen.

Hinweise für die Praxis

Das BAG hat seine bisherige Rechtsprechung (siehe BAG, Urteil vom 10.02.2015 – 9 AZR 455/13; BAG, Urteil vom 30.01.2019 – 5 AZR 43/18) bestätigt und weiterentwickelt. Auch im Falle einer Arbeitnehmerkündigung kann Urlaub durch unwiderrufliche Freistellung gewährt werden. Die Zeit der Freistellung von der Arbeit muss jedoch „bezahlt“ werden. Daher muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung schon vor Antritt des Urlaubs zahlen oder vorbehaltlos zusagen. Sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen, ist die Urlaubserteilung des Arbeitgebers so zu verstehen, dass er auch das Urlaubsentgelt zahlen wird.

Die Gewährung von Urlaub durch Freistellung setzt auch nicht zwingend voraus, dass der Urlaubszeitraum innerhalb der Freistellungsphase zeitlich festgelegt wird. Einer nicht näher bestimmten Urlaubsfestlegung kann der Arbeitnehmer regelmäßig entnehmen, dass der Arbeitgeber es ihm überlässt, die zeitliche Lage seines Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums festzulegen (BAG, Urteil vom 16.07.2013 – 9 AZR 50/12).

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