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Probezeitkündigung während Erkrankung

Das LAG Köln hat mit Urteil vom 15.05.2020 (Az.: 4 Sa 693/19) entschieden, dass eine Kündigung während Erkrankung kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB darstellt. Denn der Arbeitnehmer macht mit dem „Kranksein“ kein Recht geltend, sondern ist wegen der infolge Krankheit bestehenden Arbeitsunfähigkeit außerstande, seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung während der vereinbarten Probezeit und vor Ablauf der Wartefrist in einem Kleinbetrieb. Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.05.2019 beschäftigt. Ausweislich des unbefristet abgeschlossenen Arbeitsvertrags vom 19.03.2019 war eine Probezeit von drei Monaten vereinbart. Am 02.07.2019 meldete sich die Klägerin telefonisch krank und teilte mit, dass sie bis zum 05.07.2019 krankgeschrieben sei. Ferner teilte die Klägerin der Beklagten am 08.07.2019 (Montag) telefonisch mit, dass sie bis zum 12.07.2019 erkrankt sei. Die Klägerin legte noch am selben Tag eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Folgebescheinigung) vor. Mit Schreiben vom 08.07.2019 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis „während der Probezeit ordentlich und fristgerecht zum 26.07.2019“.

Nachdem das Arbeitsgericht die Klage der Klägerin auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 08.07.2019 nicht aufgelöst worden sei, abgewiesen hat, blieb die Berufung der Klägerin vor dem LAG erfolglos.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des LAG habe das Arbeitsgericht die Klage der Klägerin zu Recht abgewiesen.

1. Die Kündigung verstoße bereits nicht gegen das Kündigungsschutzgesetz, da weder die persönlichen (§ 1 Abs. 1 KSchG) noch die betrieblichen Voraussetzungen (§ 23 Abs. 1 KSchG) vorliegen würden. Insoweit fehle es bereits an der Erfüllung der Wartezeit von sechs Monaten und zudem handele es sich um einen Kleinbetrieb.

2. Die Kündigung sei auch nicht gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 AGG wegen unmittelbarer Benachteiligung der Klägerin unwirksam. Insoweit habe die Klägerin nicht dargelegt, welches nach § 1 AGG verpönte Merkmal in ihrer Person überhaupt vorliegen soll und dass dieses Merkmal der Beklagten bekannt war, so dass vorliegend auch keine diskriminierende Kündigung vorliege.

3. Schließlich verstoße die Kündigung der Beklagten auch nicht gegen das sog. Maßregelungsverbot des § 612a BGB, wonach der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen darf, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Dabei komme als „Maßnahme“ des Arbeitgebers iSd. § 612 a BGB insbesondere auch der Ausspruch einer Kündigung in Betracht.

Indem die Klägerin ab dem 02.07.2019 arbeitsunfähig erkrankt war, habe sie aber kein Recht iSv. § 612a BGB ausgeübt. Denn der Arbeitnehmer mache mit dem „Kranksein“ kein Recht geltend, sondern sei wegen der infolge Krankheit bestehenden Arbeitsunfähigkeit außerstande, seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, § 275 Abs. 1 BGB.

Der faktische Zustand „Kranksein“ sei daher keine Ausübung eines Rechts, sondern vermittele nur ein „Recht zum Fernbleiben“ wegen subjektiver Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB). Anknüpfungspunkt für eine nach § 612a BGB zu beurteilende Kündigung wegen „Krankseins“ könne daher erst die Negation der sich aus diesem Zustand ergebenden Rechte durch den Arbeitgeber in einem zweiten Schritt sein, welches dann wiederum mit einer entsprechenden „Ausübung“ durch den Arbeitnehmer beantwortet werden muss, um durch die weitere Reaktion des Arbeitgebers in den Anwendungsbereich des § 612a BGB zu kommen.

Hinweise für die Praxis

Das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB hat besondere praktische Relevanz für Arbeitsverhältnisse, die wegen der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG oder der Kleinbetriebsklausel des § 23 KSchG nicht unter das KSchG fallen.

Eine auf Krankheitsgründe gestützte Kündigung während der Probezeit stellt beispielsweise keine verbotene Maßregelung dar, wenn sie durch die Krankheit selbst einschließlich ihrer betrieblichen Auswirkungen veranlasst ist (LAG Hamm, Urteil vom 13.05.2015 – 3 Sa 13/15; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.10.2010 – 25 Sa 1435/10). Eine Kündigung ist jedoch unwirksam, wenn sie als unmittelbare Reaktion auf eine Krankmeldung erfolgt. Droht daher ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, wenn der Arbeitnehmer trotz Arbeitsunfähigkeit nicht zur Arbeit erscheint, und kündigt der Arbeitgeber unmittelbar nach der Weigerung des Arbeitnehmers, die Arbeit aufzunehmen, das Arbeitsverhältnis, liegt ein Sachverhalt vor, der nach Auffassung des BAG eine Maßregelung i.S. des § 612 a BGB indiziert (BAG, Urteil vom 23.04.2009 – 6 AZR 189/08).

In prozessualer Hinsicht ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Maßregelung trägt. Dem Arbeitnehmer kann jedoch die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises zugutekommen, insbesondere dann, wenn ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und Ausübung eines Rechts besteht (BAG, Urteil vom 11.08.1992 – 1 AZR 103/92).

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