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Arbeitsrecht: Gleichbehandlung bei formularmäßiger Zusatzvergütung

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit Urteil vom 28.02.2020 entschieden, dass kein Verstoß gegen den arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt, wenn der Vorgesetzten den variablen Entgeltanteil nicht erhält, während seinem Untergebenen der entsprechend kleinere Entgeltbestandteil, der von dem Erreichen derselben Ziele abhängt, ausgezahlt wird.

Sachverhalt

Der Kläger war bis Ende Oktober 2018 in einer Biogasanlage der Beklagten als leitender Energiemaschinist in Vollzeit beschäftigt. Der einzige weitere Energiemaschinist im Betrieb war dem Kläger unterstellt. Dem Kläger oblag als Anlagenleiter die Überwachung und Regulierung der Prozesse und die Beschickung der Anlage. Der Änderungsvertrag September 2017 des Klägers enthielt folgende Regelung:

„§ 1 Zusatzvergütung: Der Arbeitnehmer erhält ab dem 1.9.2017 eine monatliche Zusatzvergütung von EUR 500/Monat. Das monatliche Festgehalt beträgt somit EUR 4.000.

§ 2 Dauer der Zusatzvergütung: Die Zusatzvergütung wird unter folgenden Umständen gewährt:

  • Der operative Betrieb der Biogasanlage erfolgt weiter durch 2 Arbeitskräfte
  • Die Biogasaufbereitung erreicht > 8.400 Bh/a
  • Das BHKW erreicht eine Durchschnittsleistung von > 500 kw/h im Jahresdurchschnitt.“

Dabei gingen die Parteien davon aus, dass jeweils zum Ende des abgelaufenen Kalenderjahres geprüft werden müsse, ob die Voraussetzungen für die Zusatzvergütung im zurückliegenden Jahr gegeben waren. Die Zusatzvergütung des unterstellten Mitarbeiters in Höhe von 300 Euro brutto war von der Erfüllung derselben Voraussetzungen abhängig.

Bis einschließlich Januar 2018 zahlte die Beklagte an den Kläger eine monatliche Vergütung in Höhe von 4.000,00 Euro brutto, ab Februar lediglich 3.500,00 Euro brutto. Grund war ein Vorfall im Januar 2018, für den die Beklagte den Kläger verantwortlich machte. Zwischenzeitlich wurde die Anlage von mehr als zwei Arbeitskräften betrieben und die mittlere Jahresleistung der produzierten Energie lag unter 500 kw/h. In der Folgezeit rückte der unterstellte Mitarbeiter zunächst faktisch, schließlich auch förmlich in die betriebliche Stellung des Klägers ein. Er erhielt – anders als der Kläger – während der ganzen Zeit die vereinbarte Zusatzvergütung.

In erster Instanz wurde der Antrag des Klägers auf Zahlung des Zusatzentgelts für den Streitzeitraum abgewiesen. Der Kläger ist der Auffassung, dass er jedenfalls auf Grundlage des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes einen Anspruch auf Zahlung der Zusatzvergütung habe.

Entscheidungsgründe

Auch nach Ansicht des LAG Mecklenburg-Vorpommern hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung der Zusatzvergütung.

Zum einen hätten die vertraglichen Voraussetzungen von § 2 Änderungsvertrag 2017 nicht vorgelegen. Diese Vereinbarung einer variablen Gestaltung des Entgelts sei in dieser Form zulässig, weil sie nicht der Charakter des Vertrages als Festlegung des gerechten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung in Frage stelle. Schließlich belaufe sich der variable Entgeltbestandteil lediglich auf rund 15 % des monatlichen Entgelts.

Zum anderen lasse sich der Zahlungsanspruch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz stützen, da sich die beiden Arbeitnehmer zum Jahresende 2018 nicht in einer vergleichbaren Position befunden hätten. Das LAG lässt offen, ob die Argumentation der ersten Instanz, die Differenzierung sei wegen der Verantwortlichkeit des Klägers für den Vorfall im Januar 2018 gerechtfertigt, durchgreift. Da die Parteien jeweils am Jahresschluss – in den Augen des LAG umständlich, aber zulässig – rückwirkend das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen überprüfen wollten, sei Stichtag, zu dem ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz geprüft werden müsse, der 31. Dezember 2018. Zu diesem Zeitpunkt sei allerdings der Kollege des Klägers bereits faktisch in die ehemalige Stellung des Klägers als leitender Energiemaschinist eingerückt. Es sei nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte in dieser Situation wegen der hinzugetretenen Verantwortung von der Rückforderung des variablen Entgeltbestandteils absieht.

Hinweise für die Praxis

Das Urteil bestätigt die Rechtsprechung des BAG, dass variable Entgeltanteile im Umfang von bis zu 25% des fixen Grundgehalts im Regelfall zulässig sind. Diese Grenze ist bei der formularvertraglichen Vereinbarung von flexiblen Entgeltbestandteilen in Form von Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalten oder Befristungen unbedingt zu beachten. Nicht zu vernachlässigen ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatzes als privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Absatz 1 GG. Dieser gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Sind Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern nicht ohne weiteres erkennbar, ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese offenzulegen, damit überprüft werden kann, ob die Ungleichbehandlung durch sachliche Kriterien gerechtfertigt ist. Andernfalls kann der benachteiligte Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden.

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