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Fristlose Kündigung wegen Datenlöschung

Mit Urteil vom 17.09.2020 (Az.: 17 Sa 8/20) hat das LAG Baden-Württemberg entschieden, dass das Löschen von Daten in erheblichem Umfang vom Server des Arbeitgebers eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über eine außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte produziert und vertreibt Reinigungsgeräte, insbesondere Staubsauger, vor allem für Industrie und Gewerbetreibende. Der Beklagte war seit dem 01.02.2016 bei der Beklagten als Keyaccount-Manager im Außendienst tätig. Die IT-Infrastruktur der Beklagten sieht für die Mitarbeiter vor, dass die erstellten bzw. abgespeicherten Dateien nicht lokal, sondern zentral auf dem Server der Beklagten unter einem dem jeweiligen Mitarbeiter zugewiesenen Verzeichnis abgelegt werden.

Am 17.12.2018 mahnte die Beklagte den Kläger wegen Verstoßes gegen die Weisung, freitags die Wochenplanung für die folgende Woche vorzulegen, ab.

Am 05.02.2019 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger statt, in welchem die Beklagte erklärte, sie wolle das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen aufgetretener Spannungen beenden. Die Beklagte bot dem Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrages unter Wahrung der Kündigungsfrist bei unwiderrufliche Freistellung und Fortzahlung der Bezüge an. Der Kläger lehnte dies ab und forderte seinerseits eine Abfindung von 6 Monatsvergütungen. Eine Einigung erfolgte nicht. Der Kläger verabschiedete sich aus dem Gespräch gegenüber der Einkäuferin der Beklagten mit den Worten „man sieht sich immer zweimal im Leben“. An den beiden darauffolgenden Tagen war der Kläger weder für die Beklagte noch für Kunden erreichbar. Am 07.02.2019 löschte der Kläger Daten auf dem Server der Beklagten in dem für ihn vorgesehenen Verzeichnis.

Zu den Daten gehörten unter anderem Umsatzmeldungen, Preislisten, Wettbewerbsanalysen sowie ein Excel-Kalkulationstool. Der IT-Leiter der Beklagten informierte den Geschäftsführer darüber, dass ca. 8 GB an Daten auf dem Server der Beklagten gelöscht worden seien. Die Daten konnten später erfolgreich gerettet werden. Mit Schreiben vom 11.02.2019 hörte die Beklagte den Kläger unter Fristsetzung bis zum 19.02.2019 zu dem Verdacht, er habe nach dem Personalgespräch aufgrund der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnis betriebsnotwendige Daten im Umfang von 7,48 GB gelöscht und damit die Beklagte geschädigt, an. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 20.02.2019 erklärte die Beklagte die außerordentliche fristlose Tat- und Verdachtskündigung, hilfsweise eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage und trug erstinstanzlich vor, der Vorwurf der Beklagten, er habe die Daten gelöscht, sei zu pauschal. Ein Wille der Beklagten zu schädigen, habe nicht vorgelegen. Sollte er Dateien gelöscht haben, so beziehe sich dies auf Dateien, die entweder er selbst angefertigt habe oder anderweitig bei der Beklagten, etwa durch Versand per Mail an Vorgesetzte, noch vorhanden sein. Der Kläger obsiegte erstinstanzlich teilweise. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts endete, das Arbeitsverhältnis nicht fristlos, sondern erst zum ordentlichen Beendigungsdatum. Eine bewusste Schädigung habe aus den Gesamtumständen zwar nicht abgeleitet werden können. Auch sei ein entsprechender dringender Verdacht nicht ersichtlich gewesen. Allerdings habe der Kläger gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, indem er die Daten gelöscht habe. Sämtliche Arbeitsergebnisse stünden insofern der Beklagten zu. Einer vorherigen Abmahnung habe es wegen der Offensichtlichkeit des Pflichtenverstoßes nicht bedurft.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Das LAG Baden-Württemberg erachtete die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten für wirksam. Beruhe eine Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden könne. Einer solchen Abmahnung bedürfe es nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar sei, dass eine Verhaltensänderung zu Abmahnung nicht zu erwarten stehe oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handele, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen sei. Gemessen hieran liege ein wichtiger Grund vor, der die Beklagte zum Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtige. Die Löschung von Daten auf dem Server der Beklagten stelle einen wichtigen Grund an sich dar. Das unbefugte, vorsätzliche Löschen betrieblicher Daten auf EDV-Anlagen des Arbeitgebers sei ebenso wie das Vernichten von Verwaltungsvorgängen grundsätzlich als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Darauf, ob der Arbeitnehmer sich durch das Löschen strafbar gemacht habe oder und mit welchem Aufwand ein Teil der gelöschten Daten wiederhergestellt werden könne, komme es nicht an. Auch sei nicht entscheidend, in welchem Umfang die Arbeitgeberin für den weiteren Geschäftsablauf die gelöschten Daten tatsächlich benötige. Ein unbefugtes Löschen von dem Arbeitgeber zustehenden und an diesen herauszugeben Daten stelle sich als erhebliche Pflichtverletzung dar. Der Arbeitnehmer sei dem Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitgeber alles, was er zur Ausführung der ihm übertragenen Arbeit erhalte und was aus der Tätigkeit für diesen erlange, herauszugeben. Hierzu gehörten auch die vom Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Arbeitgeber selbst angelegten Dateien sowie sonstige Unterlagen. Durch ein Löschen der Daten verstoße ein Arbeitnehmer gegen die derart selbstverständliche Nebenpflicht eines jeden Arbeitnehmers, die Interessen seines Arbeitgebers zu berücksichtigen, dass ein solches Verhalten in aller Regel zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtige. Die Fortsetzung bis zum Ende der Kündigungsfrist sei in diesen Fällen unzumutbar. Einer Abmahnung bedürfe es nicht. Denn ein Arbeitnehmer könne von vornherein nicht annehmen, dass das unbefugte Löschen von geschäftlichen Daten von seinem Arbeitgeber hingenommen werde. Da der Kläger am 07.02.2019 mehr als 3000 Daten und 350 Ordner auf dem Server der Beklagten gelöscht und hierfür keinen rechtfertigenden Grund vorgetragen habe, sei die Kündigung wirksam. Der Täter habe durch die Löschung der über 3000 Daten „tabula rasa“ gemacht. Deutlicher habe er seinen Abkehrwillen und die Bereitschaft, „verbrannte Erde zu hinterlassen“ kaum zum Ausdruck bringen können. Mit einer Billigung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber habe er nicht rechnen können.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg überzeugt. Dass das LAG nicht danach unterscheidet, ob die Daten wiederhergestellt werden können oder nicht, ist folgerichtig. Allein die Schädigungsabsicht des Arbeitnehmers ist für die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses und damit die fehlende Basis zur Weiterführung des Arbeitsverhältnisses maßgebend. Zu beachten ist aus Arbeitgebersicht jedoch, dass nicht zwingend jedes Datenlöschen zur Kündigung führen kann. Maßgebend kann auch sein, wie die Information über den jeweiligen Vorgang erlangt worden ist. Denn datenschutzrechtliche Verstöße können eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Folge haben (BAG 27.07.2017 – 2 AZR 681/16). Dies wiederum kann zu einem Beweisverwertungsverbot und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Arbeitgeber sollten damit vor Datenabfragen stets rechtlichen Rat einholen, um im Streitfall auf der sicheren Seite zu sein.

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