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Diskriminierende Stellenanzeige

Bietet der Arbeitgeber in einer Stellenanzeige eine "zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, hochmotivierten Team", so liegt hierin eine Tatsache, die eine Benachteiligung des nicht eingestellten 61-jährigen Bewerbers wegen des Alters nach § 22 AGG vermuten lässt. Dies hat das LAG Nürnberg mit Urteil vom 27.05.2020 – 2 Sa 1/20 entschieden.

Sachverhalt

Der Streit der Parteien betrifft eine behauptete Diskriminierung und daraus folgende Ersatzansprüche.

Die Beklagte schaltete online eine Stellenanzeige, mit der sie einen  Mitarbeiter für die SAP-Anwendungsbetreuung suchte. Bezüglich des Karrierelevels war „Berufseinsteiger“ angegeben. Im Begleittext fand sich unter der Überschrift „Wir bieten Ihnen“ folgender Text: „Zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, hoch motivierten Team in einem sehr interessanten und abwechslungsreichen Themenumfeld …“

Der 61-jährige Kläger bewarb sich über das Online-Portal der Beklagten auf diese Stelle. Er ist Diplomkaufmann und langjährig im SAP-Bereich tätig, wobei er auch über diverse Zertifizierungen und Ausbildungen in dieser Richtung verfügt. 

Die Beklagte lehnte die Bewerbung des Klägers nach Durchsicht seiner Unterlagen im Rahmen einer Vorauswahl mit der Begründung ab, dass sie sich für andere Bewerber entschieden habe, die das spezielle Anforderungsprofil noch besser erfüllen würden.

Nachdem das Arbeitsgericht die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von zwei Monatsgehältern verurteilt hatte und die Klage im Übrigen abgewiesen hat, blieben die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers vor dem LAG erfolglos.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des LAG habe der Kläger Indizien bewiesen, die eine Benachteiligung wegen des Alters vermuten lassen (§ 22 AGG).

Denn die Formulierung wonach dem Bewerber eine zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem „jungen, hochmotivierten Team“ geboten werde, bewirke eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. §  3 Abs. 1 AGG.

Mit dem Begriff „jung“ werde unmittelbar an das Lebensalter angeknüpft. Verstärkt werde diese Bezugnahme auf das Lebensalter durch die Verbindung mit dem Begriff „hochmotiviert“, der ebenso wie der Begriff „dynamisch“ eine Eigenschaft beschreibe, die im Allgemeinen eher jüngeren als älteren Menschen zugeschrieben werde. Werde in einer Stellenausschreibung darauf hingewiesen, dass eine zukunftsorientierte Mitarbeit in einem „jungen hochmotivierten Team“ geboten werde, enthalte dieser Hinweis regelmäßig nicht nur die Botschaft an potentielle Stellenbewerber, dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb hochmotiviert seien. Aus Sicht eines objektiven Empfängers könne dies regelmäßig nur so verstanden werden, dass ein Arbeitnehmer gesucht werde, der in das Team passt, weil er ebenso jung und hochmotiviert sei wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. Die Annahme, dass nur darüber informiert werden solle, dass das Team selbst noch nicht lange Zeit bestehe, sei demgegenüber fernliegend, wenn dieser Umstand nicht zugleich in der Stellenausschreibung erläutert werde. Sofern dies nicht der Fall sei, könne der Zweck einer solchen Stellenbeschreibung nur darin bestehen, einen zum vorhandenen Team passenden neuen Beschäftigten zu gewinnen. Andernfalls wäre die so formulierte Stellenbeschreibung ohne Aussagegehalt und damit überflüssig.

Hinweise für die Praxis

Das LAG hat sich ausweislich seiner Entscheidungsgründe der Rechtsprechung des BAG angeschlossen. Dieses hatte bereits mit Urteil vom 19.5.2016 – 8 AZR 470/14 entschieden, dass eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters vorliege, wenn dem Bewerber eine langfristige Perspektive in einem „jungen und dynamischen Team” in Aussicht gestellt werde.

Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters bejahte das BAG z.B., wenn der Bewerberkreis auf Personen mit „0 – 2 Jahren Berufserfahrung” eingeschränkt werde. Bei der Berufserfahrung handele es sich zwar um ein Kriterium, das dem Anschein nach neutral sei im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG und unmittelbar damit auch nicht auf ein bestimmtes Alter Bezug genommen werde. Jedoch sei das Kriterium der Berufserfahrung mittelbar mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verknüpft. Denn Bewerber mit einer längeren Berufserfahrung würden gegenüber Berufsanfängern und gegenüber Bewerbern mit erster oder kurzer Berufserfahrung typischerweise ein höheres Lebensalter aufweisen (BAG, Urteil vom 19.5.2016 – 8 AZR 470/14).

Es ist daher darauf zu achten, dass ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG ausgeschrieben wird. Stellenausschreibungen, die gegen § 11 AGG verstoßen, begründen im Sinne des § 22 AGG die Vermutung, dass die Ablehnung eines Bewerbers, der zum diskriminierten Personenkreis gehört, aus diesem Grund erfolgt sei. Daraus resultiert zwar kein Einstellungsanspruch des abgelehnten Bewerbers, jeden kann er sich auf einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch sowie Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 1, Abs. 2 AGG berufen.

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