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Eingeleitete Dienstaufsichtsbeschwerde sowie Bezichtigung der Personalabteilung einer Straftat ist bei berechtigtem Anlass kein Kündigungsgrund

Das LAG Düsseldorf hat mit der Entscheidung vom 4. Februar 2020 (8 Sa 483/19) entschieden, dass eine von einem Arbeitnehmer bei berechtigtem Anlass gegen eine Mitarbeiterin der Personalabteilung sowie gegen den stellvertretenden Leiter der Personalabteilung eingeleitete Dienstaufsichtsbeschwerde keinen Kündigungsgrund darstellt.

Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten, einem öffentlichen Nahverkehrsunternehmen, seit 2016 als Straßenbahnfahrer beschäftigt. Im Juni 2017 erlitt er während der Arbeit einen Unfall, ist seitdem arbeitsunfähig erkrankt und als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er verlangte von der Beklagten im Dezember 2018 die Bezahlung von 13,5 Mehrarbeitsstunden mit einem Wert von 200 Euro aus dem Jahr 2017. Anfang März 2019 wurde ihm eine Auszahlung zugesagt. Nachdem eine Zahlung nicht erfolgte, rief der Kläger am 18.03.2019 eine Mitarbeiterin der Personalabteilung wegen der noch ausstehenden Bezahlung der Mehrarbeit an. Er verlangte die Entscheidung und die Auszahlung noch am selben Tag und zwar zumindest als Zwischenzahlung. Die Mitarbeiterin teilte mit, dass sie dies mit einem anderen Mitarbeiter abklären müsse. Darauf ließ der Kläger sich nicht ein, sondern fragte, was denn passieren würde, wenn der andere Mitarbeiter sterbe. Dann müsse ja jemand anders die Entscheidung treffen. Erhalte er keine Rückmeldung, dann würde er am gleichen Tag Dienstaufsichtsbeschwerde erheben. Am Abend desselben Tages reichte der Kläger bei der Beklagten Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Mitarbeiterin der Personalabteilung und den stellvertretenden Leiter der Personalabteilung ein. Darin stellte er den Sachverhalt der nicht bezahlten Mehrarbeit aus seiner Sicht dar und formulierte abschließend, dass die Mitarbeiter verpflichtet seien, ihm seine Bezüge auszuzahlen, diese aber veruntreuen würden und sich somit strafbar machten. Im April 2019 bezahlte die Beklagte die 13,5 Überstunden. Nach Beteiligung von Inklusionsamt, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.04.2019 fristlos und mit Schreiben vom 21.05.2019 ordentlich zum 30.09.2019. Das Arbeitsgericht erachtete die Kündigung für unwirksam.

Entscheidungsgründe

Auch das LAG Düsseldorf schloss sich dem an und teilte den Parteien mit, dass die Berufung keine Erfolgsaussichten habe. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat für den Arbeitnehmer ein berechtigter Anlass bestanden, sich über seine Vorgesetzten zu beschweren, nachdem der ihm unstreitig zustehende Betrag für die Mehrarbeit von 200 Euro über längere Zeit nicht ausgezahlt worden war. Hierzu durfte er grundsätzlich das Mittel der internen Dienstaufsichtsbeschwerde an den Vorstand wählen und war nicht gehalten, den gerichtlichen Klageweg zu beschreiten. Zwar dürfe der Arbeitnehmer Vorgesetzte nicht wider besseren Wissens einer Straftat bezichtigen. Im konkreten Fall werde aus der Dienstaufsichtsbeschwerde, in der der Kläger die Nichtzahlung der Mehrarbeitsvergütung darstellte, aber eindeutig erkennbar, dass es dem Kläger nur wertend um den Ausdruck seiner Unzufriedenheit mit der verzögerten Zahlung gegangen sei.

Praxishinweise

Eine verhaltensbedingte Kündigung bedarf einer vorangegangenen Pflichtverletzung, die bestenfalls zuvor bereits abgemahnt wurde. Deutliche Kritik eines Arbeitnehmers an der Personalabteilung oder aber auch an einem Vorgesetzten kann dann nicht als Kündigungsgrund verwendet werden, sofern der Arbeitnehmer ein berechtigtes Anliegen zur Kritik hat. In dem vorliegenden Fall hatte der Arbeitnehmer insbesondere aufgrund der bereits erfolgten Zusage zur Auszahlung der Überstundenabgeltung ein berechtigtes Anliegen, die vorhandenen Diskrepanzen intern zu lösen. Zudem hatte der Arbeitnehmer sein Handeln zuvor angekündigt, sodass die Mitarbeiterin der Personalabteilung damit rechnen konnte, sofern das Unternehmen nicht handelt. Sofern nicht vorrangig die (willkürliche) Schädigung des Unternehmens oder des Vorgesetzten/der Personalleitung durch den Arbeitnehmer erzielt werden soll und auch kein strafrechtlich relevantes Verhalten (Beleidigung, Bedrohung o.ä.) in der Kritik erkennbar ist, kann Kritik am Vorgesetzten nicht als (neben-)vertragliche Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer bewertet werden.

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