Dr. Christoph Fingerle, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Betriebliche Altersversorgung auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung – keine Verwirkung von Ansprüchen nach § 242 BGB

Mit Rentenbeginn wird der Zahlungsbetrag der sogenannten »Ausgangsbetriebsrente« berechnet. Kann der Betriebsrentner Jahre später die Richtigkeit dieser Berechnung beanstanden und – jedenfalls für die zukünftigen Rentenzahlungen – eine höhere Betriebsrente fordern, oder steht dem der Rechtseinwand der Verwirkung nach § 242 BGB entgegen? Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Frage zu klären.

Sachverhalt

Der Kläger war seit 1955 bei der Beklagten beschäftigt. Die betriebliche Altersversorgung bei der Beklagten war seit dem Jahr 1979 durch eine Betriebsvereinbarung (BV 1979) geregelt. Die BV 1979 wurde zum 1. Januar 1988 durch eine weitere Betriebsvereinbarung (BV 1988) geändert. Dabei wurde jedes Dienstjahr der ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit nach Inkrafttreten der BV 1988 mit 0,2% des Arbeitseinkommens bewertet, statt wie zuvor nach der BV 1979 mit 0,4%. Der Kläger schied mit Ablauf des 31. Dezember 2003 aus dem Arbeitsverhältnis aus und bezieht seit dem 1. Januar 2004 u.a. eine Betriebsrente von der Beklagten.

Der Kläger verlangt die Zahlung einer höheren Ausgangsbetriebsrente. Die Halbierung der künftigen Steigerungsbeträge durch die BV 1988 sei mangels sachlich-proportionaler Gründe unzulässig. Die Beklagte verweist demgegenüber u.a. auf ihre damalige wirtschaftliche Lage und hält dem Begehren des Klägers nach einer Neuberechnung seiner Ausgangsrente den Einwand der Verwirkung entgegen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung insoweit zurückgewiesen.

Die vom Bundesarbeitsgericht eingeschränkt auf eine um 119,12 Euro brutto höhere Ausgangsrente zugelassene Revision des Klägers hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

Entscheidungsgründe

Nach Ansicht des BAG (Urteil vom 13. Oktober 2020 - 3 AZR 246/20) ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen der Anspruch des Klägers auf Berechnung seiner Ausgangsrente und damit die Überprüfung der Wirksamkeit der Ablösung der BV 1979 durch die BV 1988 nicht aus dem aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsatz der Verwirkung ausgeschlossen. Der Kläger verfolgt ein Recht, dass durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumt wurde. Dieses ist von Gesetzes wegen nach § 77 Abs. 4 Satz 3 BetrVG dem Einwand der Verwirkung entzogen (§ 77 Abs. 4 S. 2 und 3 BetrVG: »Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen.«)

Ob die Klage begründet ist, konnte der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hatte zu den von der Beklagten vorgebrachten Gründen für die Ablösung der früheren Betriebsvereinbarung keine Feststellungen getroffen. Dies wird es im fortgesetzten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

Dem Anspruch eines Versorgungsempfängers auf richtige Berechnung seiner Ausgangsrente und damit bspw. die Überprüfung der Wirksamkeit einer Ablösung einer früheren, günstigeren Versorgungsordnung kann – jedenfalls dann, wenn die geltend gemachten Ansprüche ihre Rechtsgrundlage in einer Betriebsvereinbarung haben –der Einwand der Verwirkung aus § 242 BGB nicht entgegengehalten werden.

Hinweis für die Praxis

Aus diesem Urteil folgt für die Versorgungsempfänger, dass auch noch nach einer längeren Bezugsdauer einer Betriebsrente, jedenfalls wenn sie auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung gewährt wird, eine Überprüfung sinnvoll sein kann. Für den die Betriebsrente zahlenden Arbeitgeber bedeutet dies im Umkehrschluss, dass sich gegebenenfalls auch noch nach »Jahr und Tag« aufgrund einer gerichtlichen Überprüfung der Höhe der Ausgangsbetriebsrente die Belastung durch die Betriebsrentenzahlung für den unverjährten Zeitraum und die Zukunft merklich ändern, nämlich erhöhen kann.

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