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Alternative Beschäftigungsmöglichkeit eines Stammarbeitnehmers bei Einsatz von Leiharbeitnehmern

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit zwei Urteilen vom 2. September 2020, Az. 5 Sa 14/20 und 5 Sa 295/20, entschieden, dass eine betriebsbedingte Kündigung von Stammarbeitnehmern wegen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer beschäftigt, mit denen er ein nicht schwankendes, ständig vorhandenes (Sockel-) Arbeitsvolumen abdeckt.

Sachverhalt

Die Beklagte, ein Automobilzulieferer, beschäftigt neben 106 Arbeitnehmern auch acht Leiharbeitnehmer. Weil ihr Auftraggeber das Volumen seiner Autoproduktion reduzierte, sprach sie wegen des dadurch bei ihr entstehenden Personalüberhangs gegenüber den Klägern, zwei Fertigungsmitarbeitern, und vier weiteren Kollegen, allesamt Stammarbeitnehmer bei ihr, betriebsbedingte Kündigungen aus. In den knapp zwei Jahren vor Ausspruch der Kündigungen setzte die Beklagte sechs Leiharbeitnehmer fortlaufend mit nur wenigen Unterbrechungen (etwa zum Jahresende oder während der Werksferien) in ihrem Betrieb ein. Das Arbeitsgericht Köln hatte den gegen die Kündigung gerichteten Kündigungsschutzklagen stattgegeben. Hiergegen legte die Beklagte jeweils Berufung ein.

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht Köln hat die Berufungen zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger hätten auf den Arbeitsplätzen der Leiharbeitnehmer weiterbeschäftigt werden können. Diese seien als freie Arbeitsplätze anzusehen. Zwar fehle es an einem solchen nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wenn der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer als Personalreserve zur Abdeckung von Vertretungsbedarf beschäftige. Eine solche Vertretungsreserve verneint das Landesarbeitsgericht Köln jedoch im vorliegenden Fall. Leiharbeitnehmer, die fortlaufend beschäftigt würden, seien nicht als Personalreserve zur Abdeckung von Vertretungsbedarf im Unternehmen eingesetzt. Wenn immer wieder (unterschiedliche) Arbeitnehmer in einem absehbaren Umfang ausfielen, sei kein schwankendes, sondern ein ständig vorhandenes (Sockel-) Arbeitsvolumen vorhanden. Dementsprechend habe der für das Befristungsrecht zuständige 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass der Sachgrund der Vertretung nicht vorliege, wenn der Arbeitgeber mit der befristeten Beschäftigung eines Arbeitnehmers einen dauerhaften Bedarf abdecken wolle.

Das Landesarbeitsgericht hat in beiden Verfahren die Revision zugelassen.

Hinweise für die Praxis

Mit dem Urteil zieht das LAG für die Bewertung, ob eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit eines Stammarbeitnehmers bei Beschäftigung von Leiharbeitnehmern vorliegt, eine Parallele zum Sachgrund der Vertretung im Befristungsrecht und schließt sich der hierzu ergangenen Rechtsprechung des 7. Senats des BAG an.

Besteht in der fortlaufenden befristeten Beschäftigung ein dauerhafter Bedarf, kommt demnach ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande, selbst wenn damit die Gefahr eines zeitweisen Personalüberhangs nicht völlig auszuschließen und bei den Personalplanungen zu berücksichtigen ist.

Maßgeblich für die Bewertung einer alternativen Beschäftigungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG für einen Stammarbeitnehmer ist demzufolge, ob aufgrund einer fortlaufenden Beschäftigung von Leiharbeitnehmern der Schluss auf einen dauerhaften Bedarf gerechtfertigt ist. Ergibt sich, dass ein Dauerbedarf besteht, wird auch ein Leiharbeitnehmer (ebenso wie ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer) nicht als „Personalreserve“ zur Abdeckung eines Vertretungsbedarfs beschäftigt. Sein Arbeitsplatz muss dann vorrangig für sonst zur betrieblichen Kündigung anstehende Stammarbeitnehmer genutzt werden.

Aus dem Urteil des LAG folgt, dass Arbeitgeber in Krisenzeiten, in denen sich ein verringerter Arbeitskräftebedarf ergibt, gehalten sind, einen bestehend bleibenden Dauerbedarf zur Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen mit Stammarbeitnehmern und nicht mit Leiharbeitnehmern zu besetzen. Der Gefahr eines Personalüberhangs kann nur mit einer vorsichtigen Kalkulation des (Sockel-) Arbeitsvolumens begegnet werden.

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