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Apotheker setzen sich mit FGvW endgültig durch - BGH besiegelt Aus für Apothekenautomat von DocMorris in Hüffenhardt 

Der sogenannte „Apothekenautomat“ der niederländischen Versandapotheke DocMorris N.V. in Hüffenhardt bei Heilbronn, der im Frühjahr 2017 bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte, ist Geschichte. Mit Beschluss vom 30. April 2020 hat der Bundesgerichtshof die Nichtzulassungsbeschwerde von DocMorris gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom Mai 2019 zurückgewiesen (Az.: I ZR 123/19). Die Untersagung des Betriebs des Apothekenautomaten sowohl für verschreibungspflichtige als auch freiverkäufliche Arzneimittel war rechtmäßig, weil er gegen deutsches Arzneimittel- und Apothekenrecht verstößt. Geklagt hatten zwei regionale Apotheker, ein in Köln ansässiger Apotheker, der eine Online-Apotheke betreibt, sowie der Landesapothekerverband Baden-Württemberg.

Das Hüffenhardt-Urteil des OLG Karlsruhe ist damit rechtskräftig. Die Karlsruher Richter hatten ihre Entscheidung im Mai 2019 damit begründet, dass es sich bei dem Automaten nicht wie von DocMorris vorgebracht um einen „Versand an den Endverbraucher von einer Apotheke“ (§ 73 Abs. 1 Nr. 1 a AMG) handelt, wenn die Arzneimittel zunächst ohne konkrete Bestellung in Hüffenhardt gelagert und dann auf Kundenwunsch abgegeben werden. Ein Versandhandel setzt eine Bestellung des Endverbrauchers zeitlich vor der Bereitstellung, Verpackung und Absendung des Arzneimittels voraus. Zudem verstoße der Automat gegen Prüf- und Dokumentationspflichten bei der Bearbeitung von Rezepten und der Abgabe der Arzneimittel an Endverbraucher. Die per Video erfolgenden Kontrollen und die erst nach Verbringung der Rezepte in die Niederlande vorgenommenen Vermerke genügten nach Ansicht der Richter nicht den Vorschriften der deutschen Apothekenbetriebsordnung. Es sei beispielsweise nicht gewährleistet, dass Änderungen auf der Verschreibung durch den Apotheker unmittelbar bei Abgabe des Arzneimittels vermerkt werden.

Der BGH bestätigte dieses Urteil und hob in der Begründung seines Beschlusses hervor, dass insbesondere kein Anlass bestanden habe, den Rechtsstreit dem EuGH zur Klärung vorzulegen – wie DocMorris es angestrebt hatte. Denn selbst wenn ein, vom Berufungsgericht verneinter, Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit vorliegen würde, sei dieser jedenfalls zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt. Aufgrund des im Bereich des Gesundheitsschutzes den Mitgliedstaaten zustehenden Wertungsspielraums sei der Gesetzgeber berechtigt, das Vertriebsmodell von DocMorris zu untersagen, um Gesundheitsschäden durch Arzneimittel zu verhindern, die aufgrund von Verwechslungen, fehlerhafter Lagerung und Aufbewahrung sowie durch Arzneimittelfälschungen, Wirkstoffverlust oder den Zugriff unberechtigter auf Arzneimittel verursacht werden könnten. Da die Regelung unmittelbar der Arzneimittelsicherheit und damit auch unmittelbar dem Leben und der Gesundheit der Bevölkerung diene, müsse auch nicht geprüft werden, ob es möglich ist, diese Ziele durch Maßnahmen zu erreichen, die den freien Warenverkehr möglicherweise weniger beschränken.

„Hüffenhardt ist Geschichte. Den Versuchen, die Abgabe von Arzneimitteln aus den Apotheken heraus zu verlagern, wird damit endgültig Einhalt geboten. Das hat über den Fall Hüffenhardt hinaus grundlegende Bedeutung“ betont unser Partner Dr. Morton Douglas, der einen der Kläger vertreten hat. „Die Bindung der Abgabe von Arzneimitteln an Apotheken darf nicht verwässert werden. Dem schiebt der BGH einen Riegel vor. Starke Kontrollmechanismen durch die Apotheken sind wichtig, um die vielfältigen Gefährdungen, die von Arzneimitteln ausgehen, insbesondere das teilweise hohe Suchtpotenzial, einzugrenzen. Die Entscheidung verdeutlicht, dass unter dem Deckmantel der Warenverkehrsfreiheit ausländische Marktteilnehmer nicht vollkommene Freiheit für ihre Aktivitäten begehren können. Sie müssen vielmehr die Grundregeln einhalten, die auf einem Markt durch den Gesetzgeber vorgegeben sind.“

„Automaten können aufgrund des fehlenden persönlichen Kontaktes und des eingeschränkten Angebots keine Apotheke ersetzen. Zwar verfügt nicht mehr jede Gemeinde über eine eigene Apotheke. Die im ländlichen Raum angesiedelten Apotheken stellen aber durch Botendienste eine flächendeckende Versorgung sicher. Um die in ländlichen Gebieten verbliebenen Apotheken nicht weiter zu gefährden, gilt es gerade sicherzustellen, dass nicht durch derartige Abgabemodelle die flächendeckende Versorgung weiter geschwächt wird“, so Douglas.

Mit Blick auf die anhaltenden Diskussionen über die zukünftige Ausgestaltung des Arzneimittelvertriebs sieht Douglas die Position der nationalen Apotheken gestärkt: „Mit der Hervorhebung des weiten Wertungsspielraums des nationalen Gesetzgebers im Bereich der Ausgestaltung des Gesundheitswesens hat der BGH den Versuchen von DocMorris, aus allein wirtschaftlichen Gründen das Gesundheitsschutzniveau in Deutschland abzusenken, eine deutliche Grenze gesetzt“, betont Douglas. „Nicht alles, was DocMorris sich im Interesse der Aktionäre überlegt, ergibt einen Sinn. Es bleibt zu hoffen, dass diese klaren Worte des BGH auch in Berlin Gehör finden. Die Beteiligten sollten sich bei den nun anstehenden Verhandlungen über die Frage, wie der Ungleichbehandlung zwischen deutschen Apotheken und im Ausland ansässigen Apotheken ein Ende gesetzt werden kann, dazu entschließen, effektive Maßnahmen zu ergreifen, und nicht aus falsch verstandener Rücksichtnahme vor Brüssel den Gesundheitsschutz opfern.“

Die Versandapotheke „Fliegende Pillen“ mit Sitz in Köln wurde im Grundsatzverfahren von unserem auf Wettbewerbs- und Arzneimittelrecht spezialisierten Team in Freiburg unter Federführung unseres Partners Dr. Morton Douglas in allen Instanzen beraten und vertreten. Dr. Douglas gilt bundesweit als einer der führenden Experten für Apotheken-, Arzneimittel- und Wettbewerbsrecht und hat schon zahlreiche Verfahren für deutsche Apotheker und Apothekerverbände gegen DocMorris und andere Versandapotheken aus dem Ausland erfolgreich geführt.

Berater/Vertreter Versandapotheke „Fliegende Pillen“:

Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
Dr. Morton Douglas, Partner (Federführung, Apothekenrecht, Wettbewerbsrecht, Arzneimittelrecht)
Dr. Ilva Schiessel, Associate (Apothekenrecht, Wettbewerbsrecht, Arzneimittelrecht)

Rohnke Winter - Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe
Prof. Dr. Christian Rohnke, Partner

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