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Vergütungsanspruch während Mindesturlaubszeiten

Der EuGH hat mit Urteil vom 13.12.2018 (C-385/17 – Rechtssache Torsten Hein / Albert Holzkamm GmbH & Co KG) entschieden, dass ein Arbeitnehmer während seines unionsrechtlich garantierten Mindesturlaubs ungeachtet früherer Kurzarbeitszeiten Anspruch auf sein normales Arbeitsentgelt hat.

Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten in der Baubranche als Betonbauer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis waren die tarifvertraglichen Regelungen des BRTV-Bau anwendbar. Nach diesen haben Arbeitnehmer unabhängig von Kurzarbeitszeiten auch ohne die Erbringung tatsächlicher Arbeitsleistung einen Anspruch auf die Gewährung eines jährlichen Erholungsurlaubs von 30 Tagen. Die Kurzarbeitszeiten werden nach der tarifvertraglichen Regelung aber bei der Berechnung der Urlaubsvergütung berücksichtigt und führen insoweit zu einer Reduktion der Urlaubsvergütung. Im Jahre 2015 hat der Kläger wegen einer Kurzarbeitsphase während eines Zeitraums von insgesamt 26 Wochen keine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht. Entsprechend der tarifvertraglichen Regelung nahm er seinen vollen Jahresurlaub von 30 Tagen für das Jahr 2015. Die Beklagte zahlte ihm die auf der Grundlage der tariflichen Regelungen berechnete, aber gegenüber dem normalen Stundenlohn verringerte Urlaubsvergütung aus. Damit war der Kläger nicht einverstanden und rief das Arbeitsgericht Verden mit dem Antrag an, den Arbeitgeber zur Zahlung der Differenz zwischen der tatsächlich gezahlten Urlaubsvergütung und der ohne die tariflich vorgesehene Kürzung berechneten Urlaubsvergütung zu verurteilen. Das Arbeitsgericht hat dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob eine nationale Regelung, nach der in Tarifverträgen bestimmt werden kann, dass etwaige Verdienstausfälle infolge von Kurzarbeit im Referenzzeitraum bei der Berechnung der Urlaubsvergütung vergütungsmindernd berücksichtigt werden können, mit dem Unionsrecht im Einklang steht.

Entscheidungsgründe

Der EuGH hat festgestellt, dass eine nationale Regelung dem Unionsrecht widerspricht, in der geregelt ist, dass ein Arbeitnehmer für seine unionsrechtlich garantierten Urlaubstage ein Entgelt erhält, das nicht dem gewöhnlichen Entgelt entspricht, das er in Zeiträumen tatsächlicher Arbeitsleistung erhält. Zur Begründung hat der EuGH erläutert, dass jeder Arbeitnehmer nach dem Unionsrecht Anspruch auf einen bezahlten Mindesturlaub von vier Wochen hat. Daraus ergebe sich zum einen der Anspruch auf Gewährung des vollen Mindesturlaubs, zum anderen auf Zahlung der Urlaubsvergütung. Allerdings beruhe die Dauer des Mindesturlaubs auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Referenzzeitraums tatsächlich gearbeitet habe. Daher seien die Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anhand der Zeiträume tatsächlicher Arbeitsleistung zu berechnen, also insbesondere ohne die Zeiten von Kurzarbeit, in denen tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht worden sei. Eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts durch das nationale Gericht sollte nach Ansicht des EuGH dazu führen, dass die den Arbeitnehmern für den unionsrechtlich vorgesehenen Mindesturlaub gezahlte Vergütung nicht geringer ausfällt als der Durchschnitt des gewöhnlichen Arbeitsentgelts, dass die Arbeitnehmer in Zeiträumen tatsächlicher Arbeitsleistung erhalten.

Hinweis für die Praxis

Der EuGH knüpft mit der vorliegenden Entscheidung an seine arbeitnehmerschützende Rechtsprechung zum Urlaubsrecht an. Zur zeitlichen Wirkung des Urteils stellt der EuGH fest, dass die Wirkungen des Urteils nicht zu beschränken sind, da die Voraussetzung der schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen nicht erfüllt ist. Daraus folgt, dass die nationalen Gerichte die Auslegung der unionsrechtlichen Vorschriften im Sinne des Urteils auch auf Rechtsverhältnisse, die vor dem Tag der Urteilsverkündung entstanden sind, anwenden müssen. Einen Vertrauensschutz für die Arbeitgeber, welche auf der Grundlage der nationalen Regelungen und der deren Wirksamkeit bestätigenden nationalen höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die Rechtmäßigkeit der Regelungen vertraut haben, hält der EuGH mit dem Unionsrecht nicht für vereinbar, was die nationalen Gerichte daran hindert, einen solchen zu berücksichtigen.

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