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Unbestimmtheit eines Vollstreckungstitels bei Verpflichtung des Arbeitgebers zur "ordnungsgemäßen Abrechnung" noch nicht erbrachter Entgelte

Das LAG Hamm hat mit Beschluss vom 24.06.2019 (Az.: 12 Ta 184/19) entschieden, dass ein Titel, der einen Arbeitgeber zu einer „ordnungsgemäßen" Abrechnung noch nicht erbrachter Entgelte verpflichtet, im Regelfall zu unbestimmt und daher zur Vollstreckung nicht geeignet ist.

Sachverhalt

Im Ursprungsrechtsstreit hatte sich der Arbeitnehmer gegen eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber gewehrt. Im Gütetermin hatten die Parteien daraufhin einen Beendigungsvergleich geschlossen, wonach sich der Arbeitgeber verpflichtete, "das Arbeitsverhältnis für die Monate August, September und Oktober 2018 ordnungsgemäß abzurechnen, soweit noch nicht geschehen und auf der Basis von Euro 2.600 brutto monatlich. Die sich daraus ergebenden Arbeitsentgeltansprüche werden an den Kläger ausgezahlt, soweit noch nicht geschehen."

Das Arbeitsgericht setzte auf Antrag des Arbeitnehmers wegen der Nichtvornahme der ordnungsgemäßen Abrechnung ein Zwangsgeld und für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit Zwangshaft fest. Die Zahlungen der Gehälter waren zwischenzeitlich durch den Arbeitgeber erfolgt.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Arbeitgebers beim LAG Hamm hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das LAG befand, dass der Vollstreckungstitel zu unbestimmt und daher für die Vollstreckung nicht geeignet sei.

1.
Durch den Vollstreckungstitel würden in objektiver Hinsicht Inhalt und Umfang der Zwangsvollstreckung festgelegt werden. Der vollstreckungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz sei daher nicht anders zu verstehen, als die Bestimmtheit nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wonach die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag enthalten müsse.

2.
Diesen Anforderungen werde der Vergleich vorliegend nicht gerecht.

  • Die Abrechnungsverpflichtung im Vergleich meine nicht die Abrechnung nach § 108 GewO, sondern eine Abrechnungsverpflichtung, die der Vorbereitung der Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs diene. Die Abrechnung nach § 108 GewO setze hingegen immer voraus, dass das Arbeitsentgelt bereits gezahlt worden ist. Der Arbeitnehmer soll erkennen können, wie sich der errechnete Nettobetrag errechnet. Dieser Anspruch nach § 108 GewO sei jetzt im Laufe des Beschwerdeverfahrens entstanden, nachdem der Schuldner Zahlungen erbracht hat und könne daher nicht bereits Grundlage des Vergleichs gewesen sein.
  • Der Vergleich genüge auch in Bezug auf die Abrechnung den an die Bestimmtheit des Titels zu stellenden Anforderungen nicht.

Zwar seien im Vergleich sowohl der Zeitraum als auch die Vergütung benannt. Dennoch erschließe sich nicht, was eine „ordnungsgemäße" Abrechnung sein soll. Denn dies hänge auch von steuerrechtlichen Parametern ab, die sich jedenfalls aus dem Vergleichstext nicht ergeben. Es fehlen z.B. Angaben zur Steuerklasse und daneben auch Angaben zu den Beiträgen zur Sozialversicherung. Nicht klar sei auch, ob der Schuldner einzelne Monatsabrechnungen erstellen solle oder eine Gesamtabrechnung, was aufgrund des steuerlichen Zuflussprinzips möglicherweise zu einer anderen Lohnsteuerberechnung führt.

Dafür, dass der Vergleich auch gar keinen Vollstreckungstitel darstellen sollte, spreche insbesondere auch die Formulierung, „soweit noch nicht geschehen". Denn eine Verpflichtung zu schaffen, die möglicherweise bereits erfüllt ist, mache zur Schaffung eines Vollstreckungstitels keinen Sinn.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des LAG Hamm steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 07.09.2009 - 3 AZB 19/09; Urteil vom 10.01.2007 - 5 AZR 665/06), wonach der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abrechnung von Arbeitsentgelt nach § 108 GewO entsteht, wenn das Arbeitsentgelt gezahlt wird. Die Abrechnung bezweckt daher die Information über die erfolgte Zahlung. Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er gerade den ausgezahlten Betrag erhält. § 108 GewO regelt hingegen keinen selbstständigen Abrechnungsanspruch zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs.

Vor dem Hintergrund, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers zur "ordnungsgemäßen" Abrechnung regelmäßig in arbeitsgerichtlichen Vergleichen als Formulierung mitaufgenommen wird, macht die Entscheidung des LAG Hamm nunmehr deutlich, dass die Pflicht zur Abrechnung noch nicht erbrachter Entgelte wohl nicht vollstreckt werden kann. Hiervon zu unterscheiden ist die Vollstreckung von Zahlungsansprüchen an sich. Insofern dürfte ein entsprechender Vergleich weiterhin den Bestimmtheitsanforderungen genügen und als vollstreckungsfähiger Titel dienen. Dies war im vorliegenden Fall jedoch ohne weitere Bedeutung, da die Zahlungen durch den Arbeitgeber bereits erfolgt waren.

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