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Sofortige Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrags bei Compliance-Verstößen

Der Dienstvertrag eines GmbH-Geschäftsführers kann bei Verstößen gegen unternehmensinterne Compliance-Vorschriften mit sofortiger Wirkung gekündigt werden.

Hintergrund

Der Kläger ist der ehemalige Geschäftsführer der beklagten GmbH, die Teil eines Konzerns ist. Die konzernweiten Compliance-Richtlinien sahen unter anderem vor, dass Provisionen ab einer bestimmten Höhe nur schriftlich, unter Einhaltung eines Vier-Augen-Prinzips und nach Zustimmung des sog. Bereichsvorstands vereinbart werden durften.

Gegen diese Vorgaben verstieß der Kläger. Er vereinbarte mit einem Geschäftspartner der Beklagten eine Provision, die die in den Compliance-Richtlinien vorgesehenen Beträge deutlich überstieg. Die hierfür erforderlichen Schranken aus den Compliance-Richtlinien (insbesondere den Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Bereichsvorstands) hielt der Kläger nicht ein; stattdessen gestaltete er die Provision zugunsten des Geschäftspartners bewusst in Umgehung der Compliance-Richtlinien.

Als dies der Beklagten bekannt wurde, kündigte sie nach vorheriger Fassung eines Gesellschafterbeschlusses das Dienstverhältnis des Klägers fristlos; der Kläger wurde außerdem mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Begründung, dass die außerordentliche Kündigung seines Dienstverhältnisses unwirksam sei und klagte – in erster Instanz noch erfolgreich – gegen die Beklagte auf Fortzahlung seines Geschäftsführergehalts.

Die Entscheidung des OLG Hamm vom 29.05.2019 (Az. 8 U 146/18)

Anders als die Vorinstanz entschied das OLG Hamm zugunsten der Beklagten, dass die fristlose Kündigung des Dienstvertrags des Klägers wirksam war. Aus Sicht des Gerichts stellte der Verstoß gegen die Compliance-Vorschriften an sich, d.h. unabhängig von dem eingetretenen Schaden, einen gravierenden Pflichtverstoß des Klägers dar, der die sofortige Beendigung des Dienstvertrags rechtfertigte.

Praxishinweis: Compliance als bedeutsamer Kernbereich der Geschäftsführertätigkeit 

 „Compliance“, d.h. die Einhaltung von Rechtsvorschriften sowie die Maßnahmen im Vorfeld dazu, durch die das rechtmäßige Verhalten von Unternehmensangehörigen sichergestellt und Gesetzesverstöße aktiv verhindert werden sollen, ist nicht nur in großen, börsennotierten Unternehmen, sondern zunehmend auch in mittelständischen und kleinen Betrieben ein wichtiges Thema. Die Schaffung eines Compliance-Systems ist dabei viel mehr als nur eine Unternehmensleitlinie und Möglichkeit, mit einem positiven und regeltreuen Unternehmensimage am Markt zu werben. Denn wie das Urteil des OLG Hamm gezeigt hat, ist ein Compliance-System für die Gesellschaft eine wirksame Absicherung gegen ein Fehlverhalten ihrer geschäftsführenden Organe. Denn bei Verstößen gegen Compliance-Richtlinien kann der Geschäftsführer nicht nur als Gesellschaftsorgan abberufen werden (was, wenn es nicht in der Satzung explizit anders geregelt ist, ohnehin jederzeit möglich ist), sondern auch das Dienstverhältnis kann (zu Recht) mit sofortiger Wirkung und ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden. Bereits deswegen ist die Bedeutung eines Compliance-Systems von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Ob eine Gesellschaft ein Compliance-System errichtet, liegt keineswegs im Belieben ihrer Gesellschafter und Geschäftsführer. Vielmehr kann – jedenfalls bei Aktiengesellschaften und GmbHs und je nach Art, Größe und Organisation des Unternehmens – die sog. Legalitätspflicht die Geschäftsführer und Vorstände zur Einrichtung und Überprüfung eines Compliance-Systems verpflichten. Das Unterlassen der Einrichtung ist sogar bußgeldbewehrt (§ 130 OWiG).

Dementsprechend sollten sich Gesellschafter und Geschäftsführer von Gesellschaften jeder Größe gleichermaßen aktiv mit der Frage „Compliance“ befassen und prüfen, ob und wie in ihrem Unternehmen die Umsetzung eines Compliance-Systems erfolgen kann. Wenn ein Compliance-System eingerichtet wird, sollte dies den Besonderheiten des betroffenen Unternehmens Rechnung tragen (z.B. einer aktiven Tätigkeit in Ländern, in denen Korruption verbreitet ist). Zuletzt sind insbesondere zur Vermeidung ihrer eigenen Haftung die geschäftsführenden Organe, aber ggf. darüber hinaus auch beaufsichtigende Organe (z.B. Aufsichtsräte oder Beiräte), dazu verpflichtet, auf die Einhaltung der Compliance-Vorschriften zu beachten und zu kontrollieren (z.B. durch stichprobenartige Überprüfungen eines eingerichteten Vier-Augen-Prinzips).

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