barbara mayer gesellschaftsrecht p.jpgjonas laudahn gesellschaftsrecht h.jpg

Reform des Deutschen Corporate Governance Kodex – Die Ruhe nach dem Sturm

Am 9. Mai 2019 wurde die Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex („DCGK“) – der „Benimmregeln“ für börsennotierte Gesellschaften – beschlossen. Von einigen beinahe schon revolutionären Änderungsvorschlägen, die in der Anfang November 2018 veröffentlichten ersten Entwurfsfassung der Neuauflage noch enthalten waren, blieb nach heftigem Protest aus den Chefetagen deutscher Unternehmen am Ende nicht mehr viel übrig. Nichtsdestotrotz ergeben sich für deutsche Unternehmen eine Reihe beachtenswerter Veränderungen. Diese betreffen zwar in erster Linie börsennotierte Gesellschaften, können aber auch für kleine Kapitalgesellschaften wie GmbHs relevant sein: Der DCGK beansprucht ausweislich seiner Präambel für sich, auch nicht kapitalmarkorientierten Gesellschaften als Richtschnur zu dienen.

Neue Struktur und Übersichtlichkeit

Die Neufassung des DCGK stand unter dem Motto „sharper and shorter“. Überflüssige Gesetzeswiederholungen sollten gestrichen und stattdessen der Fokus auf das Wesentliche gelegt werden. Das greifbare Ergebnis dieser Bemühungen sind rund 1/3 weniger Text als noch in der Vorgängerversion. Auch an der Übersichtlichkeit des Kodex wurde gearbeitet: Wo der DCGK 2017 aufgrund seiner Struktur mit bis zu drei Gliederungsebenen plus zum Teil mehr als fünf zusätzlichen Unterabsätzen zusehends Übersichtlichkeit einbüßte, gliedert sich der DCGK 2019 stringent. Unter sieben Hauptkapiteln werden zunächst die jeweiligen Essenzen wichtigster gesetzlicher Grundlagen in so genannten „Grundsätzen“ dargestellt und sodann um „Empfehlungen“ (bei denen eine Abweichung erklärungsbedürftig ist, „Comply-or-Explain“ s.u.) und „Anregungen“ (von denen ohne Begründung abgewichen werden kann) ergänzt.

Weiterhin Comply-or-Explain statt Apply-and-Explain

Der erste Entwurf des DCGK 2019 sah eine Neuerung vor, die in ihrer Reichweite alle sonstigen Anpassungen in den Schatten stellte: So sollte das bisher übliche „Comply-or-Explain“ Prinzip durch ein – ausländischen Kodizes angenähertes – „Apply-and-Explain“ Prinzip ergänzt werden. Danach wären Unternehmen verpflichtet gewesen, nicht nur Abweichungen vom Kodex zu erläutern, sondern auch im Falle der vollständigen Einhaltung aller Kodex-Empfehlungen die jeweils konkrete Umsetzung der Vorgaben detailliert darzustellen. Dagegen regte sich - schon wegen des zwangsläufig anfallenden Verwaltungsaufwandes - massiver Widerstand – mit der Folge, dass die Regierungskommission die Idee des „Apply-and-Explain“ verwarf und die entsprechenden Passagen aus dem Entwurf strich.

Vorstandsvergütungen

Weitreichende Änderungen enthält der neue DCGK im Bereich der Vorstandsvergütung. Die Unternehmen sind danach verpflichtet, für Vorstände so genannte „Zielgesamtvergütungen“ und „Maximalgesamtvergütungen“ festzulegen (Empfehlung G.1ff. DCGK 2019). Die Zielgesamtvergütung definiert, welches Gehalt der jeweilige Vorstand bei Erfüllung im Vorfeld festgelegter, kommerzieller Ziele erhält; die Maximalgesamtvergütung definiert hingegen den „Gehaltsdeckel“, der selbst bei Übererfüllung sämtlicher Erwartungen nicht überschritten werden darf. Die Festlegung der konkreten Höhe der Vergütung obliegt indes weiterhin vollumfänglich dem Aufsichtsrat des jeweiligen Unternehmens, wobei die angesetzte Vergütung für die jeweilige Branche angemessen sein muss (so genannter „Peer-Group-Vergleich“, Empfehlung G.3 DCGK 2019).

Neu ist außerdem, dass der Kodex auch zur Art der Vergütung Aussagen trifft: So soll sich diese aus festen und variablen (d.h. erfolgsbasierten) Bestandteilen zusammensetzen. Hinsichtlich der variablen Bestandteile soll dann zusätzlich zwischen kurz- und langfristig erreichbaren Zielen unterschieden werden, wobei die Vergütung für die Erreichung langfristiger Ziele in Aktien des Unternehmens ausgezahlt werden soll.

Vereinbarungen über Change-of-Control-Abfindungen, also von Vornherein festgelegte Zahlungen an Vorstände, die wegen eines Wechsels des Mehrheitsgesellschafters aus dem Unternehmen ausscheiden, sollen grundsätzlich nicht geschlossen werden (Ziff. G.14 DCGK 2019). Diese auf den ersten Blick verschärfte Regelung ist tatsächlich eher eine Lockerung gegenüber dem Kodex von 2017: Während der DCGK 2019 den generellen Verzicht auf Change-of-Control-Abfindungen lediglich als Anregung formuliert, von der ohne Weiteres abgewichen werden kann, war im DCGK 2017 noch eine Empfehlung enthalten, die einen Höchstbetrag für derartige Zahlungen vorsah (Ziff. . 4.2.3 (5) DCGK 2017). Ein solcher – bei Abweichungen begründungsbedürftiger – Höchstbetrag fehlt in der Neufassung.

Amtszeit von Vorständen

Neu ist die Regelung, wonach die Amtszeit der Vorstände bei ihrer erstmaligen Bestellung nur noch drei Jahre betragen soll (Empfehlung B.3 DCGK 2019). Vorgesehen waren bisher fünf Jahre (vgl. Ziff. 5.1.2 Unterabsatz 2, DCGK 2017). Die mit dieser „Probezeit“ verbundene schnellere Austauschmöglichkeit ermöglicht es Unternehmen, bei fachlicher oder persönlicher Ungeeignetheit neuer Vorstandsmitglieds schnell auf relativ geräuschlose Art zu reagieren.

Unabhängigkeit von Aufsichtsräten und Begrenzung von Mandaten

Erstmals nennt der DCGK Kriterien, die gegen die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseignerseite sprechen (Empfehlung C.7 DCGK 2019). Indikatoren gegen eine Unabhängigkeit sind beispielsweise eine Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat von mehr als 12 Jahren oder eine mit der Aufsichtsratstätigkeit in zeitlichem Zusammenhang (bis zu zwei Jahre) stehende, vorherige Tätigkeit als Vorstand derselben Gesellschaft. Soll eine Person trotz Erfüllung eines definierten Kriteriums dem Aufsichtsrat angehören, so muss die trotzdem gegebene Unabhängigkeit gesondert begründet werden (Empfehlung C.8 DCGK 2019).

Zusätzlich nimmt sich der DCGK 2019 des unter Aufsichtsratsmitgliedern nicht selten vorkommenden Phänomens des „Overboarding“, also der gleichzeitigen Mitgliedschaft in einer Vielzahl verschiedener Gremien, an. Die Höchstzahl der gleichzeitig ausgeübten Aufsichtsratsmandate liegt nun bei fünf; ein Aufsichtsratsvorsitz zählt hierbei doppelt (Empfehlung C.4 DCGK 2019). Wer parallel zur Aufsichtsratstätigkeit noch dem Vorstand einer anderen börsennotierten Gesellschaft angehört, darf maximal zwei Aufsichtsratsmandate wahrnehmen; eine Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender ist in diesem Fall nicht zulässig (Empfehlung C.5 DCGK 2019).

Inkrafttreten

Bis der DCGK 2019 tatsächlich gilt, wird allerdings noch etwas Zeit vergehen. So steht zunächst das Inkrafttreten des Gesetzeses zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) an. Da sich das ARUG II selbst bereits verzögert – die entsprechende EU-Richtlinie wäre bis zum 10.06.2019 in nationales Recht umzusetzen gewesen – wird der neue DCGK 2019 wohl nicht vor Herbst 2019 offiziell vom Bundesjustizministerium im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht und damit in Kraft treten.

Kontakt > mehr