Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung bei Ladungsmängeln
Über wenig wird in der gesellschaftsrechtlichen Praxis so häufig und intensiv gestritten wie über die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH. Umso wichtiger ist es, zerstrittenen Gesellschaftern im Rahmen der Einberufung und Durchführung einer Gesellschafterversammlung keine Angriffsfläche zu bieten. Das OLG München (Urteil vom 09.01.2019 – 7 U 1509/18) hat sich nun nicht nur zur Auslegung einer weit verbreiteten Standardklausel bezüglich der Versammlungsleitung, sondern auch zur Konkretisierung von Tagesordnungspunkten und den Rechtsfolgen einer nicht ordnungsgemäßen Ankündigung geäußert:
Organisation und Ablauf einer GmbH-Gesellschafterversammlung sind, abgesehen von ihrer Einberufung, gesetzlich nicht geregelt. Dies ist unproblematisch, solange alle Gesellschafter an einer einvernehmlichen Zusammenarbeit interessiert sind. In diesen Fällen bedarf es regelmäßig keiner steuernd eingreifenden Versammlungsleitung, insbesondere nicht bei Bestehen eines überschaubaren Gesellschafterkreises.
Weist der Gesellschafterkreis aber verhärtete Fronten, eine Gruppenbildung oder untereinander verstrittene Familienstämme auf, besteht aus Sicht aller Beteiligten ein erhebliches Interesse an einer effektiven Versammlungsleitung. Viele Gesellschaftsverträge sehen daher Regelungen zur Wahl oder Bestimmbarkeit eines Versammlungsleiters vor. Dabei findet sich häufig die Vorgabe, dass dies der dienstälteste Geschäftsführer sein soll.
Das OLG München hat eine entsprechende Klausel im Rahmen einer Beschlussanfechtung nun dahingehend ausgelegt, dass damit der dienstälteste anwesende Geschäftsführer gemeint sei. Eine am Wortlaut verharrende Auslegung würde nicht nur zu einer Erschwerung der Durchführung von Gesellschafterversammlungen führen, sondern demjenigen Gesellschafterstamm, der den dienstältesten Geschäftsführer stelle, eine Blockademöglichkeit in die Hand geben.
Streitig war im entschiedenen Fall ferner ein Gesellschafterbeschluss zur Entlastung der Geschäftsführung hinsichtlich eines Verkaufs der Anteile eines Tochterunternehmens. In der Einladung zur Gesellschafterversammlung war als Beschlussgegenstand lediglich die Bestätigung eines bereits vorher im Umlaufverfahren – unwirksam – getroffenen Zustimmungsbeschlusses, nicht aber die Entlastung der Geschäftsführer für die Durchführung der Transaktion, angegeben. Das OLG München hat hier einen Verstoß gegen § 51 Abs. 2 GmbHG angenommen, nach dem der Zweck der Versammlung jederzeit bei der Einberufung angekündigt werden soll.
Die angekündigte Tagesordnung muss – so das OLG München – die Beschlussgegenstände hinreichend konkretisieren, wobei weder eine genaue Formulierung der Beschlussanträge noch eine Begründung erforderlich ist. Um dem Schutzzweck des § 51 Abs. 2 GmbHG – Schutz aller Gesellschafter vor Überraschung und Überrumpelung – zu genügen, reicht es aus, wenn klar ist, was gemeint ist, sodass auch eine allgemeine Formulierung oder Bezugnahme auf frühere Versammlungen hinreichend sein kann. Immer jedoch muss sich der Empfänger ein so genaues Bild machen können, dass er weiß, worüber verhandelt und Beschluss gefasst werden soll und er sich hierauf vorbereiten könne.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang schließlich, dass das OLG München den Beschluss aufgrund des Verstoßes gegen § 51 Abs. 2 GmbHG nicht „nur“ für anfechtbar, sondern als nichtig ansieht und sich damit ausdrücklich gegen die herrschende Meinung in der Literatur stellt.
Anmerkung
Eine Klausel, wonach der dienstälteste Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung leiten soll, findet sich so oder so ähnlich in zahlreichen Gesellschaftsverträgen. Die Auslegung des OLG München, dass damit der dienstälteste anwesende Geschäftsführer gemeint sei, ist sehr nachvollziehbar und uneingeschränkt zu begrüßen.
Die Entscheidung verdeutlicht auch, wie wichtig eine sorgsame Formulierung der Beschlussgegenstände in der Einladung zu einer Gesellschafterversammlung ist. Zwar sind weder eine genaue Formulierung der Beschlussanträge noch eine Begründung erforderlich; einen Aspekt ganz auszusparen und erst in der Versammlung anzusprechen und dann darüber abzustimmen, genügt dem Überrumpelungsschutz des § 51 GmbHG jedoch nicht. Bei Missachtung droht nunmehr nicht „nur“ die fristgebundene Anfechtbarkeit des betreffenden Beschlusses, sondern dessen Nichtigkeit.
Fazit: Um Beschlussmängelstreitigkeiten zu vermeiden, sollte nicht nur bei der Durchführung einer Gesellschafterversammlung sorgsam vorgegangen werden, sondern bereits bei deren Einberufung.
20. Februar 2019