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Modellbezeichnung oder Marke?

In zahlreichen Branchen, insbesondere im Modesektor, erwarten die Kunden Produktnamen oder finden etwa ein Bekleidungsstück zumindest ansprechender, wenn es einen Namen trägt. Wenn man dabei einen Produktnamen wählt, den ein anderes Unternehmen bereits als Marke für Bekleidung hat schützen lassen, entsteht ein erhebliches rechtliches Risiko. In bestimmten Fällen kann man sich allerdings darauf berufen, dass der Produktname nur eine interne „Modellbezeichnung“ oder ein bloßes „Bestellzeichen“ sei. Der BGH hat kürzlich in einer Entscheidung praktisch äußerst relevante Ausführungen zur Abgrenzung von Modellbezeichnung und Marke gemacht.

Hintergrund

Der Unterschied zwischen einer Modellbezeichnung und einer Marke besteht darin, dass die Modellbezeichnung lediglich der Unterscheidung unterschiedlicher Bekleidungsstücke eines Herstellers dient, während Marken die Produkte verschiedener Hersteller voneinander abgrenzen. Man spricht insoweit von der sog. „betrieblichen Herkunftsfunktion“ einer Marke.

Ob ein bestimmtes Zeichen „als Marke“ verwendet wird und damit fremde Marken verletzen kann, entscheidet sich anhand des Verkehrsverständnisses. Ein Zeichen wird nur dann „als Marke“ benutzt, wenn es der Verkehr in der konkret benutzten Form zumindest auch als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen wahrnimmt. Die Schwelle zur markenmäßigen Benutzung wird dabei sehr niedrig angesetzt, sodass bereits die objektive, nicht völlig fernliegende Möglichkeit ausreicht, dass der Verkehr einen Herkunftshinweis annimmt. Nur in Fällen, in denen ein Zeichen zweifelsfrei nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst wird, liegt kein markenmäßiger Gebrauch vor.

In der Modebranche gibt es eine verbreitete Praxis, Vornamen als Modellbezeichnungen zu benutzen. Ob dies dazu führt, dass die Verbraucher einen für Bekleidungsstücke verwendeten Vornamen als Modellbezeichnung oder als Marke wahrnehmen, ist aber auch hier in jedem Einzelfall anhand der konkreten Verwendungsform zu beurteilen.

Entscheidung des BGH vom 7. März 2019 "SAM"

Die Klägerin ist Inhaberin der Marke „Sam“, die für Bekleidungsstücke eingetragen ist. Die Beklagte hatte im Internet Jeanshosen angeboten und im Rahmen der Produktbeschreibung die beworbene Hose als „Modell: Sam“ bezeichnet. Hiergegen richtete sich die Klägerin mit einer Unterlassungsklage, mit der sie in erster und zweiter Instanz erfolgreich war.

Der BGH hob das Urteil auf und verwies die Sache für weitere Tatsachenfeststellungen zurück. Eine Regel, wonach ein normal unterscheidungskräftiges Zeichen in der Regel als Marke wahrgenommen werde, lehnte der BGH dabei ab. Er stellte fest, dass die markenmäßige Wahrnehmung eines Zeichens stets unter Berücksichtigung der Gestaltung des Gesamtangebots positiv festzustellen sei. Ob die Verbraucher „Modell: Sam“ in der konkret benutzten Form als Marke oder als reine interne Modellbezeichnung wahrnehmen, müsse deshalb intensiver beleuchtet werden, als dies die Instanzgerichte getan hatten.

Entscheidung des BGH vom 11. April 2019 „MO“

Kurz nach der Entscheidung „Sam“ hatte der BGH die Gelegenheit, seine Ausführungen zur Abgrenzung von Modellbezeichnung und Marke weiter zu konkretisieren. In diesem Fall ging es um die Frage der markenmäßigen Benutzung des Zeichens „MO“ im Rahmen der Produktbeschreibung „Bench Damen Hose MO“. Anders als im zuvor entschiedenen Fall fehlte es also an dem konkreten Hinweis „Modell“ und zudem handelte es sich um die Überschrift des Angebotes und nicht lediglich um einen klein abgedruckten Hinweis im Rahmen der Produktbeschreibung. Letztlich ist „MO“ sicherlich auch kein gängiger Vorname.

Nach bislang ständiger Rechtsprechung und selbst nach dem Urteil in Sachen „Sam“ war deshalb im Fall „MO“ von einer markenmäßigen Benutzung auszugehen. Der BGH hat dagegen auch in diesem Fall die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und eine eingehendere Befassung mit der Frage angemahnt, ob die Verbraucher das Zeichen „MO“ in der Produktüberschrift „Bench Damen Hose MO“ als betrieblichen Herkunftshinweis oder nur als interne Modellbezeichnung wahrnehmen. In den Urteilsgründen lässt der BGH überraschenderweise Zweifel daran erkennen, dass die Verbraucher in der Kennzeichnung eines Produktes, die aus einer Hersteller- („Bench“) und Produktbezeichnung („MO“) besteht, auch in letzterer einen Herkunftshinweis sieht. Dies war bislang vor dem Hintergrund der im Bekleidungsbereich verbreiteten Verwendung von Erst- und Zweitmarken weitgehend unbestritten.

Anmerkung

Es ist zu begrüßen, dass der BGH eine intensivere Befassung mit der Frage der markenmäßigen Benutzung fordert. Gerade bei der Verwendung im Internet war die Rechtsprechung an dieser Stelle in der Vergangenheit sehr großzügig und hat auch in solchen Fällen zu Gunsten des Markeninhabers entschieden, in denen die Benutzung "als Marke" eher zweifelhaft war. Dies wird sich in dieser Form wohl nicht aufrechterhalten lassen.

Zu begrüßen ist die Klarstellung des BGH auch deshalb, da sich bei der Frage der markenmäßigen Benutzung eine unterschiedliche Entscheidungspraxis der Gerichte entwickelt hatte. Es bleibt abzuwarten, wie die Entscheidungen „SAM“ und „MO“ von den Instanzgerichten rezipiert werden. In jedem Fall bestehen nun für die Hersteller und insbesondere für Online-Händler deutlich bessere Möglichkeiten, zu argumentieren, dass ein von Ihnen in der Produktbezeichnung verwendetes Zeichen gar nicht „als Marke“ wahrgenommen werde und somit keine Markenverletzung vorliege.

Anbieter, die auf der Suche nach Produktnamen sind, sind nur dann auf der sicheren Seite, wenn sie diesen als eigene Marke schützen lassen. Dies kann aber je nach Anzahl der Produkte mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden sein. Auf vergleichsweise sicherem Boden bewegt man sich im Bekleidungsbereich, wenn man häufig vorkommende Vornamen benutzt und diese mit dem Zusatz „Modell“ als Modellbezeichnung kennzeichnet.

Zu beachten ist in jedem Fall, dass die Modellbezeichnung nur im Internet, in Katalogen etc. benutzt werden sollte und nicht in oder an dem Bekleidungsstück selbst, da bspw. bei der Abbildung der Modellbezeichnung auf Etiketten ein Verbraucherverständnis als Marke deutlich näher liegt. Außerdem lässt sich im Streitfall die Verletzungshandlung sehr viel leichter abstellen, wenn sich die Bezeichnung nicht am oder im Kleidungsstück befindet.

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