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Legitimationswirkung der Gesellschafterliste bei eingezogenen Geschäftsanteilen

Als Gesellschafter einer GmbH gilt derjenige, der in die Gesellschafterliste eingetragen ist – und zwar auch wenn die Geschäftsanteile bereits eingezogen wurden. Dies bestätigte nun der BGH und ruft damit erneut in Erinnerung, dass die GmbH-Gesellschafterliste keine bloße Formalie, sondern von erheblicher Bedeutung für die Frage ist, wer zur Ausübung von Gesellschafterrechten befugt ist.

Hintergrund

Der Kläger war Gesellschafter der Beklagten, einer GmbH, und hielt an dieser ursprünglich Geschäftsanteile im Nennbetrag von EUR 102.000; dies entsprach 51% des Stammkapitals der Beklagten. Die übrigen Geschäftsanteile im Nennbetrag von EUR 98.000 (49%) hielt ein Mitgesellschafter des Klägers.

Ein Teil der Geschäftsanteile des Klägers im Nennbetrag von EUR 40.000 (20%) wurde aus wichtigem Grund eingezogen; dem Kläger verblieben damit nur noch Geschäftsanteile im Nennbetrag von EUR 62.000. Mit seiner gegen die Einziehung gerichteten Klage blieb der Kläger erfolglos. Nach Erlass des Urteils wurde eine neue Gesellschafterliste für die Beklagte beim Handelsregister eingereicht, in welcher die Einziehung der klägerischen Geschäftsanteile vermerkt war.

Nach der Einziehung eines Teils seiner Geschäftsanteile, jedoch noch vor Hinterlegung der entsprechend geänderten Gesellschafterliste, fand eine Gesellschafterversammlung der Beklagten statt. An dieser nahmen der Kläger und sein Mitgesellschafter teil. Bei der Beschlussfassung wurden die Stimmen des Mitgesellschafters mit EUR 98.000 und die Stimmen des Klägers – aufgrund der zuvor erfolgten Einziehung – nur mit EUR 62.000 gezählt. Infolgedessen überstimmte der Mitgesellschafter des Klägers ihn bei der Fassung verschiedener Beschlüsse. Die gegen diese Beschlüsse erhobene Klage des Klägers war in zweiter Instanz teilweise erfolgreich. Dagegen legten sowohl der Kläger als auch die Beklagte Revision beim BGH ein.

Das Urteil des BGH vom 20.11.2018, Az. II ZR 12/17

Der BGH bestätigte in weiten Teilen die Auffassung der Vorinstanzen zur Nichtigkeit der ergangenen Gesellschafterbeschlüsse. Er nahm außerdem detailliert zur Legitimationswirkung der Gesellschafterliste nach § 16 Abs. 1 GmbHG Stellung und stellte klar, dass diese auch bei eingezogenen Geschäftsanteilen Anwendung findet.

Anmerkung

Die Gesellschafterliste bei der GmbH ist keine bloße Formalie, sondern für die Frage, wer in der GmbH die Gesellschafterrechte ausüben darf, von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Dies in § 16 Abs. 1 GmbHG ausdrücklich geregelt: danach gilt immer derjenige als Gesellschafter einer GmbH, der als solcher in die in das Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste eingetragen ist (sog. Legitimationswirkung der Gesellschafterliste). Auch wenn eine in die Gesellschafterliste eingetragene Person zwar materiell-rechtlich nicht mehr Inhaber des Geschäftsanteils ist (z.B. nach einer Anteilsübertragung), gilt sie daher bis zur Hinterlegung einer aktualisierten Gesellschafterliste im Handelsregister formell weiterhin als Gesellschafter und kann die entsprechenden Gesellschafterrechte wahrnehmen.

Dies gilt – wie der BGH klargestellt und bestätigt hat – auch für den Fall der Einziehung. Der Gesellschafter, dessen Geschäftsanteile eingezogen wurden, kann damit trotz der Einziehung noch die Gesellschafterrechte aus den eingezogenen Anteilen wahrnehmen (d.h. insbesondere an Gesellschafterversammlungen teilnehmen und dort das Stimmrecht ausüben), bis eine neue Gesellschafterliste hinterlegt wurde.

Für die betroffene Gesellschaft ist dies vor allem dann unbefriedigend, wenn die Geschäftsanteile aus wichtigem Grund (z.B. aufgrund erheblicher Pflichtverletzungen des Gesellschafters) eingezogen wurden und sie den Gesellschafter so schnell wie möglich aus ihrem Gesellschafterkreis entlassen und von Entscheidungen über die Gesellschaftspolitik ausschließen möchte. Die Gesellschaft bzw. die hierfür zuständigen Geschäftsführer werden in solchen Fällen folglich alles daran setzen, so schnell wie möglich eine aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Dabei sollten sie unbedingt auf die Einhaltung der für Gesellschafterlisten geltenden Formalia achten, um eine Zurückweisung der Gesellschafterliste durch das Registergericht und daraus resultierende ungewünschten Verzögerungen bei der Hinterlegung der neuen Gesellschafterliste zu vermeiden. Die Einreichung der neuen Gesellschafterliste können (und müssen) die Geschäftsführer übrigens auch dann veranlassen, wenn der zugrundeliegende Einziehungsbeschluss vom betroffenen Gesellschafter gerichtlich angefochten wurde (außer wenn ihnen bekannt oder eindeutig erkennbar ist, dass die Einziehung der Geschäftsanteile rechtswidrig war).

Diese Möglichkeit, eine aktualisierte Gesellschafterliste trotz einer anhängigen Klage gegen den zugrundeliegenden Einziehungsbeschluss einzureichen, schützt zwar die Gesellschaft, birgt für den von der Einziehung betroffenen Gesellschafter jedoch ein Risiko. Denn wird auf seine Klage hin im Nachhinein festgestellt, dass die Einziehung unrechtmäßig war, verliert er durch die Einreichung einer neuen, die Einziehung ausweisende Gesellschafterliste (vorerst) die Möglichkeit, die ihm eigentlich zustehenden Gesellschafterrechte auszuüben. Um sich vor den daraus resultierenden Negativfolgen zu schützen, steht dem Gesellschafter ein Vorgehen im einstweiligen Rechtsschutz offen; denn wie zuletzt das KG Berlin bestätigt hat (Urteil vom 09.11.2017 (Az. 23 U 67/15)), kann die Einreichung einer (ggf.) unrichtigen Gesellschafterliste im Wege der einstweiligen Verfügung zum Schutze des Gesellschafters untersagt werden.

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