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Keine Rückforderung von Zahlungen, die der Arbeitgeber entgegen dem Begünstigungsverbot an Betriebsratsmitglieder geleistet hat

Betriebsratsmitglieder dürfen wegen ihrer Betriebsratstätigkeit vom Arbeitgeber weder benachteiligt noch begünstig werden. Verstößt der Arbeitgeber dagegen und leistet Zahlungen an ein Betriebsratsmitglied entgegen dieses Begünstigungsverbots, kann er die Zahlungen dennoch nicht zurückfordern. Denn Zweck des Begünstigungsverbots sei zwar nicht, dass das Betriebsratsmitglied das verbotswidrig erlangte höhere Entgelt behalten könne, aber eben auch nicht, dass der Arbeitgeber Betriebsratsmitglieder „gefahrlos“ begünstigen kann, weil er weiß, dass er ggf. das zu viel gezahlte Entgelt zurückerhalte. Dies hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) in seinem Urteil vom 17.04.2019 entschieden (Az. 7 Sa 1065/18).

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Höhe der Vergütungsansprüche, die dem Kläger als freigestelltes Mitglied des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats zustehen. Der Kläger war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten seit dem Jahr 2002 Betriebsratsmitglied. Mit Änderungsvertrag vom 20.02.2013 vereinbarten die Parteien, dass der Kläger ab März 2013 die Aufgaben eines Abteilungsleiters übernahm und deshalb in die Entgeltgruppe 13 des einschlägigen Tarifvertrags eingruppiert werde, sowie dass ab dem 01.01.2014 eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 14 erfolgen solle. Wegen arbeitsrechtlicher Pflichtverletzungen des Klägers vereinbarten die Parteien am 15.11.2013 in einer weiteren Änderungsvereinbarung die Änderung des Aufgabengebietes des Klägers und eine daraus folgende Eingruppierung in die geringer vergütete Entgeltgruppe 11. Ab dem Jahr 2014 wä der Kläger als Betriebsratsvorsitzender freigestellt nach § 38 BetrVG. In einem Vermerk vom 18.03.2015 mit der Überschrift „Entgeltregelung für die freigestellten Betriebsratsmitglieder der MVW“ wurde vorgeschlagen, den Kläger mit Wirkung ab dem 01.04.2015 in die höher vergütete Entgeltgruppe 14 einzugruppieren. Der durch den Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten und andere Personen unterzeichnete Vermerk begründete den Vorschlag mit einer betriebsüblichen Entwicklung und den Kenntnissen, die der Kläger im Rahmen der Betriebsratstätigkeit erworben habe. Ab April 2015 wurde der Kläger nach der Entgeltgruppe 14 vergütet.

Die Beklagte überprüfte im Jahr 2018 die Eingruppierung des Klägers und teilte am 12.03.2018 dem Kläger mit, er sei zu Unrecht in die Entgeltgruppe 14 eingruppiert, es bestehe lediglich Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 11. Seit April 2018 zahlt die Beklagte dem Kläger eine Vergütung lediglich nach Entgeltgruppe 11.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Differenz zwischen einer Vergütung nach Entgeltgruppe 11 und einer Vergütung nach Entgeltgruppe 14. Die Beklagte beantragt widerklagend die Rückzahlung der Differenzvergütung zwischen diesen beiden Entgeltgruppen für den Zeitraum von Oktober 2017 bis März 2018. Das Arbeitsgericht hat sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen, die Berufungen beider Parteien blieben beim LAG erfolglos.

Entscheidungsgründe

Das LAG sieht keinen Anspruch des Klägers auf die höhere Vergütung. Ein solcher ergebe sich aus der Änderungsvereinbarung vom 20.02.2013 bereits deshalb nicht, weil diese vollständig von der Vereinbarung vom 15.11.2013 abgelöst worden sei. Die erfolgte Höhergruppierung aufgrund des Vermerks vom 18.03.2015 sei wegen Verstoßes gegen das Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG nach § 134 BGB nichtig. Nach § 78 S. 2 BetrVG dürfen Betriebsratsmitglieder und Mitglieder anderer Arbeitnehmervertretungen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden, was auch für ihre berufliche Entwicklung gilt. Nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG beurteile sich dies nach der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer. Eine solche Entwicklung über immerhin 3 Entgeltgruppen hinweg habe der Kläger nicht darlegen können. Ferner ergebe sich dies daraus, dass in dem Vermerk vom 18.03.2015 auf die Leistungen des Klägers als Betriebsratsmitglied abgestellt werde. Dies sei kein zulässiges Kriterium.

Dem Rückzahlungsanspruch der Beklagten, den diese mit ihrer Widerklage geltend macht, stehe § 817 S. 2 BGB entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die Rückforderung u.a. dann ausgeschlossen, wenn dem Leistenden – vorliegend der Beklagten – ebenfalls ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zur Last fällt. Dies sei der Fall, weil auch die Beklagte mit der überhöhten Zahlung nach Entgeltgruppe 14 gegen das gesetzliche Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG verstoßen habe. Zwar entspreche es nicht dem Sinn und Zweck des Begünstigungsverbots, dass das Betriebsratsmitglied das verbotswidrig erlangte höhere Entgelt behalte. Ebenso wenig entspreche es aber dem Sinn und Zweck des Begünstigungsverbots, dass der Arbeitgeber „gefahrlos“ begünstigen kann, weil er weiß, dass er ggf. das zuviel gezahlte Entgelt zurückerhalte.

Hinweis für die Praxis

Das LAG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage die Revision zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG die Gelegenheit erhält, diese umstrittene Frage nun zu klären. Zwar ist höchstrichterlich geklärt, dass nach § 78 S. 2 BetrVG unzulässige Begünstigungen nach § 134 BGB nichtig sind. Umstritten ist aber, ob der Arbeitgeber in derartigen Fällen einen Anspruch auf Rückzahlung des Betrags haben kann, der unter Verstoß gegen das Begünstigungsverbot geleistet wurde.

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