jan henning martens gesellschaftsrecht 3.jpgjohanna hennighausen gesellschaftsrecht h.jpg

Kann ein Vertretungsmangel einer Gesellschaft vor Gericht noch geheilt werden?

Ist eine Gesellschaft vor Gericht nicht ordnungsgemäß vertreten und eine Klage dadurch unzulässig, muss laut OLG Hamm der Gesellschaft ausreichend Zeit zur Heilung des Vertretungsmangels – hier durch Nachholung eines Gesellschafterbeschlusses – bleiben.

Hintergrund

Die klagende Kommanditgesellschaft (KG) war ein Immobilienfonds mit einem Komplementär und ca. 4.500 Kommanditisten, darunter auch die Beklagte. Nach einer angeblich von der Beklagten initiierten und von ihr maßgeblich gesteuerten Rufmordkampagne gegen die KG und ihren Komplementär klagte die KG – vertreten durch ihren Komplementär – vor dem LG gegen die Kommanditistin auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht.

Vor dem LG wies das Gericht den Kläger auf Zweifel an der Zulässigkeit der Klage hin und gewährte dem Kläger eine 10-tägige Frist zur Stellungnahme. Da der Komplementär als Vertreter der KG nicht durch förmlichen Gesellschafterbeschluss vorab zur Klageerhebung gegen die beklagte Mitgesellschafterin ermächtigt worden sei, fehle es an einer wirksamen Vertretung der Gesellschaft vor Gericht. Die Klage sei daher unzulässig. Auch sei ein solcher Gesellschafterbeschluss erforderlich gewesen, da es sich bei der vorliegenden Klageerhebung um ein "außergewöhnliches Geschäft" gehandelt habe. In der Folge wies das LG die Klage durch Prozessurteil als unzulässig ab.

Die KG holte die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung nach und wandte sich gegen das erstinstanzliche Urteil mit der Berufung zum OLG Hamm.

Das Urteil des OLG Hamm vom 19.11.2018, Az. 8 U 41/18

Zwar bestätigte das OLG Hamm, dass für die wirksame Klageerhebung ein vorheriger Gesellschafterbeschluss erforderlich gewesen sei. Gleichwohl hob das OLG das erstinstanzliche Urteil auf und wies den Rechtsstreit an das LG zurück.

Das OLG stellte zunächst klar, dass die grundsätzlich gegenüber Dritten unbeschränkte Vertretungsmacht des Komplementärs nicht für den Rechtsverkehr zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern gelte. Nur der Handelsverkehr nach außen erfordere aus Gründen der Rechtssicherheit eine unbeschränkte Vertretungsbefugnis. Die Gesellschafter selbst bedürften eines solchen Schutzes gerade nicht. Für „solche Dritte“ – die Gesellschafter – ist das Fehlen eines intern notwendigen Gesellschafterbeschlusses (in der Regel) daher irrelevant; bei Kenntnis der Zustimmungsbedürftigkeit kann es anders sein. Das gelte dementsprechend auch in Verfahren, in denen die Gesellschaft gegen einen Gesellschafter klagt und der Gesellschaftsvertrag für diesen Fall die vorherige Ermächtigung durch einen Gesellschafterbeschluss vorsehe.

Vorliegend war laut Satzung die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung für Rechtshandlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen oder von besonderer Bedeutung sind, erforderlich (sog. außergewöhnliche Geschäfte). Für die Frage, ob ein außergewöhnliches Geschäft vorliege, seien – so das OLG – insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: (1) der Inhalt des Gesellschaftsvertrags, (2) Art und Umfang der Gesellschaft, (3) die bisherige Entscheidungspraxis in der Gesellschaft sowie (4) Art, Größe, Bedeutung und Risiko des Geschäfts für den konkreten Betrieb. Das Geschäft müsse also Ausnahmecharakter haben. Unter Beachtung dieser Kriterien handele es sich entgegen der klägerischen Ansicht vorliegend um ein außergewöhnliches und damit zustimmungspflichtiges Geschäft: Insbesondere mit Blick auf die der Beklagten vorgeworfenen massiven Verfehlungen im Wege des Rufmordes gegen die KG und den Komplementär und der zur Durchführung des Prozesses notwendigen Offenlegung zahlreicher interner Daten und Informationen sei es der Gesellschafterversammlung vorbehalten gewesen, über die Einleitung des Prozesses und die damit einhergehenden Konsequenzen (große mediale Aufmerksamkeit, negative Schlagzeilen) zu entscheiden.

Der mangels Gesellschafterbeschluss vorliegende Vertretungsmangel sei jedoch durch Nachholen des Beschlusses geheilt worden. Das LG hätte der KG zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ausreichend Gelegenheit zur Beschlussnachholung geben müssen. Daher war eine Korrektur des Vertretungsmangels auch noch möglich.

Anmerkung

Das OLG Hamm bekräftigt mit seinem Urteil die strikte Beachtung zivilprozessualer Grundsätze gleich in zweierlei Richtung: zu Ungunsten des Klägers (Erfordernis der Prozessfähigkeit) und zu seinen Gunsten (Beachtung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG).

Zunächst stellt das Gericht klar, dass eine Partei zur wirksamen Klageerhebung prozessfähig sein muss, d.h. sie muss fähig sein, vor Gericht zu stehen und sich eigenverantwortlich zu äußern. Bei Gesellschaften bedarf es hierfür einer wirksamen Vertretung durch den Geschäftsführer (Grundsatz der Prozessfähigkeit).

Bestehen jedoch Zweifel an einer wirksamen Vertretung, hat das Gericht der Partei einen Hinweis zu geben, dass diese für eine ordnungsgemäße Vertretung zu sorgen habe. Vor Abweisung der Klage aufgrund mangelnder Vertretung müsse der Partei daher die nötige Zeit eingeräumt werden, den Fehler zu korrigieren (Beachtung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör).

Möchte eine Personengesellschaft gegen einen Mitgesellschafter gerichtlich vorgehen, sollte sie dennoch vorher sorgfältig prüfen, ob es zur Klageerhebung eines vorherigen Gesellschafterbeschlusses bedarf. Hier dürfte neben der Satzung auch § 164 HGB zu beachten sein, wonach Kommanditisten für außergewöhnliche Geschäfte eine Zustimmungspflicht haben.

Im Gegensatz zu Personengesellschaften (insb. GbR, OHG und KG) führt bei einer GmbH ein Vertretungsmangel infolge eines fehlenden Gesellschafterbeschlusses zur Inanspruchnahme eines Gesellschafters nicht zu einer Klageabweisung als unzulässig, sondern als unbegründet. Hintergrund sei – so die Rechtsprechung des BGH –, dass dem Beschlusserfordernis bei der GmbH (§ 46 Nr. 8 GmbHG) Außenwirkung zukomme. Die Gesellschafter einer GmbH sollten verbindlich über Ersatzansprüche und deren Durchsetzung entscheiden können. Auf diese Weise solle verhindert werden, dass die GmbH ohne den Willen ihrer Gesellschafter in Streitigkeiten verwickelt werde. Liege kein Beschluss gem. § 46 Nr. 8 GmbHG vor, so begründe dies grundsätzlich einen Einwand gegen den Anspruch selbst. Das Gericht habe die Klage dann als unbegründet abzuweisen, wenn nicht der Beschluss im Laufe des Prozesses nachgeholt wurde.

Kontakt > mehr