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Insolvenzverfahren: Befugnisse des Aufsichtsrats in der Eigenverwaltung

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht im Regelfall nach § 80 InsO die Befugnis, das Vermögen des Schuldners zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Seit nunmehr 20 Jahren sieht das Insolvenzrecht mit der in §§ 270 ff. InsO geregelten Eigenverwaltung aber auch ein Verfahren vor, dass es dem Schuldner gestattet, das Insolvenzverfahren unter Aufsicht eines Sachwalters eigenverantwortlich zu betreiben. Sinn und Zweck der Eigenverwaltung ist die Nutzung des ggf. vorhandenen unternehmerischen Know-hows im Rahmen der Unternehmenssanierung.

Die Anordnung der Eigenverwaltung ändert nichts am Bestand der Organe einer juristischen Person. § 276a S. 1 InsO schließt die Überwachungsorgane (Aufsichtsrat, GmbH-Gesellschafterversammlung) zwar sowohl von unmittelbaren Einwirkungen auf die Geschäftsleitung (Weisungen) als auch mittelbaren Einwirkungen und Vorbereitungshandlungen (Informationsverlangen) aus. Dieser Ausschluss umfasst jedoch nur Maßnahmen, die sich auf die Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse beziehen. Maßnahmen, die dem insolvenzfreien Bereich zuzuordnen sind, bleiben weiterhin zulässig. In diesem Bereich sind die Rechte und Pflichten der Gesellschaftsorgane unverändert.

Möglich bleiben bspw. Anmeldungen zum Handelsregister wie die Eintragung einer Kapitalerhöhung oder die Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung, die die Mitglieder des Aufsichtsrats wählt. Ferner verbleibt die Kompetenz zur Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung auch nach Anordnung der Eigenverwaltung bei der Gesellschafterversammlung bzw. dem Aufsichtsrat ­– wenn auch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Sachwalters.

Das OLG München hat nun die Rechte der Überwachungsorgane (im entschiedenen Fall eines AG-Aufsichtsrats) zur Einflussnahme im insolvenzfreien Bereich gestärkt. Das Gericht stellt klar, dass § 276a S. 1 InsO Auskunftsbegehren des Aufsichtsrats im insolvenzfreien Bereich nicht hindert. In dem entschiedenen Fall hatte der Aufsichtsrat vom Vorstand zur Vorbereitung von Beschlussempfehlungen für die Hauptversammlung Einsicht in Geschäftsunterlagen gefordert. Geplante Tagesordnungspunkte waren die Bestellung eines Sonderprüfers u.a. zur Vergütung des Vorstands oder der Vertrauensentzug gegenüber Vorstandsmitgliedern. Da diese Beschlussgegenstände dem insolvenzfreien Bereich zuzuordnen seien, könne der Aufsichtsrat hierzu Beschlussvorschläge machen und insoweit auch seine Informationsrechte nach § 90 Abs. 3 AktG gegenüber dem Vorstand ausüben.

Gleiches gilt hinsichtlich der Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung. Zur Ausübung dieses dem Aufsichtsrat auch in der Eigenverwaltung verbleibenden Rechts kann er – unabhängig von einer in Aussicht genommenen Hauptversammlung – auch weiterhin die ihm eingeräumten Informationsrechte gegenüber der Geschäftsleitung einfordern.

Anmerkung

Das OLG München stellt zu Recht fest, dass § 276a InsO Ausdruck der gesetzgeberischen Entscheidung ist, auch den Aufsichtsrat in der Insolvenz nicht völlig auszuschalten.

Dem Aufsichtsrat ist es grundsätzlich auch in der Eigenverwaltung unbenommen, nach § 124 Abs. 3 S. 1 AktG zu denjenigen Punkten der Tagesordnung der Hauptversammlung Vorschläge zur Beschlussfassung zu unterbreiten, die inhaltlich dem insolvenzfreien Raum zuzuordnen sind. Hierzu zählt namentlich auch die Bestellung von Sonderprüfern.

In der Konsequenz kann der Aufsichtsrat – zur Vorbereitung dieser Vorschläge – auch Informationsrechte aus § 90 Abs. 3 AktG gegenüber dem Vorstand ausüben. Dass der Aufsichtsrat dadurch auch Informationen vom Vorstand verlangen kann, die gleichzeitig in inhaltlichem Zusammenhang mit der Geschäftsführung stehen, von deren Überwachung der Aufsichtsrat in der Insolvenz ausgeschlossen ist, ist Folge der gesetzgeberischen Entscheidung, dem Aufsichtsrat in der Insolvenz nicht jegliche Kompetenz zu nehmen.

Die Wertungen der Entscheidung lassen sich ohne Weiteres auch auf die GmbH und die Einsichtsrechte der Gesellschafter nach § 51a GmbHG übertragen.

Fazit: Die Überwachungsorgane können auch im Rahmen der Eigenverwaltung etwa durch den Austausch der Geschäftsleitung weiter Einfluss auf die Gesellschaft nehmen und hierzu von ihrem Einsichts- und Informationsrecht uneingeschränkt Gebrauch machen.

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