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Haftung des faktischen Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG analog

Wenn der Leiter einer GmbH seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt, muss er dieser die entstandenen Schäden ersetzen – und zwar unabhängig davon, ob er organschaftlich zum Geschäftsführer bestellt wurde oder die GmbH ohne eine solche Bestellung nur faktisch leitet. So hat es jüngst das OLG München bestätigt. Für betroffene Gesellschaften begründet dieses Urteil eine weitere Möglichkeit zur Schadloshaltung bei Pflichtverletzungen ihrer Geschäftsleiter – für die faktischen Geschäftsführer selbst ein Haftungsrisiko.

Der Hintergrund

Die Klägerin ist eine GmbH. Obgleich sie eine Geschäftsführerin hatte, wurde sie faktisch von ihrem – inzwischen verstorbenen – Prokuristen geführt. Dieser überwies ohne rechtlichen Grund mehrfach Beträge in fünfstelliger Höhe vom Geschäftskonto der Klägerin an sich selbst. Nachdem der Prokurist verstorben war, nahm die Klägerin unter anderem seine Erben auf Rückzahlung dieser Beträge bzw. Schadensersatz in Anspruch. Der Prokurist sei ihr faktischer Geschäftsführer gewesen und er (bzw. seine Erben als seine Rechtsnachfolger) hafte deswegen nach der für Geschäftsführer geltenden Regelung des § 43 Abs. 2 GmbHG für die durch die Überweisungen vom Geschäftskonto der Klägerin entstandenen Schäden. In der ersten Instanz blieb die Klägerin mit dieser Argumentation erfolglos.

Die Entscheidung des OLG München vom 23.01.2019 (Az. 7 U 2282/17)

Das OLG München hingegen bestätigte die Auffassung der Klägerin, dass der Prokurist faktischer Geschäftsführer gewesen sei und deswegen für die bei der Klägerin entstandenen Schäden (in Form der Überweisungen an sich selbst und die in seinem Alleineigentum stehende Gesellschaft) nach der Vorschrift des § 43 Abs. 2 GmbHG hafte. Er (bzw. nach seinem Tod seine Erben) sei daher zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe der zu Unrecht vom Geschäftskonto der Klägerin überwiesenen Beträge verpflichtet.

Der Praxishinweis: Haftungsrisiken für faktische Geschäftsführer

Der Geschäftsführer einer GmbH ist zur ordentlichen Unternehmensleitung verpflichtet und haftet – wenn er diesen Pflichten schuldhaft nicht gerecht wird – gegenüber der GmbH für alle daraus entstandenen Schäden (§ 43 Abs. 2 GmbH). Dies gilt – wie das Urteil des OLG München erneut in Erinnerung ruft – auch für faktische Geschäftsführer, d.h. für Personen, die zwar nicht formell zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt wurden, sich aber wie ein solcher verhalten.

Die Argumentation des OLG München, die auch von einigen anderen Oberlandesgerichten geteilt wird, erleichtert es erheblich, bei Pflichtverletzungen Schadensansprüche gegen einen faktischen Geschäftsführer geltend zu machen. Denn ohne eine analoge Anwendung des § 43 Abs. 2 GmbHG würden Schadensersatz- oder Rückzahlungsansprüche gegen einen faktischen Geschäftsführer häufig nur bestehen, wenn mit diesem auch ein Anstellungsvertrag abgeschlossen wurde oder er selbst die schädigenden Zahlungen vereinnahmt hat (was die Möglichkeit, einen faktischen Geschäftsführer in Anspruch zu nehmen, wesentlich einschränken würde). Dies ist nicht immer der Fall.

Für Personen, die entscheidend in die Unternehmensleitung einer GmbH eingebunden sind, ohne deren (organschaftlich bestellter) Geschäftsführer zu sein, ist das Urteil des OLG München umgekehrt ein guter Anlass für die Überprüfung der eigenen Tätigkeit auf Haftungsrisiken. Besonders diejenigen, die mit Wissen der Gesellschafter im laufenden Geschäft der GmbH nach außen hin wie ein Geschäftsführer auftreten, sollten prüfen, ob sie im Einzelfall als faktischer Geschäftsführer anzusehen sind und sich daraus für sie bislang unbekannte Haftungsrisiken ergeben (neben der Haftung für Schäden aufgrund von Pflichtverletzungen haften faktische Geschäftsführer nämlich beispielsweise auch für Zahlungen der GmbH nach Eintritt der Insolvenzreife gemäß § 64 Satz 1 GmbHG).

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