sabine schroeter arbeitsrecht 3.jpgelina letiy arbeitsrecht h.jpg

Fristlose Kündigung wegen Verdachts einer Unterschlagung

Auch das seit über 30 Jahren bestehende Arbeitsverhältnis schützte einen Pförtner bei der Polizei nicht vor einer fristlosen Kündigung wegen des Verdachts von Unterschlagung eines 100-Euro-Scheins. Das LAG Düsseldorf hat im Urteil vom 28.06.2019 (AZ. 6 Sa 994/18) die Wirksamkeit der fristlosen Verdachtskündigung bestätigt.

Sachverhalt

Der Kläger war seit dem 19.01.1987 bei dem beklagten Land beschäftigt und zuletzt auf der Pförtnerstelle einer Polizeidienststelle eingesetzt. Am 22.12.2017 wurde ihm während seines Dienstes von einer ihm nicht bekannten Frau mitgeteilt, dass diese einen 100-Euro-Schein gefunden habe. Ob er den Geldschein angenommen hat, war zwischen den Parteien streitig. Ein Eingang war weder in den Asservatenschränken noch im Vorgangsbearbeitungssystem vermerkt. Noch am gleichen Tag wandte sich die Finderin mit einer E-Mail an die Poststelle des beklagten Landes. Sie teilte darin mit, dass sie einen 100-Euro-Schein gefunden und diesen an der Pforte der Polizeidienststelle abgegeben habe. Sie habe keine Angaben zum Fundort und zu ihren Personalien machen müssen. Da ihr dieses Verfahren seltsam vorkam, wollte sie wissen, was nun mit dem Geld passiere. Gegen den Kläger wurde daraufhin ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung eingeleitet, in dem er sich zur Sache nicht äußerte. Bei einer anschließenden Wahllichtbildvorlage am 08.05.2018, zu der auch ein Bild des Klägers gehörte, sah die Finderin bei ihm eine Ähnlichkeit zu der Person, der sie den 100-Euro-Schein anvertraut hatte. Die Beklagte hörte den Kläger am 11.05.2018 zu dem Verdacht der Unterschlagung an. Der Kläger bestritt in seiner Stellungnahme, die am 16.05.2018 bei dem beklagten Land einging, die Entgegennahme des Geldscheins. Nach Beteiligung des Personalrats kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis am 30.05.2018 fristlos. Der Kläger behauptet, er habe den 100-Euro-Schein nicht angenommen. Vielmehr habe er der Finderin mitgeteilt, dass er nicht befugt sei, diesen anzunehmen und sie an eine andere, zuständige Dienststelle verwiesen.

Die Kündigungsschutzklage hatte – wie auch bereits in der Vorinstanz – vor dem LAG Düsseldorf keinen Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

Nach Vernehmung der Finderin, einer Architektin, ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass diese am 22.12.2017 bei ihren Erledigungen in der Stadt vor Weihnachten an der Ecke Herzogstraße/Friedrichstraße einen 100-Euro-Schein gefunden habe und der dringende Tatverdacht bestehe, dass sie diesen bei dem Kläger abgegeben habe. Für die Version des Klägers spreche kein plausibler Grund, entschied das LAG Düsseldorf. Wenn die Finderin den 100-Euro-Schein wieder mitgenommen hätte, wäre kein Motiv ersichtlich, warum sie sich mit der E-Mail an die Polizei habe wenden und den Kläger nachfolgend im inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren und auch in der Vernehmung vor dem LAG Düsseldorf belasten sollen. Der für die ausgesprochene Verdachtskündigung erforderliche dringende Tatverdacht der Unterschlagung des gefundenen 100-Euro-Scheins sei gegeben. Dies rechtfertige auch in Ansehung der langen Beschäftigungsdauer die fristlose Kündigung, so das LAG Düsseldorf.

Hinweis für die Praxis

Dieses Urteil des LAG Düsseldorf ist insbesondere deshalb interessant, weil das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis über 30 Jahre andauerte und dieser Umstand der Wirksamkeit der außerordentlichen Verdachtskündigung in diesem Fall nicht entgegenstand. Anders als bei einer Tatkündigung ist eine Verdachtskündigung immer gestützt rein auf den Verdacht, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört oder zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses führt. Da § 626 BGB keine absoluten Kündigungsgründe kennt, sondern eine einzelfallbezogene Interessenabwägung verlangt, muss geprüft werden, ob dem Arbeitgeber trotz der eingetretenen Vertrauensstörung eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers – zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist. Ferner besteht auch bei Verdachtskündigungen grundsätzlich das Abmahnungserfordernis. Liegt eine Störung im Vertrauensbereich vor, ist es jedenfalls nicht stets von vornherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen. Allgemein gilt, dass je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Anhand der bisher vorliegenden Pressemitteilung ist es leider nicht feststellbar, ob und wie das Gericht die vorstehenden „Hürden“ hat nehmen können bzw. müssen, um die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Die Veröffentlichung des vollständig abgefassten Urteils kann jedenfalls mit Interesse erwartet werden.

Kontakt > mehr