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Erhöhung des Urlaubsanspruchs nach Betriebszugehörigkeit ist keine Diskriminierung

Der EuGH hat auf Vorlage des Obersten Gerichtshofs in Österreich mit Urteil vom 13. März 2019 (Az. C-437/17) entschieden, dass die Gewährung einer zusätzlichen Woche Urlaub für einen Arbeitnehmer nach 25-jähriger Betriebszugehörigkeit keine verbotene Ausländerdiskriminierung darstellt.

Vorbemerkung/Sachverhalt

Das österreichische Arbeitsrecht gewährt den Arbeitnehmern 30 Tage Urlaub, wobei – wie nach deutschem Urlaubsrecht – auf eine 6-Tage-Woche abgestellt wird. Sobald der Arbeitnehmer eine Betriebszugehörigkeit von 25 Jahren bei einem Arbeitgeber vorweisen kann, erhöht sich der gesetzliche Urlaubsanspruch auf 36 Tage (vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 UrlG). Vorbeschäftigungen bei anderen Arbeitgebern können berücksichtigt werden, wenn sie länger als sechs Monate dauerten. Solche zurückgelegten Dienstzeiten werden jedoch höchstens im Umfang von fünf Jahren anerkannt. Daraus folgt, dass ein Arbeitgeberwechsel grundsätzlich dazu führt, dass der einwöchige Zusatzurlaub schwerer zu erlangen ist. Dieser Anreiz bei einem Arbeitgeber zu verbleiben, führt aber ggf. dazu, dass Arbeitnehmer aus dem Ausland, die nach Österreich kommen, schlechter gestellt sind als vergleichbare Arbeitnehmer. Daraus könnte man zumindest mittelbar eine Benachteiligung ausländischer Arbeitnehmer ableiten.

Im zugrundeliegenden Fall stritten der Arbeitgeber und der Betriebsrat um die Gewährung des Zusatzurlaubs für Arbeitnehmer, die entsprechende Dienstzeiten bei Arbeitgebern im Ausland vorweisen konnten. Der Betriebsrat war der Auffassung, dass die Vordienstzeiten nach dem Unionsrecht vollständig angerechnet werden müssten, sodass jeder Arbeitnehmer mit 25-jähriger Berufserfahrung nach § 2 Abs. 1 UrlG Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche habe. Der Betriebsrat unterlag in zwei Instanzen, bevor der Oberste Gerichtshof die Entscheidung der Vereinbarkeit mit dem Europarecht mit Blick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit dem EuGH vorlegte.

Entscheidung

Der Gerichtshof entschied, dass die österreichische Regelung mit dem Europarecht vereinbar sei. Die entscheidende Argumentation des EuGHs lag darin, dass das Europarecht den Arbeitnehmern grundsätzlich nicht garantieren könne, bei einem Wechsel in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union auf gleiche Arbeitsbedingungen zu stoßen. Diese gelte sowohl für österreichische Staatsbürger als auch für alle anderen Staatsbürger eines Mitgliedsstaates der EU. Ferner könnten auch österreichische Abreitnehmer den Arbeitgeber beliebig oft wechseln, sodass durch die gesetzliche Regelung kein Grundsatz gebildet werde, dass österreichische Arbeitnehmer für mehr als 25 Jahre bei einem Arbeitgeber verbleiben. Ein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV, Art. 7 Abs. 1 der EU VO Nr. 492/2011) läge damit nicht vor.

Fazit

Aktuell hat auch das Bundesarbeitsgericht dem EuGH einen ähnlichen Fall zur Entscheidung vorgelegt. In diesem Vorlageverfahren soll die Frage zur Bevorzugung von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst infolge der Anerkennung von Berufserfahrung geklärt werden. Die Entscheidung des EuGH zum österreichischen Sachverhalt lässt das Ergebnis der Entscheidung in dem deutschen Vorlagesachverhalt bereits erahnen. Vermutlich wird der EuGH auch hinsichtlich der deutschen tarifvertraglichen Regelungen keinen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit und keine Ausländerdiskriminierung annehmen.

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