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Elternzeit – Kürzung von Urlaubsansprüchen

Der gesetzliche Urlaubsanspruch entsteht dem Grunde nach auch während der Elternzeit, kann jedoch seitens des Arbeitgebers gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG gekürzt werden. Der Kürzung dieses Anspruchs steht nach Auffassung des 9. Senats des BAG (Urteil vom 19.03.2019, Az. 9 AZR 362/18) das Unionsrecht nicht entgegen.

Sachverhalt

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.06.2001 als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Sie befand sich u.a. vom 01.01.2013 bis zum 15.12.2015 durchgehend in Elternzeit. Mit Schreiben vom 23.03.2016 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 30.06.2016 und beantragte unter Einbeziehung der während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche, ihr für den Zeitraum der Kündigungsfrist Urlaub zu gewähren. Mit Schreiben vom 04.04.2016 erteilte die Beklagte der Klägerin vom 04.04.2016 bis zum 02.05.2016 Urlaub, die Gewährung des auf die Elternzeit entfallenden Urlaubs lehnte sie ab. Die Klägerin hat mit ihrer Klage zuletzt noch die Abgeltung von 89,5 Arbeitstagen Urlaub aus dem Zeitraum ihrer Elternzeit geltend gemacht.

Entscheidungsgründe

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Die Beklagte habe die Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2013 bis 2015 mit Schreiben vom 04.04.2016 wirksam gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt, so der 9. Senat.

Möchte der Arbeitgeber von seiner ihm durch § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG eingeräumten Befugnis Gebrauch machen, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen, müsse er eine darauf gerichtete empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben. Dazu sei es ausreichend, dass für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will. Das Kürzungsrecht des Arbeitgebers erfasse auch den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für diesen keine von § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG abweichende Regelung vereinbart haben. Die Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs verstoße weder gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) noch gegen § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU. Das Unionsrecht verlangt nach der Rechtsprechung des EuGH nicht, Arbeitnehmer, die wegen Elternzeit im Bezugszeitraum nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben.

Hinweis für die Praxis

Das Urteil des BAG ist wenig überraschend, zumal erst vor wenigen Monaten der EuGH die europarechtliche Vereinbarkeit einer ähnlichen Regelung im rumänischen Recht zum Urlaubsanspruch bei Inanspruchnahme von Elternzeit bestätigte (EuGH v. 04.10.2018 – C-12/17). Gleichwohl verschafft diese Entscheidung den Arbeitgebern umfassende Klarheit im Umgang mit der Kürzungsmöglichkeit des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG anlässlich der Elternzeit von Mitarbeitern. Dies ist zu begrüßen, da in der Praxis regelmäßig davon Gebrauch gemacht wird, auch wenn es gesetzlich nicht verpflichtend ist.

Das dem Arbeitgeber in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG zustehende Kürzungsrecht ist insgesamt an keine zu strengen Anforderungen geknüpft. Will der Arbeitgeber eine Kürzung des Urlaubsanspruchs erreichen, so genügt seinerseits eine ausdrückliche oder stillschweigend abgegebene Erklärung. Eine bestimmte Form ist insoweit nicht vorgeschrieben. Für den betroffenen Mitarbeiter muss nur erkennbar sein, dass ausschließlich der gekürzte Urlaub gewährt wird oder sein Arbeitgeber von der Befugnis in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG Gebrauch machen will. Eine entsprechende Erklärung seitens des Arbeitgebers kann frühestens ab dem Zeitpunkt des Elternzeitverlangens abgegeben werden, damit also ebenfalls zu einem späteren Zeitpunkt während oder nach der Elternzeit, jedenfalls aber vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Kürzungsbefugnis ist dabei auch nicht nur auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch beschränkt. Sie erfasst grundsätzlich sämtliche Urlaubsansprüche auf vertraglicher, tarifvertraglicher, betrieblicher oder gesetzlicher Basis – vorbehaltlich von anderslautenden Vereinbarungen. Den Arbeitgebern bleibt zu raten, diese Kürzungsmöglichkeit im Blick zu behalten und bei Bedarf rechtzeitig davon Gebrauch zu machen. Denn nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – und hier kommt es bekanntlich oft zum Streit um etwaige Urlaubsabgeltungsansprüche – kann der Urlaub nicht mehr gekürzt werden, so dass es dabei verbleibt, dass der Urlaubsanspruch, der auch während der Elternzeit dem Grunde nach entsteht, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist.

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