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Verzicht auf das Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang

Bei der Auslegung einer Erklärung als Verzicht des Arbeitnehmers auf sein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB als solches oder als lediglich zeitweiliger Verzicht auf dessen Ausübung ist die hohe Bedeutung des Widerspruchsrechts für den Arbeitnehmer zu beachten. Ein Verzicht muss daher eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden, so das BAG in seinem Urteil vom 28.02.2019 (8 AZR 201/18).

Sachverhalt

Die Parteien stritten darüber, ob zwischen ihnen über den 31.08.2015 hinaus ein Arbeitsverhältnis bestand. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hatte am 01.09.2015 durch Betriebsübergang auf ein anderes Unternehmen übergehen sollen. Hierüber war die Klägerin mit einem auf den 05.08.2015 datierten Schreiben informiert worden. Diesem Schreiben war eine vorformulierte „Einverständniserklärung“ beigefügt, welches die Klägerin unterzeichnete und folgenden Inhalt hatte: „„Nachdem ich am 05.08.2015 über den Betriebsübergang unterrichtet wurde, erkläre ich hiermit mein Einverständnis für die Übertragung meines Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen ab 01.09.2015 an die Firma C GmbH, B“.

Nachdem die Klägerin für die Erwerberin tätig geworden war, widersprach sie im Oktober 2016 dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses. Im Dezember desselben Jahres wurde das Insolvenzverfahren über das Unternehmen der Erwerberin eröffnet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte Erfolg. Das BAG entschied, dass es nicht darauf ankomme, ob überhaupt ein Betriebs(teil)übergang erfolgt sei – woran vorliegend Zweifel bestanden. Habe nämlich ein Betriebsübergang stattgefunden, so sei jedenfalls der Widerspruch der Klägerin gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses wirksam gewesen, da die Unterrichtung vorliegend nicht ordnungsgemäß iSv. § 613a Abs. 5 BGB gewesen sei. Somit sei die Monatsfrist, innerhalb derer der Widerspruch ausgeübt werden kann, nicht in Gang gesetzt worden.

Die Unterrichtung widerspreche den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB. Grundsätzlich stehe das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB nach der Konzeption von § 613a BGB in einem wechselseitigen Bezug zur Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB. Folglich haben der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform über die in § 613a Abs. 5 Nr. 1 bis Nr. 4 BGB aufgeführten Umstände zu unterrichten. Die Unterrichtung sei teleologisch auf das Widerspruchsrecht ausgerichtet. Sie soll den Arbeitnehmer in dem Umfang aufklären, dass er eine sachgerechte Entscheidung darüber treffen könne, ob er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Betriebsinhaber widersprechen will. Deshalb hätten Veräußerer und/oder Erwerber den Arbeitnehmer so zu informieren, dass dieser sich über den Gegenstand des Betriebsübergangs und die Person des Übernehmers sowie über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände „ein Bild machen“ könne. Das Unterrichtungsschreiben der Schuldnerin entspreche offensichtlich nicht diesen Anforderungen, weil es das Haftungssystem nach § 613a Abs. 2 BGB nicht zutreffend wiedergebe.

Die Klägerin habe durch die Einverständniserklärung aus September 2015 nicht auf ihr Widerspruchsrecht als solches verzichtet. Vielmehr habe die Klägerin allenfalls temporär, nämlich höchstens für die Zeit bis kurz vor Ablauf der im Unterrichtungsschreiben angeführten Frist von einem Monat nach Zugang der Unterrichtung auf die Ausübung ihres Widerspruchsrechts verzichtet. Dies ergebe die Auslegung der Einverständniserklärung. Zwar sei sowohl ein dauerhafter als auch ein zeitweiliger Verzicht grundsätzlich möglich. Voraussetzung sei aber, dass dem Arbeitnehmer bewusst sei, ein solches Recht zu haben. Ob ein Verzicht auf das Widerspruchsrecht oder dessen Ausübung zudem eine ordnungsgemäße Unterrichtung voraussetze, könne vorliegend offenbleiben, da jedenfalls hier nur ein zeitweiliger Verzicht vorliege. Bei der Auslegung der formularvertraglichen „Einverständniserklärung“ sei zu beachten, dass ein Verzicht auf Rechte im Allgemeinen nicht zu vermuten sei, so dass deren Aufgabe nur unter strengen Voraussetzungen angenommen werden könne. Zwar müsse ein Verzicht nicht ausdrücklich erklärt werden, gleichwohl aber anderweitig eindeutig, zweifelsfrei und unmissverständlich zum Ausdruck kommen. Die Klägerin habe daher das Schreiben nur so verstehen können, dass mit der Einverständniserklärung allenfalls ein zeitweiliger Verzicht auf die Ausübung des Widerspruchsrechts maximal für die Zeit bis kurz vor Ablauf der im Unterrichtungsschreiben angeführten Monatsfrist verbunden gewesen sei.

Schließlich sei das Widerspruchsrecht zum Zeitpunkt seiner Ausübung auch nicht verwirkt gewesen.

Hinweise für die Praxis

Einmal mehr zeigt das BAG auf, wie schwierig die korrekte Formulierung eines Unterrichtungsschreibens über einen Betriebsübergang ist. Bereits zahlreiche frühere Entscheidungen hatten den Inhalt von Unterrichtungsschreiben zum Gegenstand. Nunmehr beurteilte das Gericht die Frage des Verzichts auf das Widerspruchsrecht in Zusammenhang mit einer Einverständniserklärung zum Übergang des Arbeitsverhältnisses, ein „Werkzeug“ mit dem bei zahlreichend Betriebsübergängen Rechtssicherheit geschaffen werden soll. Erfreulich an dieser Entscheidung ist, dass ein Verzicht des Arbeitnehmers auf sein Widerspruchsrecht möglich bleibt. Hieran werden aber hohe Anforderungen gestellt. Eine vorformulierte Einverständniserklärung sollte daher ausdrücklich von „Verzicht“ sprechen. Rechtsunsicherheit verbleibt allerdings insoweit als das BAG offen lässt, ob für einen wirksamen Verzicht eine fehlerfreie Unterrichtung vorausgesetzt wird. Ob hierfür ebenfalls eine entsprechend umfassende Aufklärung des Arbeitnehmers genügt, ist noch nicht entschieden.

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