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Verrechenbarkeit von Sozialplanabfindung und Nachteilsausgleich

Abfindungen aufgrund eines Sozialplans und aufgrund eines gesetzlichen Nachteilsausgleichs sind verrechenbar. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 12.02.2019 (Az. 1 AZR 279/17) entschieden.

Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin beschloss im März 2014 den Beschäftigungsbetrieb des Klägers stillzulegen. Über die damit verbundene Massenentlassung unterrichtete sie den Betriebsrat. Noch bevor die Betriebsparteien in einer Einigungsstelle über einen Interessenausgleich verhandeln konnten, kündigte die Arbeitgeberin allen Arbeitnehmern, so auch dem Kläger. Aufgrund dieses betriebsverfassungswidrigen Verhaltens erstritt der Kläger vor den Arbeitsgerichten einen Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 1 und Abs. 3 BetrVG in Höhe von rund 16.000 Euro, den die Beklagte letztendlich auch leistete. Inzwischen war jedoch ein Sozialplan mit dem Betriebsrat des Beschäftigungsbetriebes zustande gekommen, aus dem sich zu Gunsten des Klägers eine Sozialplanabfindung in Höhe von 9.000 Euro ergab. Als die Beklagte unter Hinweis auf den von ihr geleisteten Nachteilsausgleich weitere Zahlungen verweigerte, setzte sich der Kläger erneut zur Wehr.

Entscheidungsgründe

Nachdem die auf Zahlung der Sozialplanabfindung gerichtete Klage in den Vorinstanzen keinen Erfolg hatte, wies auch das BAG die Revision des Klägers zurück. Die Zahlung eines Nachteilsausgleichs, so der 1. Senat, habe auch die Sozialplanforderung des Klägers erfüllt, da der Zweck beider betriebsverfassungsrechtlicher Leistungen weitgehend deckungsgleich sei. Dem stehe auch die Massenentlassungsrichtlinie (Richtlinie 98/59/EG) nicht entgegen: Eine Verletzung der Konsultationspflicht des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat vor einer Massenentlassung habe danach die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge. Eine Sanktionierung im Sinn einer Entschädigungszahlung sei unionsrechtlich gerade nicht geboten.

Hinweis für die Praxis

Das BAG hat mit dem vorliegenden Urteil über eine seit Langem offene Rechtsfrage entschieden. Für Arbeitgeber schafft dies Klarheit in Form eines jedenfalls teilweise kalkulierbaren Risikos. Nachteilsausgleichsansprüche haben zwar Sanktionscharakter. Kann mit der Leistung aber zugleich auch der Verlust des Arbeitsplatzes kompensiert werden, ist eine doppelte Inanspruchnahme ausgeschlossen. Mehr noch – in besonders prekären und eiligen Fällen können Arbeitgeber erwägen, Teile der Umsetzung von Betriebsänderungen dann zeitlich parallel zur Verhandlungsphase zu realisieren, wenn das Risiko eines die Sozialplanabfindung übersteigenden Nachteilsausgleichsanspruchs geringer ist als der durch Projektaufschub und Zeitverlust drohende Schaden. Unabhängig hiervon sollte jeder Sozialplan weiterhin eine Anrechnungsbestimmung enthalten, um Streitigkeiten über die Sozialplanabfindung vorzubeugen.

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