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Unterrichtung des Betriebsrats über Arbeitsunfälle von Fremdpersonal

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, über Arbeitsunfälle unterrichtet zu werden, die Beschäftigte eines anderen Unternehmens im Zusammenhang mit der Nutzung der betrieblichen Infrastruktur des Arbeitgebers erleiden. Das hat das BAG (Beschluss vom 12.03.2019, Az. 1 ABR 48/17) kürzlich entschieden.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin erbringt Zustelldienstleistungen. Auf ihrem Betriebsgelände sind im Rahmen von Werkverträgen auch Arbeitnehmer anderer Unternehmen tätig. Nachdem sich zwei dieser Beschäftigten bei der Beladung von Paletten infolge wegrutschender Überladebleche verletzten, hat der Betriebsrat von der Arbeitgeberin die Vorlage von Kopien der Unfallanzeigen erbeten. Zudem wollte er künftig über entsprechende Arbeitsunfälle des Fremdpersonals informiert werden. Außerdem hat er verlangt, ihm jeweils die Unfallanzeigen zur Gegenzeichnung vorzulegen und in Kopie auszuhändigen.

Entscheidungsgründe

Die Vorinstanzen haben die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Seine Rechtsbeschwerde hatte jedoch mit Blick auf den Auskunftsanspruch Erfolg, nicht aber hinsichtlich der auf die Unfallanzeigen bezogenen Begehren des Betriebsrats.

Nach § 89 Abs. 2 BetrVG muss der Betriebsrat vom Arbeitgeber bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung stehenden Fragen hinzugezogen werden. Hiermit korrespondiere ein entsprechender Auskunftsanspruch des Betriebsrats, so das BAG. Dieser umfasse im Streitfall auch Unfälle, die Arbeitnehmer erleiden, die weder bei der Arbeitgeberin angestellt noch deren Leiharbeitnehmer sind. Aus den Arbeitsunfällen des Fremdpersonals können arbeitsschutzrelevante Erkenntnisse für die betriebszugehörigen Arbeitnehmer, für die der Betriebsrat zuständig ist, gewonnen werden.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des Ersten Senats ist konsequent und trägt dem in der Praxis bestehenden Bedürfnis nach effektivem Arbeitsschutz Rechnung. Eine höchstrichterliche Klärung der hier aufgeworfenen Rechtsfragen war angebracht. So ist zwar in § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG bereits normiert, dass die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers, die der Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats dienen soll, sich auch auf die Beschäftigung von Personen erstreckt, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Woraus folgt, dass der Gesetzgeber es im Blick hatte – obgleich er diesen Fall nicht explizit regelte –, dass nicht nur die Informationen über betriebseigene Arbeitnehmer für den Betriebsrat von Bedeutung sein können, sondern ebenfalls solche, die die Leiharbeitnehmer und auch Fremdarbeitskräfte betreffen. Allerdings unterstehen die Fremdarbeitskräfte, anders als die Leiharbeitnehmer, dem Weisungsrecht ihres Arbeitgebers (Fremdunternehmen). Dieser ist primär auch für die Arbeitssicherheit seiner Mitarbeiter verantwortlich. Er ist derjenige, der zur Anzeige von Arbeitsunfällen von seinen Mitarbeitern bei der Unfallversicherung verpflichtet ist (§ 193 SGB VII) und der bei ihm gebildete Betriebsrat ist für die Unterzeichnung dieser Anzeigen zuständig. Das auf den ersten Blick vermeintliche Zuständigkeitsdilemma besteht als solches jedoch nicht. § 89 BetrVG bezweckt u.a. – allgemein zusammengefasst – einen effektiven Arbeitsschutz. Die konkrete Kenntnis von Arbeitsunfällen, unabhängig von den jeweiligen zugrunde liegenden Vertragsverhältnissen, auf deren Basis Beschäftigte auf einem Betriebsgelände tätig werden, ermöglicht erst präventives Handeln des dort ansässigen Betriebsrats, um gleichgelagerte Unfälle für die Zukunft zu vermeiden. Dem tragenden Gedanken des BAG, wonach der Betriebsrat auch aus den Arbeitsunfällen von Fremdpersonal für die in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Arbeitnehmer arbeitsschutzrelevante Erkenntnisse gewinnen kann, ist uneingeschränkt zuzustimmen. Das Informationsbedürfnis des Betriebsrats besteht in solchen Fällen. Nach dieser Entscheidung haben die Arbeitgeber größere Klarheit darüber erlangt, in Zusammenhang mit welchem Personenkreis ihre Betriebsräte bei Arbeitsunfällen Auskunftsansprüche geltend machen können.

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