Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Überprüfungsklausel im Arbeitsvertrag und Anpassungspflicht gem. § 315 BGB

Über drei Instanzen haben sich Parteien gestritten, ob aus einer vermeintlich einfachen Klausel in einem Arbeitsvertrag, nach der eine Obergrenze alle 2 Jahre zu überprüfen ist, sich auch noch ein Anspruch auf Anpassung der Obergrenze ergibt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied mit Urteil vom 27.02.2019 (10 AZR 341/19, vorgehend LAG Schleswig-Holstein vom 12.04.2018, 4 Sa 360/17), dass wenn im Arbeitsvertrag nur eine Pflicht zu einer Überprüfung geregelt ist, diese regelmäßig keine rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers begründet, eine in einem Arbeitsvertrag festgelegte Bemessungsobergrenze auch noch anzupassen. Für eine Anpassungspflicht müssen vielmehr ergänzende Anhaltspunkte bestehen.

Sachverhalt

In einem für die Zeit ab dem 01.10.2000 gültigen Arbeitsvertrag ist vereinbart, dass ein sog. Leistungspaket Bestandteil des Arbeitsvertrags ist, das eine Rechtsvorgängerin der heutigen Arbeitgeberin im Jahr 1996 als Ausgleich für eine wegfallende Tarifbindung eingeführt hatte. In dem Leistungspaket wird in Nr. 4.20.1 Satz 1 die Zahlung von 50% eines Monatsentgelts als Urlaubsgeld und 70% eines Monatsentgelts als Weihnachtsgeld als pauschale Erfolgsbeteiligung festgelegt. In Nr. 4.20.2 des Leistungspakets wird für das Urlaubs- und Weihnachtsgeld noch Folgendes geregelt: „Für das zusätzliche erfolgsbezogene Urlaubs- und Weihnachtsgeld gilt eine Bemessungs-Obergrenze eines entsprechenden Monatsentgelts von z.Zt. DM 8.000,--. Diese Obergrenze wird alle 2 Jahre überprüft.“

Die Bemessungsobergrenze in Nr. 4.20.2 des Leistungspakets von DM 8.000,-- (EUR 4.090,34) orientierte sich an der im Jahr 1996 gültigen Grenze für eine außertarifliche Vergütung nach dem Entgelttarifvertrag der Metallindustrie in Schleswig-Holstein. Diese stieg bis 2015 auf EUR 6.730,--. Eine Erhöhung der Bemessungsobergrenze für das Weihnachts- und Urlaubsgeld nach dem Leistungspaket erfolgte seit 1996 nicht. Die beklagte Arbeitgeberin überprüfte zwar 2015 die Obergrenze, entschied aber, sie unverändert zu lassen. Im Zeitraum von 1996 bis 2016 stieg der Anteil der Arbeitnehmer, deren Entgelt die Obergrenze überschritt, von 11,65% auf 30,16%.

Das Bruttomonatsentgelt des klagenden Arbeitnehmers betrug 2015 und 2016 EUR 5.943,26. Die Beklagte berechnete das Weihnachts- und Urlaubsgeld des Klägers für die Jahre 2015 und 2016 nach der Bemessungsobergrenze i.H.v. EUR 4.090,34. Der Kläger meinte, er habe Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld auf der Grundlage seines vollen Bruttomonatsentgelts i.H.v. EUR 5.943,26, ohne Berücksichtigung der niedrigeren Bemessungsobergrenze i.H.v. EUR 4.090,34, aus der vertraglichen Pflicht, die Bemessungsobergrenze alle zwei Jahre zu überprüfen, folge, dass die Bemessungsobergrenze nach billigem Ermessen zu erhöhen sei.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Arbeitnehmers hatte vor dem Zehnten Senat des BAG keinen Erfolg.

Die vereinbarte Obergrenze musste nicht nach billigem Ermessen i.S.v. § 315 BGB bestimmt werden, da dies grundsätzlich eine ausdrückliche oder konkludente rechtsgeschäftliche Vereinbarung voraussetzt, nach der eine Partei durch einseitige Willenserklärung den Inhalt einer Vertragsleistung bestimmen kann. Die Bemessungsobergrenze war in Nr. 4.20.2 Satz 1 des Leistungspakets der Höhe nach festgelegt und deshalb musste die Arbeitgeberin die Obergrenze – anders als dann, wenn die Höhe vertraglich offen bleibt – nicht bestimmen. Die Formulierung „Überprüfen“ bedeutet unter anderem „einer Prüfung unterwerfen/unterziehen“, „kontrollieren“ oder „nachprüfen“. Mit einer solchen Formulierung kommt nach Ansicht des BAG zum Ausdruck, dass eine regelmäßige Kontrolle durch den Arbeitgeber erfolgen muss. Damit diese Verpflichtung nicht inhaltsleer bleibt, können betroffene Arbeitnehmer auch verlangen, dass die Beklagte das Ergebnis ihrer Prüfung mitteilt. Die rechtlich verbindlichen Verpflichtungen aus der Überprüfungsklausel sind damit aber erschöpft.

Nach dem Wortlaut handelt es sich damit nur um eine Überprüfungs- und nicht um eine sog. Anpassungsklausel. Eine Pflicht, die Obergrenze infolge der Überprüfung anzuheben. Nach Ansicht des BAG spricht es regelmäßig gegen einen Anspruch auf Anpassung der festgelegten Vergütung, wenn vertraglich nur eine Überprüfung vorgesehen ist und Anhaltspunkte für eine Verpflichtung fehlen, die Vergütung gegebenenfalls anzuheben.

Eine Überprüfungsklausel ist dabei nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts auch ohne Anpassungspflicht nicht sinnlos. Durch die Klausel wird sichergestellt, dass die Überprüfung der Bemessungsobergrenze nicht vergessen wird und die Belegschaft sie alle zwei Jahre einfordern kann. Sofern auf die Überprüfung hin keine Anpassung erfolgt, besteht ein gewisser Legitimations- und Begründungsdruck des Arbeitgebers gegenüber der Belegschaft. Eine Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung ist deshalb grundsätzlich auch dann für die betroffenen Arbeitnehmer vorteilhaft, wenn keine Anpassungspflicht besteht.

Hinweise für die Praxis

Auch diese Entscheidung des BAG zeigt, dass auf die exakten Formulierungen in Arbeitsverträgen geachtet werden muss. Dies gilt nicht nur für Klauseln zur Freiwilligkeit und zu Widerrufsvorbehalten, sondern auch dann, wenn ein Arbeitgeber keine Ansprüche auf eine Anpassung festlegen will. Das BAG setzte sich in der vorliegenden Entscheidung auch mit älteren Entscheidungen auseinander, bei denen Gerichte aus den jeweils verwendeten Formulierungen auch Anpassungsansprüche ableiteten. Entscheidend war für das BAG im vorliegenden Fall, dass vertraglich eben „nur“ eine Überprüfung vorgesehen war und sich auch aus den sonstigen Regelungen des Arbeitsvertrags keine Anhaltspunkte für eine Verpflichtung ergaben, die Vergütung gegebenenfalls anzuheben. Wenn ein Arbeitgeber Auslegungsfragen wie im vorliegenden Fall vermeiden will, sollte er möglichst klar bereits im Arbeitsvertrag regeln, dass es keinen Anspruch auf eine Anpassung gibt.

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