Dr. Christoph Fingerle, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Tratsch über Arbeitskollegen und Vorgesetzte kann gefährlich sein

Wer als Arbeitnehmer unzutreffende und ehrenrührige Tatsachenbehauptungen über Arbeitskollegen oder Vorgesetzte per WhatsApp verbreitet, riskiert möglicherweise eine fristlose Kündigung. Dies gilt auch, wenn die Behauptung ausdrücklich und erkennbar als Aussage Dritter und mit der Einschränkung verbreitet wird, die Wahrheit der Behauptung nicht beurteilen zu können.

Sachverhalt

Die Klägerin war zwei Tage bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte beschäftigt, als sich am dritten Tag in der Freizeit anlässlich eines Café-Besuches ein Gespräch mit zwei Bekannten entspann. In diesem Gespräch wurde seitens der Bekannten der Klägerin geäußert, dass ein Mitarbeiter der Beklagten, bei dem es sich um den Vater des Geschäftsführers der Beklagten handelt, angeblich ein verurteilter Vergewaltiger sein solle. Diese Behauptung war objektiv falsch.

Noch am selben Tag informierte die Klägerin per WhatsApp eine Arbeitskollegin über dieses unzutreffende Gerücht. Die Konversation lautet auszugsweise wie folgt:

  • „Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber er [Herr R. S., Mitarbeiter der Beklagten und Vater des Geschäftsführers; Anm. des Gerichts] soll ein verurteilter Vergewaltiger sein, deswegen will ganz L. nichts mehr mit ihm zu tun haben.
  • [Frau S. D.; Anmerkung des Gerichts], ich werde jetzt ALLES unternehmen, dass wir BEIDE dort rauskommen.
  • Jetzt bin ich geschockt. Ich wusste das er viel scheisse gebaut hat aber das…
  • Ich habe auch die Augen aufgerissen. Habe erzählt, wo ich arbeite und die Leute erzählen mir sowas.
  • Ja gibt’s da irgendein Urteil oder so und wann soll das denn gewesen sein?
  • Keine Ahnung, das haben die Leute nicht dazu gesagt, aber ganz EHRLICH für so jemanden werde ich nicht arbeiten.
  • Und DU auch nicht.
  • Ich lasse mir etwas einfallen. Mäuschen.
  • So was ist schon eine krasse Behauptung
  • Das haben mir mehrere Leute unabhängig von einander erzählt.
  • Er soll früher wohl auch Betrug in der Versicherungsbranche durchgeführt haben. Das soll aber nie angezeigt worden sein.
  • Ich weiß es auch nicht, aber die Leute, die mir das erzählt haben, haben noch nie Mist erzählt. Bin auch schockiert gewesen, als ich das gehört habe. Hab sogar kurzzeitig überlegt, ihn mit den Behauptungen zu konfrontieren.“

Die Klägerin hatte die Chat-Partnerin, die schon seit Längerem für die Beklagte arbeitet, erst mit ihrer Arbeitsaufnahme im Betrieb kennengelernt. Die Arbeitskollegin nahm noch am gleichen Tag telefonisch Kontakt zum Geschäftsführer der Beklagten auf, bat um einen Gesprächstermin und berichtete über den Geschehensablauf.

Die Beklagte hat daraufhin am fünften Tag nach Aufnahme des Arbeitsverhältnisses, damit innerhalb der Probezeit und der kündigungsschutzfreien Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlichen und fristlos aus wichtigem Grund gekündigt.

Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage war in erster Instanz erfolgreich.

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat auf die Berufung der beklagten Arbeitgeberin das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.03.2019, 17 Sa 52/18).

Es könne ein an sich wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein, wenn der Arbeitnehmer zulasten eines Vorgesetzten oder Arbeitskollegen den Tatbestand der üblen Nachrede (§ 186 StGB) erfülle. Dabei komme es nicht auf die strafrechtliche Wertung an, sondern darauf, ob dem Arbeitgeber deswegen nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten ist. Auch wenn eine rechtswidrige, insbesondere strafrechtswidrige Handlung zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt habe, könne ein an sich wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliegen.

Strafrechtlich sei im Bereich des Ehrschutzes zwischen den Tatbeständen der Beleidigung, Verleumdung und der üblen Nachrede zu unterscheiden. Im Rahmen der üblen Nachrede müsse sich der Vorsatz allein auf die Ehrenrührigkeit der verbreiteten Tatsachenbehauptungen nicht aber auf deren Unwahrheit bzw. Nichterweislichkeit beziehen.

Die Klägerin habe über WhatsApp eine objektiv unzutreffende Behauptung über einen Mitarbeiter ihrer Arbeitgeberin verbreitet. Dabei sei ihr die Ehrenrührigkeit dieser Behauptung klar gewesen, was sich aus der verwendeten Formulierung ableitet: „deswegen will ganz L. nichts mehr mit ihm zu tun haben.“ Für das Verbreiten reiche die Weitergabe einer Tatsachenbehauptung an Dritte als Gegenstand fremden Wissens oder Behauptens aus.

Die Klägerin könne sich auch nicht auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung berufen, da dieses Grundrecht in den grundrechtsgeschützten Positionen Dritter seine Schranken finde. Auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und Abwägung der beiderseitigen Parteiinteressen sei vorliegend die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt. Zu Ungunsten der Klägerin sei dabei zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis noch nicht einmal drei Tage bestanden habe, deswegen ein erhöhter Bestandsschutz aufgrund längerer Betriebszugehörigkeit noch nicht vorgelegen habe. Der Verschuldensvorwurf sei außerdem erheblich. Einer vorherigen Abmahnung habe es nicht bedurft, da die Pflichtverletzung objektiv schwer, deren Rechtswidrigkeit von Seiten der Arbeitnehmerin ohne weiteres erkennbar und eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitnehmer offensichtlich ausgeschlossen war.

Auf die Vertraulichkeit des Chats mit der Arbeitskollegin könne sich die Kollegin nicht berufen, weil auch die Weitergabe in einem 2er-Chat den Tatbestand des Verbreitens im Sinne von § 186 StGB erfülle. Darüber hinaus sei das evidente Risiko des Weitertragens eines unwahren Gerüchts geeignet, die Position des Betroffenen, Vater des Geschäftsführers, und damit auch die Position des Geschäftsführers selbst zu untergraben.

Hinweise für die Praxis

Das Landesarbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung für wirksam erachtet, obschon das erst kurz bestehende Arbeitsverhältnis hätte mit kurzer Frist in der Probezeit und kündigungsschutzfrei gekündigt werden können. Gleichwohl hat es die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die kurze Probezeitkündigungsfrist als unzumutbar bewertet. Es hat des Weiteren der Erwägung, die das Bundesarbeitsgericht in Beleidigungsfällen angestellt hat, nämlich dass die Beleidigungen in einem ersichtlich vertraulichen 2er-Gespäch gefallen sind, kein Gewicht beigemessen, das der Rechtswirksamkeit der Kündigung entgegensteht. Aufgrund der zu Recht gesehenen Risiken der Weiterverbreitung unwahrer und erheblich ehrenrühriger Tatsachenbehauptungen, ist diese Beurteilung richtig.

In den Entscheidungsgründen nicht angesprochen, aber ebenfalls zu werten ist die aus anderen Fallkonstellationen bekannte Tatsache, dass die äußerst einfache Weiterleitungsmöglichkeit aufgrund des genutzten technischen Mediums die erhöhte Gefahr in sich birgt, dass solche objektiv unwahren und erheblich ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen schnell und grenzenlos weitere Kreise ziehen. Das Urteil ist damit im Ergebnis sicherlich richtig und kann nur mit der ausdrücklichen Empfehlung verbunden werden, die Verbreitung jeglicher ehrenrühriger Tatsachenbehauptungen über Arbeitskollegen und/oder Vorgesetzte – insbesondere in multiplikativer elektronischer Form – strikt zu unterlassen.

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