andreas imping arbeitsrecht 1.jpgnadja schmidt vertriebsrecht.jpg

Schweigen bedeutet keine Zustimmung zur Lohnkürzung

Will ein Arbeitgeber nachteilige Änderungen im Bereich der Hauptleistungspflichten mit dem Arbeitnehmer vereinbaren, insbesondere eine Lohnkürzung, so kann ein Schweigen des betroffenen Arbeitnehmers nicht als Annahme dieses Angebots gewertet werden. Dies gilt jedenfalls, solange die Folgen der Änderung noch nicht hervorgetreten sind. Das hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 02.04.2019 (Az.: 5 Sa 221/18) jetzt entschieden.

Sachverhalt

Die Parteien streiten unter anderem über die Höhe des Stundenlohnes. Der Kläger erhielt zuletzt einen Stundenlohn von EUR 13,71 brutto.

Mit Schreiben vom 02.03.2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos. In dem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach sich die Beklagte verpflichtete, den Kläger unter Fortzahlung der Bezüge unwiderruflich von der Arbeitsleistung freizustellen und das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungstermin ordnungsgemäß abzurechnen und die sich ergebenden Nettobeträge auszuzahlen.

Die Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis für die Monate März 2017 bis September 2017 nicht auf der Grundlage des zuletzt gezahlten Stundenlohnes von EUR 13,71, sondern nur mit einem Stundenlohn von EUR 12,89 brutto ab. Dies begründete die Beklagte damit, dass die Lohnkürzung auf einer Vereinbarung der Parteien beruhe, da der Kläger nicht mehr als Servicetechniker tätig gewesen sei. Dem Kläger sei im Beisein des Serviceleiters mitgeteilt worden, dass der zukünftige Stundenlohn EUR 12,89 betrage. Hiergegen habe der Kläger keine Einwände erhoben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der beklagten Arbeitgeberin vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern war erfolglos.

Entscheidungsgründe

Das LAG entschied, dass der Kläger nach § 611a Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung eines Stundenlohnes von EUR 13,71 brutto im Zeitraum März 2017 bis einschließlich September 2017 habe. Eine Änderungsvereinbarung über die Lohnhöhe sei nicht zustande gekommen.

Schweigen sei im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung. Jedenfalls sei bei einem Arbeitsverhältnis im Falle nachteiliger Änderungen im Bereich der Hauptleistungspflichten regelmäßig nicht von einer stillschweigenden Annahmeerklärung auszugehen, solange die Folgen der Änderung noch nicht hervorgetreten sind.

Ob und ggf. wann die Beklagte dem Kläger mitgeteilt hat, den Lohn kürzen zu wollen, könne dahinstehen. Es fehle jedenfalls an einem Verhalten des Klägers, aus dem sich bei verständiger Betrachtung ein Einverständnis mit einer Lohnkürzung herleiten ließe. Der Kläger habe sich hierzu gar nicht erklärt, sondern ausgeschwiegen. Er habe nach den Ausführungen der Beklagten „keine Einwände erhoben“, d. h. sich hierzu nicht geäußert. Das genüge jedoch nicht, um von einer Zustimmung ausgehen zu können. Die Beklagte habe auch keine Umstände vorgetragen, die auf eine Bereitschaft des Klägers schließen lassen, die Lohnkürzung zu akzeptieren. Es fehle daher an irgendeinem positiven Signal des Klägers. Zudem sei nicht erkennbar, welches Interesse der Kläger an der Lohnkürzung gehabt haben sollte.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern macht deutlich, dass das bloße Schweigen eines Arbeitnehmers grundsätzlich keine Willenserklärung darstellt, da es ihm an einem Erklärungsgehalt mangelt. Daher kann das Schweigen eines Arbeitnehmers als Reaktion auf das Angebot eines Änderungsvertrages nur selten als Annahme ausgelegt werden kann. Vorliegend war zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei der Zahlung des Lohnes um die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers handelt. Aufgrund dessen ist die Beteiligung des Arbeitnehmers bei einer solchen Entscheidung umso bedeutender. Für die Praxis ist daher zu empfehlen, Änderungen im Arbeitsverhältnis schriftlich zu fixieren, um Rechtssicherheit zu schaffen.

Kontakt > mehr