Dr. Christoph Fingerle, Fachanwalt für Arbeitsrecht

„Ein Schritt vor und wieder zurück – aber wohin?“ Nochmals: sachgrundlose Befristung und „Zuvor-Beschäftigung“

Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 06.06.2018 (7 AZR 733/16) der Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts zum Vorbeschäftigungsverbot bei der sachgrundlosen Befristung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG die Grundlage entzogen hatte, liegt nunmehr eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in einer entsprechenden Sachverhaltskonstellation vor.

Sachverhalt

Der Kläger war vom 19. März 2004 bis zum 30. September 2005 als gewerblicher Mitarbeiter bei der Beklagten tätig. Mit Wirkung zum 19. August 2013 stellte die Beklagte den Kläger erneut sachgrundlos befristet für die Zeit bis zum 28. Februar 2014 als Facharbeiter ein. Die Parteien verlängerten die Vertragslaufzeit mehrfach, zuletzt bis zum 18. August 2015. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt nicht geendet hat.

Entscheidungsgründe

Die Klage hatte – ebenso wie bereits in den Vorinstanzen – so auch beim Bundesarbeitsgericht Erfolg. Vorinstanz war im vorliegenden Fall das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, das sich bereits seit längerem gegen die vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zuvor-Beschäftigung gewandt hatte.

Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Im Jahr 2011 hatte das Bundesarbeitsgericht zwar entschieden, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfasse in verfassungskonformer Auslegung nicht solche Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen. Diese Rechtsprechung kann jedoch auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht aufrechterhalten werden.

Allerdings können und müssen die Fachgerichte auch nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar ist, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann danach insbesondere unzumutbar sein, wenn

  • eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt,
  • ganz anders geartet war oder
  • von sehr kurzer Dauer gewesen ist.

Um einen solchen Fall handelte es sich nach Auffassung des Bundesarbeitsgericht in dem zu entscheidenden Sachverhalt nicht, insbesondere lag das vorangegangene Arbeitsverhältnis acht Jahre und damit nicht sehr lang zurück.

Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Befristung im Vertrauen auf die im Jahr 2011 ergangenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vereinbart zu haben. Sie habe bei Abschluss der Verträge mit dem Kläger jedenfalls die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, dass die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Norm vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnte.

Hinweise für die Praxis

Der Kernsatz in der Pressemitteilung zu der Entscheidung lautet:

Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags ist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis von etwa eineinhalbjähriger Dauer bestanden hat, das eine vergleichbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte.

Damit wäre nunmehr nach derzeitiger Rechtsprechungslage geklärt, dass ein Zeitraum von acht Jahren im Hinblick auf eine Zuvorbeschäftigung als »nicht sehr lang« anzusehen ist, dagegen ein Arbeitsverhältnis von etwa eineinhalbjähriger Dauer »nicht sehr kurz« ist. Offen bleibt, was in diesem Sinne als »sehr lang« bzw. »sehr kurz« anzusehen wäre.

Die weitere Kernaussage könnte folgendermaßen zusammengefasst werden:

Bei Entscheidungen, in denen das Bundesarbeitsgericht verfassungskonforme Auslegungen gesetzlicher Normen vornimmt, dürfen Sie sich nicht darauf verlassen, dass diese Auslegung vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat.

Die Botschaft ist im Ergebnis ebenso eindeutig wie misslich: Legt das Bundesarbeitsgericht einfachgesetzliche Normen »verfassungskonform« in Abweichung vom Wortlaut aus, kann aus Gründen der Vorsicht nur empfohlen werden: Halten Sie sich an den Wortlaut – jedenfalls soweit dieser für Sie ungünstiger ist!

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