Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Rückforderung von Honorar gegenüber einem (vermeintlich) freien Mitarbeiter

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 26.06.2019 (5 AZR 178/18) entschieden, dass regelmäßig dann, wenn sich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis darstellt, nicht davon ausgegangen werden kann, dass das für freie Mitarbeit vereinbarte Honorar der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer gilt. Der Arbeitgeber kann deshalb grundsätzlich die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird und die im Arbeitsverhältnis geschuldete Vergütung niedriger ist, als das für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Honorar.

Sachverhalt

Der Beklagte war bei der gemeinnützigen Klägerin seit dem Jahr 2001 aufgrund Vereinbarung als IT-Mitarbeiter beschäftigt mit einem Stundenhonorar i.H.v. zuletzt EUR 60,00 zzgl. 16% MwSt. Er kündigte das Vertragsverhältnis zum 16.03.2009 selbst. Auf seinen Antrag vom 05.07.2009 hin stellte die Deutsche Rentenversicherung Bund fest, dass der Beklagte während seiner gesamten Tätigkeit bei der Klägerin der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterlag. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat die Klage der Klägerin gegen den Bescheid mit Urteil vom 09.04.2014 rechtskräftig abgewiesen. Die Klägerin wurde für den Zeitraum von Dezember 2004 bis März 2009 auf Zahlung von Beiträgen zur Sozialversicherung herangezogen, wobei sich die Arbeitgeberanteile zunächst auf EUR 6.007,25 beliefen.

Die Klägerin verlangte daraufhin mit Klage vom 11.08.2015 für den gesamten Zeitraum des Bestehens des Vertragsverhältnisses die Rückzahlung „zuviel“ geleisteter Honorare i.H.v. EUR 106.603,38 und zuletzt dann auch noch die Erstattung von Arbeitgeberanteilen am Gesamtsozialversicherungsbeitrag i.H.v. EUR 6.007,25.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht (LAG) haben die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das BAG hob beide Entscheidungen auf und verwies den Rechtsstreit an das LAG zur weiteren Aufklärung und Entscheidung zurück.

Nach Auffassung des BAG kann der Arbeitgeber die Rückzahlung überzahlter Honorare grundsätzlich verlangen, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird. Hiervon konnte das BAG aufgrund des Sachvortrags im konkret entschiedenen Fall ausgehen, ohne dies näher aufzuklären. Das BAG hob allerdings hervor, dass Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens das Bestehen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV ist. Der sozialversicherungsrechtliche Begriff der Beschäftigung umfasst zwar auch das Arbeitsverhältnis, die Beschäftigung ist mit Arbeitsverhältnis jedoch nicht vollkommen deckungsgleich, weshalb die sozialversicherungsrechtliche Bewertung einer bestimmten Tätigkeit für deren arbeitsrechtliche Beurteilung keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen kann.

Ein Rückzahlungsanspruch ist grundsätzlich gerichtet auf die Differenz zwischen der tatsächlich für ein Arbeitsverhältnis geschuldeten Vergütung einschließlich der Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag und den Honorarzahlungen, wenn eine erforderliche Auslegung der getroffenen Vereinbarung ergibt, dass die Vergütung nicht auch unabhängig von der rechtlichen Einordnung dieser geschuldet sein soll. Einem Mitarbeiter muss regelmäßig klar sein, dass er die für ein freies Dienstverhältnis vereinbarte Vergütung nicht als Bruttoarbeitsentgelt beanspruchen kann, wenn sich das Rechtsverhältnis in Wahrheit als Arbeitsverhältnis darstellt. Nur in Ausnahmefällen kann eine auf die Zahlung eines Stundenhonorars gerichtete Vergütungsvereinbarung für eine freie Mitarbeit dahin ausgelegt werden, dass sie unabhängig von der Rechtsnatur des vereinbarten Rechtsverhältnisses Gültigkeit haben soll. Fehlt es an Umständen, die hierauf schließen lassen, und lässt sich durch ergänzende Vertragsauslegung die Höhe der Vergütung nicht zweifelsfrei bestimmen, steht dem Arbeitnehmer nur die übliche Vergütung zu (§ 612 Abs. 2 BGB), die im Streit durch das Gericht festzustellen ist.

Der Bereicherungsanspruch scheitert nicht an § 814 BGB. Die Klägerin wusste nicht positiv, dass sie zur Leistung nicht verpflichtet war. Dies gilt selbst dann, wenn die Klägerin hinsichtlich der Einordnung des Rechtsverhältnisses als freies Dienstverhältnis Zweifel hegte.

Das BAG ging schließlich auch nicht davon aus, dass der Anspruch verjährt ist. In Fällen wie dem entschiedenen kann ein Arbeitgeber die Überzahlung in der Regel erst im Zeitpunkt der rechtsbeständigen gerichtlichen Feststellung oder der außergerichtlichen Klärung des Arbeitnehmerstatus erkennen. Erst ab diesem Zeitpunkt kann von ihm erwartet werden, dass er seine Ansprüche wegen Überzahlung geltend macht. Eine frühere Inanspruchnahme ist nicht zumutbar, weil vom Arbeitgeber ein widersprüchliches Verhalten verlangt würde.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des BAG macht deutlich, dass die sog. Scheinselbständigkeit nicht nur für den Arbeitgeber, sondern evtl. auch für den vermeintlich freien Mitarbeiter wegen etwaiger Rückforderungsansprüche nicht unerhebliche Risiken birgt.

Die Geltendmachung eines vom Grundsatz her bestehenden Rückforderungsanspruchs ist indes, wie das Urteil deutlich zeigt, nicht einfach. Wenn Rückforderungsansprüche bestehen, muss eine Differenz sehr sorgfältig berechnet werden, was im Streit bislang nicht ausreichend geschah. Das LAG wird sich nunmehr u.a. auch überlegen müssen, wie es Zeiträume einer Arbeitsunfähigkeit, eines voraussichtlich nicht gewährten Urlaubs, gesetzliche Feiertage etc. in der Berechnung berücksichtigt, da der Arbeitnehmer in diesen Zeiten zwar nicht hätte arbeiten müssen, er aber einen arbeitsrechtlichen Vergütungsanspruch gehabt hätte.

Im entschiedenen Fall waren zwar schließlich keine Ausschlussfristen zu beachten. Wenn solche in einem Arbeitsverhältnis aber einschlägig wären, müsste ein Arbeitgeber auch diese und die hierzu ergangene strenge Rechtsprechung des BAG beachten.

Unternehmen könnten zur Vermeidung späterer Unklarheiten überlegen, bereits im Dienstvertrag festzuhalten, dass die vereinbarte Vergütung nur für eine freie Dienstleistung gezahlt wird ohne Pflicht für das Unternehmen zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und ansonsten nur die deutlich niedrigere übliche Vergütung in einem Arbeitsverhältnis geschuldet wäre.

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