Dr. Christoph Fingerle, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf Gewährung halber Urlaubstage

In der betrieblichen Praxis kommt die Gewährung halber Urlaubstage auf Arbeitnehmerwunsch – dies z.T. mit kurzen Vorlauffristen – durchaus häufiger vor. Abgesehen davon, dass darauf von Arbeitnehmerseite nur in Ausnamefällen ein Anspruch bestehen kann, birgt diese Praxis für die Arbeitgeberseite Risiken. Das Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 06.03.2019 (4 Sa 73/18) stellt die Rechtslage dazu illustrativ dar.

Sachverhalt

Der Kläger war langjährig bei der Beklagten beschäftigt und daneben auch im familieneigenen Weinberg tätig. Um die dort nach Wetter- und Vegetationsbedingungen kurzfristig zu erledigenden Tätigkeiten ausüben zu können, hatte er – so seine Behauptung – in der Vergangenheit in erheblichem Umfang (zwischen 13 und 18 Tagen) jeweils kurzfristig halbe Tage Urlaub erhalten. Er hatte nach seinem Vortrag dann jeweils bis 10.00 Uhr gearbeitet, anschließend den Betrieb verlassen, um die Tätigkeit im Weinberg aufnehmen zu können.

Die beklagte Arbeitgeberin hatte nunmehr mitgeteilt, ihm zukünftig jedenfalls nicht mehr als sechs halbe Tage Urlaub pro Jahr zu gewähren.

Der Kläger hatte daraufhin mittels arbeitsgerichtlicher Klage die Feststellung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm auf seinen Wunsch den Jahresurlaub in einem Umfang von bis zu zehn, hilfsweise acht ganzen Tagen in halben Tagen mit einer Ankündigungsfrist von jeweils einem Tag zu gewähren.

Die Klage war vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat die zulässige Berufung als unbegründet zurückgewiesen.

Zwar habe der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 Satz 1 1. HS BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Allerdings habe der Arbeitgeber auch zu prüfen, ob der Urlaubsgewährung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen. Da der Antrag des Arbeitnehmers diese Prüfungsmöglichkeit des Arbeitgebers kategorisch ausschließe, sei er bereits deswegen unbegründet.

Darüber hinaus missachte das Klagebegehren auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BUrlG. Danach sei der Urlaub zusammenhängend zu gewähren. Eine Ausnahme komme nur dann in Betracht, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung erforderlich machten. Ob allein der dahingehende Wunsch des Arbeitnehmers bereits einen in seiner Person liegenden Grund für eine solche Teilung darstellen könne, sei fraglich. Jedenfalls könne eine Zerstückelung des Urlaubs in viele kleine Einheiten nicht gefordert werden, weil dadurch die gesetzgeberische Zielrichtung des Urlaubs zu Erholungszwecken vereitelt würde. Eine Urlaubsgewährung nur von Bruchteilen eines Urlaubstages sei ohnehin vollständig ausgeschlossen, es sei denn, es handle sich um den Ausnahmefall der Gewährung eines Teilurlaubsanspruchs von berechnet unter 0,5 Urlaubstagen.

Da von diesen gesetzlichen Grundsätzen nach § 13 Abs. 1 BUrlG auch arbeitsvertraglich nicht abgewichen werden kann, käme eine andersartige Handhabung allenfalls für den vertraglichen, über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruch in Betracht. Entgegen der klägerischen Behauptung habe das Landesarbeitsgericht eine dahingehende Vereinbarung (mit früheren Geschäftsführern) oder dahingehende betriebliche Übung indes bereits deshalb nicht feststellen können, weil ein unbedingter Anspruch auf kurzfristig zu gewährende halbe Urlaubstage ohne vorherige, weitergehende Prüfung durch den Arbeitgeber auch nicht der in der Vergangenheit geübten Praxis (nach Vortrag des Klägers) entsprochen habe.

Hinweise für die Praxis

In der betrieblichen Praxis kommt die Gewährung halber Urlaubstage durchaus häufiger vor. Aus Sicht des Arbeitgebers ist davon dringend abzuraten, soweit davon der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch betroffen wird, beziehungsweise durch diese Urlaubsgewährung teilweise erfüllt werden soll. Eine solche Urlaubsgewährung in Kleinstraten wäre nämlich keine ordnungsgemäße Erfüllung des Urlaubsanspruches mit der Folge, dass mangels Erfüllung der Urlaub insoweit nochmals gefordert werden könnte.

Eine dahingehende Praxis kommt daher allenfalls hinsichtlich der vertraglichen Mehrurlaubsansprüche in Betracht, die über den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch hinausgehen. Es empfiehlt sich daher, insoweit die Urlaubsbeantragung und –gewährung exakt und beweiskräftig zu dokumentieren.

Will man auf Arbeitgeberseite mit höchster Vorsicht handeln, sollten halbe Urlaubstage nur und erst dann erteilt werden, wenn der gesetzliche Urlaubsanspruch für das Urlaubsjahr bereits durch Gewährung erfüllt worden ist.

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