Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Gesetzlicher Urlaubsanspruch bei unbezahltem Sonderurlaub

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in Abänderung seiner Rechtsprechung mit Urteil vom 19.03.2019 (9 AZR 315/17) entschieden, dass für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubs Zeiten eines unbezahlten Sonderurlaubs unberücksichtigt bleiben.

Sachverhalt

Die Klägerin ist bei der Beklagten, ihrer Arbeitgeberin, seit dem 01.06.1991 beschäftigt. Die Beklagte gewährte ihr wunschgemäß in der Zeit vom 01.09.2013 bis zum 31.08.2014 unbezahlten Sonderurlaub, der einvernehmlich bis zum 31.08.2015 verlängert wurde. Nach Beendigung des Sonderurlaubs verlangte die Klägerin von der Beklagten, ihr den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen für das Jahr 2014 zu gewähren.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Gewährung von 20 Arbeitstagen Urlaub verurteilt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des BAG Erfolg. Der Klägerin stand für das Jahr 2014 kein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zu.

Das BAG stellte zunächst fest, dass nach § 3 Abs. 1 BUrlG sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage in der Woche auf 24 Werktage beläuft; dies entspricht bei einer Fünftagewoche einem gesetzlichen Jahresurlaubsanspruch von 20 Tagen. Wenn die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers sich auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteile, müsse die Anzahl der Urlaubstage unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus berechnet werden, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten.

Bislang hatte das BAG in Fällen des Sonderurlaubs eine Umrechnung nicht vorgenommen (vgl. 06.05.2014, 9 AZR 678/12). An dieser Rechtsprechung hält der zuständige Senat des BAG nunmehr ausdrücklich nicht mehr fest. Befindet sich ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr ganz oder teilweise im unbezahlten Sonderurlaub, ist bei der Berechnung der Urlaubsdauer zu berücksichtigen, dass die Arbeitsvertragsparteien ihre Hauptleistungspflichten durch die Vereinbarung von Sonderurlaub vorübergehend ausgesetzt haben. Dies führt nunmehr dazu, dass einem Arbeitnehmer für ein Kalenderjahr, in dem er sich durchgehend im unbezahlten Sonderurlaub befindet, mangels einer Arbeitspflicht kein Anspruch auf Erholungsurlaub zusteht.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des BAG ist erfreulich, zumal die aufgehobene ältere Rechtsprechung zu Ergebnissen führte, die nur schwer zu verstehen waren. Im Hinblick auf den zwingenden gesetzlichen Mindesturlaub konnte zudem von den bisher strengen Vorgaben des BAG weder durch eine Vereinbarung zwischen den Parteien noch durch eine Regelung in einem Tarifvertrag wirksam abgewichen werden.

Die Entscheidung liegt bislang zwar nur als Pressemitteilung vor, und sie betraf den Urlaubsanspruch für ein gesamtes Jahr, in dem sich die Klägerin in unbezahltem Sonderurlaub befand. Sie dürfte aber auch dann gelten, wenn ein Arbeitnehmer z.B. nur für 6 Monate in Sonderurlaub gehen will und der Arbeitgeber dem zustimmt. Voraussichtlich wird es nicht einmal erforderlich sein, eine Vereinbarung hierüber zu schließen. Insoweit bleiben aber die Ausführungen des BAG im vollständig abgesetzten Urteil abzuwarten. Für die Übergangszeit bis die Urteilsgründe vorliegen, ist einem Arbeitgeber zu empfehlen, z.B. in der Regelung zum Sonderurlaub auch zu vereinbaren, dass der Urlaub nur zeitanteilig entsteht.

An der Rechtsprechung des BAG dazu, dass eine Erkrankung eines Arbeitnehmers zumindest keine Auswirkungen auf das Entstehen des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs hat, wird sich durch diese Entscheidung voraussichtlich nichts ändern.

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