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Frist zur Anhörung bei außerordentlicher Kündigung

Soll vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche nach Bekanntwerden von Anhaltspunkten für den Kündigungssachverhalt betragt und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden. Dies hat das BAG mit Beschluss vom 27.06.2019 (Az.: 2 ABR 2/19) entschieden.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin begehrt die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden wegen Belästigungen einer Kollegin.

Bei der Arbeitgeberin besteht eine Konzernbetriebsvereinbarung, nach der sich Beschäftigte, die sich einer unerwünschten, belästigenden oder gar diskriminierenden Situation ausgesetzt sehen, vertraulich an bestimmte Stellen oder Personen wenden können. Letztere sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, solange und soweit der oder die Betroffene sie nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbindet.

Nachdem die betroffene Arbeitnehmerin den Vorfall der Personalleiterin und der Prokuristin berichtet hatte, welcher auf ihre Bitte zunächst vertraulich behandelt wurde, war sie ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Erst drei Wochen später teilte die Arbeitnehmerin der Arbeitgeberin mit, dass sie den Fall jetzt doch offiziell untersuchen lassen wolle, und übermittelte einen dreiseitigen Bericht zu dem Geschehen.

Erst daraufhin beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden, die dieser ablehnte.

Das Arbeitsgericht hat dem Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Auf die Beschwerde des Betriebsrates und des Betriebsratsvorsitzenden hat ihn das LAG abgewiesen. Das BAG hat den Beschluss des LAG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat klargestellt, dass vorliegend die Arbeitgeberin zur weiteren Aufklärung der Sachlage zunächst eine Anhörung des Betriebsratsvorsitzenden abwarten durfte.

Soll der Kündigungsgegner angehört werden, müsse dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie dürfe im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden.

Der Arbeitgeber müsse aber unter Berücksichtigung der Umstände des Falls und des in § 626 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Eilbedürfnisses bei der Vereinbarung einer Vertraulichkeit betreffend Mitteilungen von Arbeitnehmern gegenüber kündigungsberechtigten Mitarbeitern grundsätzlich eine angemessen kurze Frist setzen, innerhalb derer sich der betroffene Arbeitnehmer über die Beibehaltung der Vertraulichkeit zu erklären hat.

Im vorliegenden Fall habe jedoch nach Vorstellung der Arbeitgeberin ihre Obliegenheit, mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchzuführen, mit ihrer Pflicht, auf das Wohl und die berechtigten Interessen der betroffenen Arbeitnehmerin Rücksicht zu nehmen und sie vor Gesundheitsgefahren auch psychischer Art zu schützen, kollidiert.

Die Arbeitgeberin habe der Arbeitnehmerin zwar keine angemessen kurze Frist gesetzt, innerhalb derer sie sich erklären sollte, ob sie auf die Vertraulichkeit verzichtet. Dies könne aber – jedenfalls nach dem Sachvortrag der Arbeitgeberin – im konkreten Fall unschädlich sein. Insbesondere sei die Arbeitnehmerin nach den Angaben der Arbeitgeberin im Anhörungsschreiben an den Betriebsrat gerade aufgrund des Vorfalls, der der Vertraulichkeit unterliegen sollte, arbeitsunfähig erkrankt. Sollte eine solche Situation bestanden haben, durfte die Arbeitgeberin ausnahmsweise davon absehen, der Arbeitnehmerin eine Frist für eine Erklärung zu setzen. Sie musste wegen ihrer sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebenden Pflicht auf die Erkrankung der Arbeitnehmerin Rücksicht nehmen.

Zwar dürfe ein Arbeitgeber auch in einem solchen Fall nicht beliebig lang zuwarten, bis sich der Arbeitnehmer zu einer Entbindung von der Vertraulichkeit entschließt. Vorliegend könne die Frage aber offen gelassen welche, welche Frist für eine solche Erklärung noch hinnehmbar ist. Jedenfalls wäre der zeitliche Abstand von drei Wochen zwischen der Mitteilung der Vorwürfe gegenüber dem Arbeitgeber und der Entbindung von der Vertraulichkeit durch den betroffenen Arbeitnehmer bei einer auf dem Vorfall beruhenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit noch nicht zu beanstanden.

Hinweise für die Praxis

Das BAG stellt klar, dass die einwöchige Anhörungsfrist nur beim Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden darf. Eine Überschreitung der einwöchigen Anhörungsfrist kann bei einer Pflicht zur Vertraulichkeit gerechtfertigt sein. In diesem Fall ist dem Arbeitnehmer jedoch eine Erklärungsfrist zu setzen, ob er auf die Vertraulichkeit der Mitteilung verzichtet. Andernfalls fehlt es regelmäßig an der gebotenen Eile der Ermittlungen.

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