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Bildungsurlaub für Yogakurs

Bezahlte Freistellung für einen Yogakurs? Unter Umständen kann jedenfalls für die Arbeitnehmer in Berlin die Antwort „Ja“ lauten. Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 11.04.2019, Az. 10 Sa 2076/18) sah bei einem bestimmten Yogakurs die Voraussetzungen für sog. Bildungsurlaub als erfüllt an.

Sachverhalt

Der Kläger beantragte bei seinem Arbeitgeber Bildungsurlaub für einen von der Volkshochschule angebotenen fünftägigen Kurs „Yoga I – erfolgreich und entspannt im Beruf mit Yoga und Meditation“. Nachdem dieser ablehnte, wandte sich der Kläger an das Arbeitsgericht.

Entscheidungsgründe

Die Klage blieb in der Vorinstanz erfolglos. Das LAG Berlin-Brandenburg hat dem Kläger in der Berufungsinstanz jedoch Recht gegeben.

Der Kurs erfülle die Voraussetzungen gemäß § 1 Berliner Bildungsurlaubsgesetz, so das Gericht. Es reiche aus, dass eine Veranstaltung entweder der politischen Bildung oder der beruflichen Weiterbildung diene. Der Begriff der beruflichen Weiterbildung sei nach der Gesetzesbegründung weit zu verstehen. Hiernach solle unter anderem Anpassungsfähigkeit und Selbstbehauptung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter den Bedingungen fortwährenden und sich beschleunigenden technischen und sozialen Wandels gefördert werden. Auch ein Yogakurs mit einem geeigneten didaktischen Konzept könne diese Voraussetzungen erfüllen.

Hinweise für die Praxis

Auf den ersten Blick vermag dieses Urteil zu verwundern, da bei dem Stichwort „Bildungsurlaub“ kaum jemand sofort an einen Yogakurs denkt. Dabei ist diese Entscheidung ein hervorragender Anstoß, um möglichen Fragen rund um Bildungsurlaub nachzugehen. Was ist unter einem Bildungsurlaub zu verstehen, welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein und was müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dabei beachten?

Hinter dem Begriff „Bildungsurlaub“ verbirgt sich das Recht von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf vom Arbeitgeber bezahlte Freistellung zum Zwecke der Weiterbildung. Da Bildung in die Zuständigkeit der Ländergesetzgebung fällt, ist es Sache der Bundesländer zu entscheiden, ob sie von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen oder nicht. 14 der 16 Bundesländer haben eigene Gesetze mit zum Teil sehr unterschiedlichen Regelungen zum Bildungsurlaub erlassen. Lediglich in Bayern und in Sachsen fehlt es an entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen.

Die jeweiligen Voraussetzungen für die Gewährung von Bildungsurlaub richten sich nach dem jeweils anwendbaren Landesgesetz. Gemeinsam ist, dass Bildungsurlaub stets nur für Veranstaltungen genommen werden kann, die entsprechend anerkannt sind oder als anerkannt gelten. Dabei muss es sich in der Regel um Präsenzveranstaltungen handeln, die in zeitlicher Hinsicht jeweils etwa einem Arbeitstag entsprechen. Oft spielt für den Anspruch zudem eine Mindestgröße des Betriebs und eine Mindestdauer des Beschäftigungsverhältnisses eine Rolle. Während beispielsweise das Berliner Bildungsurlaubsgesetz eine Regelung für die Ablehnung des Freistellungsbegehrens für Betriebe mit in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmern enthält, beinhaltet das Hessische Gesetz über den Anspruch auf Bildungsurlaub eine solche Regelung nicht und normiert stattdessen eine Erstattungsmöglichkeit für das fortzuzahlende Arbeitsentgelt bei bestimmten Kleinst- und Kleinbetrieben. Der Erwerb des Anspruchs auf Bildungsurlaub ist dabei meistens an das sechsmonatige Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses geknüpft. Welcher Beschäftigtenkreis im Einzelnen anspruchsberichtigt ist, ist dem jeweiligen Landesrecht zu entnehmen und entzieht sich einer generalisierenden Darstellung. Hinsichtlich des Umfangs lässt sich festhalten, dass in den meisten Fällen jährlich fünf Arbeitstage Bildungsurlaub bei einer regulären 5-Tage-Arbeitswoche gewährt werden können, die unter Umständen bei einer nicht erfolgten Inanspruchnahme auf das nächste Kalenderjahr übertragbar sind.

Der Bildungsurlaub muss auch nicht zwingend der beruflichen Bildung dienen. Es ist ebenso möglich, sich in Sprachen, zu politischen Themen oder in sonstigen – eher die Soft Skills schulenden – Bereichen weiterbilden zu lassen. Ob für eine Veranstaltung Bildungsurlaub beantragt werden kann, da eine entsprechende Anerkennung vorliegt, wird in den Online-Datenbanken (z.B. Hessische Weiterbildungsdatenbank) und in Veranstaltungskalendern von den Trägern in der Regel ausgewiesen. Zu den Formalien bei der Antragsstellung gehören üblicherweise die Einhaltung einer Mindestfrist von sechs Wochen vor dem geplanten Bildungsurlaub sowie das Beifügen von Unterlagen zu der Bildungsveranstaltung (z.B. Anerkennung, Programm, aus dem sich die Zielgruppe, der zeitliche Ablauf, die Lernziele und Lerninhalte ergeben). Liegen alle Voraussetzungen vor, kann der Arbeitgeber nur in bestimmten Fällen den Bildungsurlaub ablehnen. Diese sind in den jeweiligen Landesgesetzen normiert. Wie auch bei dem Erholungsurlaub kommen als Ablehnungsgründe in der Regel dringende betriebliche Belange in Betracht. Schließlich gilt noch darauf hinzuweisen, dass die Gewährung von Bildungsurlaub ebenfalls einzel- sowie tarifvertraglich geregelt sein kann und dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Ziff. 5 BetrVG zusteht.

So unlieb das Thema „Bildungsurlaub“ für den einen oder anderen Arbeitgeber auch sein mag, so wichtig kann es für die Entwicklung eines Individuums, des Unternehmens und unserer Gesellschaft sein. Für die Beschäftigten ist es eine Möglichkeit, ihre beruflichen und persönlichen Perspektiven zu verbessern, für die Unternehmen liegt der Mehrwert in der Steigerung von Qualifikation sowie Wettbewerbsfähigkeit und für die Gesellschaft ist es ein Beitrag zur Verwirklichung von Chancengerechtigkeit. Den Arbeitgebern bleibt zu empfehlen – sofern noch nicht geschehen –, sich mit dem Bildungsurlaub auseinanderzusetzen und die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen dazu zu kennen.

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